Sterbebegleitung: Beistand bis zum letzten Atemzug
Über das eigene Sterben zu sprechen, ist für die meisten todkranken Menschen nicht einfach, vor allem nicht mit der Familie. Professionelle Sterbebegleiter leisten Beistand und helfen auch bei praktischen Dingen.
Sterbebegleitung Sterbebegleitung (f., nur Singular) die Tatsache, dass sich ein Mensch nicht allein auf seinen Tod vorbereiten muss und professionelle Unterstützung bekommt : Beistand Beistand (m., nur Singular) Hilfe; Unterstützung bis zum letzten Atemzug Atemzug, -züge (m.) das einmalige Ein- und Ausatmen
Über das eigene Sterben zu sprechen, ist für die meisten Menschen nicht einfach, vor allem nicht mit der Familie. Regina Ciriack ist sehr krank und redet lieber mit einer professionellen Sterbebegleiterin über den nahen Tod. Diese versucht, ihr die Angst zu nehmen und unterstützt sie auch bei ganz praktischen Fragen zum Umzug in ein Hospiz oder zur Beerdigung.
REGINA CIRIACK (Kranke):
Moment. So. Und das muss ich Minimum Minimum (n., hier nur Singular) hier: das Mindeste, was möglich ist sechs Stunden die Nacht tragen.
SPRECHERIN:
Das Sauerstoffgerät Sauerstoffgerät, -e (n.) ein Gerät, das jemanden mit zusätzlichem Sauerstoff (O²) versorgt geht Regina Ciriack ziemlich auf die Nerven. Aber sie ist sterbenskrank sterbenskrank so, dass man nicht mehr gesund wird und bald sterben muss : COPD COPD, - (f. nur Singular) aus dem Englischen: kurz für chronic obstructive pulmonary disease); eine Krankheit, die die Lungen angreift und nicht heilbar ist im Endstadium Endstadium, - stadien (n.) die Tatsache, dass eine Krankheit so weit entwickelt ist, dass der Kranke bald stirbt , eine unheilbare unheilbar so, dass es keine Möglichkeit gibt, eine Krankheit zu behandeln Lungen Lunge, -n (f.) das Organ, mit dem man atmet krankheit, bei der die Lungenbläschen Lungenbläschen, - (n.) kleine Bestandteile der Lunge zerstört werden. Regina hat nur noch 20 Prozent Lungenvolumen Lungenvolumen, -volumina (n.) die Menge an Luft, die beim Atmen in der Lunge eingenommen wird . Ohne zusätzlichen Sauerstoff kann sie fast nichts machen.
REGINA CIRIACK:
Ja, also, für mich ist das schon immer ‘ne Belastung Belastung (f., nur Singular) eine Wirkung, die schädlich ist , weil ich klaustrophobisch klaustrophobisch so, dass man Angst hat, zu wenig Platz zu haben bin. Und wenn man immer so was Enges vor ‘m Gesicht hat, das ist für mich unangenehm.
SPRECHERIN:
Regina will sich aufs Sterben vorbereiten. Deshalb kommt einmal die Woche Martina Bukatz vorbei. Sie ist ehrenamtliche ehrenamtlich so, dass man eine Arbeit freiwillig und ohne Bezahlung ausübt Sterbebegleiterin im Auftrag der Malteser Malteser (kurz für Malteser Hilfsdienst e. V.) eine katholische Hilfsorganisation . Sie hat vor Regina bereits mehr als ein Dutzend Menschen beim Sterben begleitet. Die ehemalige Finanzbeamtin weiß also, was sie tut. Die Gespräche mit Martina nehmen Regina die Angst vor dem Sterben.
REGINA CIRIACK:
Sie war eben hautnah hautnah aus der Nähe; direkt schon dabei, und das vermittelt sie auch, und das gibt mir Zuversicht Zuversicht (f., nur Singular) der Glaube, dass die Zukunft positiv sein wird .
MARTINA BUKATZ (ehrenamtliche Sterbebegleiterin):
Schwer ist das Thema nicht, sondern das ist schwer (ist), was die Leute draus machen. Man kann ‘s ganz locker angehen etwas locker an|gehen etwas mit Leichtigkeit erledigen . Wir reden über alles. Das geht nicht mit jedem, das ist auch so, aber mit Regina klappt ‘s wunderbar.
SPRECHERIN:
Die beiden reden auch ganz offen über das Thema Beerdigung Beerdigung, -en (f.) Begräbnis .
REGINA CIRIACK:
Ich möchte verstreut werden etwas verstreuen etwas, das aus kleinen Teilen besteht, über eine Fläche verteilen im Gebirge, in den Bergen, das wär‘ mir wichtig. Und eine große Party, aber keine Sterbeparty, sondern eine Lebensparty. Alle meine Freunde sollen das Leben feiern und nicht den Tod. Das wär‘ mir wichtig.
SPRECHERIN:
Martina Bukatz wurde über einen Zeitraum von neun Monaten von den Maltesern zur Sterbebegleiterin ausgebildet. Da hat sie eigentlich gelernt, eine professionelle Distanz eine professionelle Distanz wahren sich von Berufs wegen nicht emotional mit einem Thema beschäftigen zu wahren eine professionelle Distanz wahren sich von Berufs wegen nicht emotional mit einem Thema beschäftigen . Bei Regina fällt schwer|fallen, etwas fällt jemandem schwer etwas ist schwierig für jemanden ihr das aber schwer schwer|fallen, etwas fällt jemandem schwer etwas ist schwierig für jemanden .
MARTINA BUKATZ:
Sie ist (ein) so‘n Herzensmensch (und), die [sich] ihrer Situation voll bewusst ist, aber auch so positiv, da nehm‘ ich immer Energie mit raus, wo ich immer staune staunen verwundert sein; überrascht sein , wo sie die noch hernimmt etwas her|nehmen umgangssprachlich für: etwas bekommen . Aber, ja, es ist einfach schön.
SPRECHERIN:
Ein paar Wochen später wieder bei Regina. Sie wohnt mit ihrem Mann in einer Dachgeschosswohnung ohne Balkon in Berlin. Wenn sie mal vor die Türe will, ist das ein riesiger Akt ein riesiger Akt sein so, dass etwas sehr aufwendig ist; viel Mühe kosten . Ihr Mann hilft ihr dabei. Es dauert ewig, bis sie die drei Stockwerke bis nach unten geschafft haben. Regina kann nur kurze Strecken gehen. Der Ausflug auf die Bank vor dem Haus ist für die 67-Jährige etwas Besonderes. Seit 40 Jahren ist sie mit ihrem Mann verheiratet, auf ihn und ihre beiden Kinder kann sie sich verlassen. Doch so offen und locker über ihren Tod sprechen wie mit Martina, das geht nicht. Und in der Küche wartet schon Martina. An diesem Tag geht es darum, ob Regina bald in ein Hospiz Hospiz, -e (n.) so, dass etwas sehr aufwendig ist; viel Mühe kosten geht – ein Haus speziell für Sterbende.
REGINA CIRIACK:
Du, ich habe auch gesagt, wenn ich die Möglichkeit hab‘, mir das noch auszusuchen, wenn ich noch einigermaßen einigermaßen nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht; mittelmäßig Herr meiner Sinne Herr seiner Sinne sein umgangssprachlich für: bei vollem Bewusstsein Entscheidungen für sich treffen können bin, wunderbar. Andere machen sonntags ‘ne Kaffeefahrt Kaffeefahrt, -en (f.) umgangssprachlich für: irgendwo hinfahren, um sich etwas anzugucken , ich sage, komm wir gucken uns ‘n Hospiz an.
MARTINA BUKATZ:
Richtig!
SPRECHERIN:
Und genau so eine Kaffeefahrt findet zwei Monate später, Anfang Dezember, statt. Ihr Mann Wolfgang unterstützt sie und begleitet sie auch bei diesem Termin, aber am liebsten wäre ihm, wenn Regina zuhause bleibt. Doch seine Frau hat einen eigenen Kopf haben umgangssprachlich für: sich nicht von anderen beeinflussen lassen ihren eigenen Kopf einen eigenen Kopf haben umgangssprachlich für: sich nicht von anderen beeinflussen lassen . Schließlich hat sie schon alles mit Martina besprochen.
REGINA CIRIACK:
Aber nach mehreren Gesprächen dann auch mit meiner Sterbebegleitung von den Maltesern hab‘ ich mir doch überlegt, meine Familie lieber aus dem Fokus Fokus, -se (m., meist Singular) hier: die Konzentration auf eine bestimmte Sache raushalten zu wollen. Ich weiß nicht, ob das so toll ist für die zu sehen, wenn die Mutter mit den Füßen zuerst mit den Füßen zuerst gehen umgangssprachlich für: einen Ort tot verlassen , sag ich ma‘, aus der Wohnung geht mit den Füßen zuerst gehen umgangssprachlich für: einen Ort tot verlassen .
SPRECHERIN:
Drei Monate später, Regina ist immer noch zuhause, aber ins Zentrum der Wohnung, ins Wohnzimmer, gezogen.
REGINA CIRIACK:
Neues Pflegebett, habe meinen – Moment – meinen Standort gewechselt. Alles ein bisschen heller, ein bisschen freundlicher, ich kann hier auch Besuch empfangen. Alles wunderbar. Und [ich] freu‘ mich darüber.
SPRECHERIN:
Und ihr Mann ist nur einen Knopfdruck entfernt.
REGINA CIRIACK:
Das ist meine Jamesklingel Jamesklingel, -n (f.) hier umgangssprachlich für: ein Signal für einen Diener .
SPRECHERIN:
Ihr Mann arbeitet jetzt im Homeoffice, um immer erreichbar zu sein. Den Umzug ins Hospiz schiebt er erst einmal weg.
WOLFGANG CIRIACK (Ehemann von Regina):
Ich hab‘ eigentlich gesehen, dass sie hier zuhause hier noch, wenn man ihr hilft, eigentlich noch ganz gut klarkommt. Ja, und dann habe ich sie lieber hier, als wenn ich den ganzen Tag alleine bin und dann nur zum Besuch hinfahre. Ja, dann nehme etwas in Kauf nehmen umgangssprachlich für: etwas akzeptieren, auch wenn es negativ ist ich öfters auchin Kauf etwas in Kauf nehmen umgangssprachlich für: etwas akzeptieren, auch wenn es negativ ist , dass ich jetzt nicht mehr als Mann, sondern als James behandelt jemanden als James behandeln umgangssprachlich für: jemanden wie einen Diener behandeln werde hier, als Diener Diener, - (m.)/Dienerin, -nen veraltet für einen Mann oder eine Frau, dessen bzw. deren Beruf es ist, sich in einem Haushalt um andere zu kümmern .
REGINA CIRIACK:
Ja, dann kriegst du auch Taschengeld Taschengeld (n., meist im Singular) das Geld, das Kinder wöchentlich oder monatlich von ihren Eltern bekommen, um kleine Dinge zu kaufen .
SPRECHERIN:
Rund zwei Wochen nach diesem Besuch stirbt Regina plötzlich. So sanft, wie sie es sich gewünscht hat. Martina Bukatz kommt zu Reginas Abschiedsfeier – wie von Regina bestellt in einem Partyoutfit. Und auch das Fest ist, wie es sich die Verstorbene Verstorbene, -n (m./f.) der/die Tote; jemand, der gestorben ist vorgestellt hat.
MARTINA BUKATZ:
Laut, trubelig trubelig so, dass viele Leute da sind , bunt. Also, so haben wir das immer mal besprochen, wie das denn aussehen soll, und genauso, glaub‘ ich, ist es geworden.
SPRECHERIN:
Zu Ostern erfüllt die Familie Reginas allerletzten Wunsch. Sie verstreuen ihre Asche Asche (f., hier nur Singular) ein grauschwarzes Pulver, das entsteht, wenn ein Körper verbrennt in den Schweizer Bergen.
Sterbebegleitung: Beistand bis zum letzten Atemzug
Sterbebegleitung (f., nur Singular) — die Tatsache, dass sich ein Mensch nicht allein auf seinen Tod vorbereiten muss und professionelle Unterstützung bekommt
Beistand (m., nur Singular) — Hilfe; Unterstützung
Atemzug, -züge (m.) — das einmalige Ein- und Ausatmen
Minimum (n., hier nur Singular) — hier: das Mindeste, was möglich ist
Sauerstoffgerät, -e (n.) — ein Gerät, das jemanden mit zusätzlichem Sauerstoff (O²) versorgt
sterbenskrank — so, dass man nicht mehr gesund wird und bald sterben muss
COPD, - (f. nur Singular) — aus dem Englischen: kurz für chronic obstructive pulmonary disease); eine Krankheit, die die Lungen angreift und nicht heilbar ist
Endstadium, - stadien (n.) — die Tatsache, dass eine Krankheit so weit entwickelt ist, dass der Kranke bald stirbt
unheilbar — so, dass es keine Möglichkeit gibt, eine Krankheit zu behandeln
Lunge, -n (f.) — das Organ, mit dem man atmet
Lungenbläschen, - (n.) — kleine Bestandteile der Lunge
Lungenvolumen, -volumina (n.) — die Menge an Luft, die beim Atmen in der Lunge eingenommen wird
Belastung (f., nur Singular) — eine Wirkung, die schädlich ist
klaustrophobisch — so, dass man Angst hat, zu wenig Platz zu haben
ehrenamtlich — so, dass man eine Arbeit freiwillig und ohne Bezahlung ausübt
Malteser (kurz für Malteser Hilfsdienst e. V.) — eine katholische Hilfsorganisation
hautnah — aus der Nähe; direkt
Zuversicht (f., nur Singular) — der Glaube, dass die Zukunft positiv sein wird
etwas locker an|gehen — etwas mit Leichtigkeit erledigen
Beerdigung, -en (f.) — Begräbnis
etwas verstreuen — etwas, das aus kleinen Teilen besteht, über eine Fläche verteilen
eine professionelle Distanz wahren — sich von Berufs wegen nicht emotional mit einem Thema beschäftigen
schwer|fallen, etwas fällt jemandem schwer — etwas ist schwierig für jemanden
staunen — verwundert sein; überrascht sein
etwas her|nehmen — umgangssprachlich für: etwas bekommen
ein riesiger Akt sein — so, dass etwas sehr aufwendig ist; viel Mühe kosten
Hospiz, -e (n.) — so, dass etwas sehr aufwendig ist; viel Mühe kosten
einigermaßen — nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht; mittelmäßig
Herr seiner Sinne sein — umgangssprachlich für: bei vollem Bewusstsein Entscheidungen für sich treffen können
Kaffeefahrt, -en (f.) — umgangssprachlich für: irgendwo hinfahren, um sich etwas anzugucken
einen eigenen Kopf haben — umgangssprachlich für: sich nicht von anderen beeinflussen lassen
Fokus, -se (m., meist Singular) — hier: die Konzentration auf eine bestimmte Sache
mit den Füßen zuerst gehen — umgangssprachlich für: einen Ort tot verlassen
Jamesklingel, -n (f.) — hier umgangssprachlich für: ein Signal für einen Diener
etwas in Kauf nehmen — umgangssprachlich für: etwas akzeptieren, auch wenn es negativ ist
jemanden als James behandeln — umgangssprachlich für: jemanden wie einen Diener behandeln
Diener, - (m.)/Dienerin, -nen — veraltet für einen Mann oder eine Frau, dessen bzw. deren Beruf es ist, sich in einem Haushalt um andere zu kümmern
Taschengeld (n., meist im Singular) — das Geld, das Kinder wöchentlich oder monatlich von ihren Eltern bekommen, um kleine Dinge zu kaufen
Verstorbene, -n (m./f.) — der/die Tote; jemand, der gestorben ist
trubelig — so, dass viele Leute da sind
Asche (f., hier nur Singular) — ein grauschwarzes Pulver, das entsteht, wenn ein Körper verbrennt