Deutsch-französische Freundschaft in der Krise?
Deutsche und Franzosen verbindet eine enge Freundschaft. Aber in der Corona-Krise sahen vor allem manche Deutsche in ihren Nachbarn eine Gefahr. Die Schließung der Grenzen sorgte für Unruhe.
Deutsch-französische Freundschaft in der Krise?
Deutsche und Franzosen haben über Jahrzehnte eine intensive Freundschaft aufgebaut, ganz besonders in Grenzregionen wie dem Saarland. Weil die Deutschen aber während der Corona-Krise die Grenze zwischen den beiden Ländern kontrollieren ließen, gab es Schwierigkeiten und Konflikte. Menschen von beiden Seiten der Grenze berichten, was sie erlebt haben und was sie machen, um die Freundschaft wiederherzustellen.
SPRECHER:
Im Zoll Zoll (m., hier nur Singular) hier: eine Behörde, die den Warentransport an den Grenzen überwacht, aber auch illegale Arbeitsverhältnisse kontrolliert museum von Habkirchen hat Franz-Josef Fries alle Hände voll zu tun alle Hände voll zu tun haben sehr viel zu tun haben . Der pensionierte pensioniert so, dass man als Beamter nicht mehr arbeitet und Geld vom Staat bekommt Zöllner Zöllner, -/Zöllnerin, -nen eine Person, die an der Grenze zwischen zwei Ländern arbeitet und kontrolliert; jemand, der beim Zoll arbeitet kümmert sich ehrenamtlich ehrenamtlich freiwillig und ohne Bezahlung um die Ausstellung im alten Grenzhäuschen. Eigentlich ist die deutsch-französische Grenze hier Geschichte, das Museum ein Symbol für gute Nachbarschaft. Doch jetzt hat die Corona-Krise einen Keil einen Keil in etwas treiben hier: dafür sorgen, dass es einen Streit oder einen Konflikt gibt in die länderübergreifende Freundschaft getrieben einen Keil in etwas treiben hier: dafür sorgen, dass es einen Streit oder einen Konflikt gibt .
FRANZ-JOSEF FRIES (Zollmuseum Habkirchen):
Dass ich das noch erleben kann, dass Deutsche mit den Franzosen irgendwelchen Krach Krach, Kräche (m.) hier: der Streit haben, nur weil sie aus Frankreich kamen, weil in Frankreich Corona eher eher hier: früher; vorher war. Das hätte ich nie im Leben geglaubt, dass das wieder passiert.
SPRECHER:
Franzosen werden beschimpft jemanden beschimpfen jemanden mit Worten beleidigen , stehen in Verdacht, das Virus zu verbreiten etwas verbreiten hier: dafür sorgen, dass etwas (z. B. Viren oder Bakterien) mehr werden kann , als im März die Grenzen wieder geschlossen werden – so wie diese Brücke. Eine deutsche Behörde hatte die französische Nachbarregion zum Risikogebiet erklärt. Nur wer auf der anderen Seite arbeitete, durfte die Grenze weiter passieren etwas passieren hier: an etwas vorbeigehen oder -fahren; durchgehen . Eine Maßnahme, für die Franz-Josef Fries Verständnis hat.
FRANZ-JOSEF FRIES:
Was wollten Sie denn machen? Natürlich, ein Virus macht haltmachen stoppen; anhalten an keiner Grenze der Welt halt haltmachen stoppen; anhalten . Die Leute, die rüberkommen mit dem Virus, die verbreiten etwas verbreiten hier: dafür sorgen, dass etwas (z. B. Viren oder Bakterien) mehr werden kann den dann.
SPRECHER:
Ihn hat das schwer getroffen jemanden schwer treffen hier: jemanden psychisch sehr verletzen; jemanden schlimm beleidigen : Jerome Lohmann ist Franzose, pendelt pendeln hier: regelmäßig von zu Hause zur Arbeit fahren zur Arbeit nach Deutschland. Dann war über Nacht die Grenze zu, ohne Ankündigung Ankündigung, -en (f.) die öffentliche Mitteilung darüber, was man machen wird oder was passieren wird . Als Grenzgänger Grenzgänger, -/Grenzgängerin, -nen hier: eine Person, die an der Grenze lebt und in dem anderen Land arbeitet durfte er zwar rüber. Doch mancher Deutsche sah plötzlich eine Gefahr in ihm.
JEROME LOHMANN:
Wenn wir gesagt kriegen, wir sind jetzt unerwünscht unerwünscht so, dass man etwas nicht haben möchte und alles, und das war – das hat mir ein bisschen Weh Weh, -e (n.) hier: der psychische Schmerz am Herz gemacht. Wie? Warum? Wir können nichts dafür. Jeder weiß, es kommt ja von China. Das hätten können die deutschen Kollegen kriegen oder egal was. Und wir können nichts dafür. Das hat mir doch ein bisschen wehgetan.
SPRECHER:
Im deutschen Grenzort Gersheim hat der Bürgermeister selbst französische Wurzeln Wurzel, -n (f.) hier: der Ursprung; die Herkunft , wie man schon an seinem Namen merkt. Michael Clivot hat die Berichte gelesen von Grenzgängern aus Frankreich, die auf der Straße als „Scheißfranzosen“ beschimpft wurden, die in ihr „Corona-Land“ zurückgehen sollten. Ausgerechnet ausgerechnet hier: speziell; gerade; besonders im frankophilen frankophil so, dass man Frankreich und seine Kultur mag Saarland steht auf dem Prüfstand stehen hier: genau getestet werden, ob etwas noch gut funktioniert die deutsch-französische Freundschaft auf dem Prüfstand auf dem Prüfstand stehen hier: genau getestet werden, ob etwas noch gut funktioniert .
MICHAEL CLIVOT (Bürgermeister Gersheim):
In dieser Krise hat sich tatsächlich gezeigt, dass sie vielleicht doch nicht so stabil ist, wie wir das uns bisher immer vorgestellt haben und auch gewünscht haben. Und ich glaube, dass wir jetzt einiges auch noch mal tun müssen, um zumindest zumindest wenigstens mal bei den Menschen vor Ort dieses Gefühl, dass die Partnerschaft Partnerschaft, -en (f.) hier: die Beziehung; die Verbindung so wichtig für Europa ist, noch mal tatsächlich aufzubauen.
SPRECHER:
Michael Clivot hat das Verhalten seiner Saarländer öffentlich kritisiert. Und jetzt steht er selbst in der Kritik.
MICHAEL CLIVOT:
Mir hat man tatsächlich Fakenews hier vorgeworfen, weil viele das auch nicht wahrhaben wollten, aber ich glaube, es war wichtig, das auch laut und stark zu sagen, dass wir hier ein Problem haben.
SPRECHER:
Jetzt, wo die Grenze endlich wieder geöffnet ist, will der Deutsche ein Zeichen setzen ein Zeichen setzen etwas öffentlich tun, damit die Menschen über etwas nachdenken , besucht seinen französischen Amtskollegen im benachbarten Rimling. Eric Hemmert erlebt die Freundschaftskrise von der französischen Seite. Er fürchtet, die Reaktionen aus Deutschland könnten Narben Narbe, -n (f.) eine Stelle am Körper, die zeigt, dass dort früher eine Wunde war hinterlassen.
ERIC HEMMET (Bürgermeister Rimling):
Das hat ein Klima Klima (n., hier nur Singular) hier: die Atmosphäre; die gesellschaftliche Stimmung des Misstrauens geschaffen. In gewisser Weise hat uns unsere Geschichte wieder eingeholt jemanden ein|holen hier: wieder aktuell oder wichtig werden für jemanden . Da ist bei dem einen oder anderen plötzlich wieder der Extremismus Extremismus (m., meist im Singular) eine extreme politische oder religiöse Haltung/Meinung zu etwas hochgekommen.
SPRECHER:
Das Denkmal Denkmal, Denkmäler (n.) eine Figur, ein Bauwerk oder ein Ort, das an ein Ereignis oder an eine Person erinnert von Rimling zeugt von zeugen von hier: erinnern an; ein Zeichen sein für etwas der Geschichte einer schwer umkämpften Grenzregion, von den Kriegen zwischen beiden Staaten. Eine Mahnung Mahnung, en (f.) hier: etwas, das an etwas Negatives erinnert, das nicht noch einmal passieren soll für Politiker beider Seiten, sagen die Bürgermeister. So manche unbedachte unbedacht so, dass man etwas macht, ohne darüber nachgedacht zu haben Äußerung habe die Krise verschärft etwas verschärfen etwas schlimmer machen .
MICHAEL CLIVOT:
Die politische Rhetorik Rhetorik (f., nur Singular) die Art und Weise, wie man etwas sagt beeinflusst auch das Handeln der Menschen und wie sie mit der Angst auch, die im Moment da ist, auch umgehen. Und wenn man natürlich über Wochen erzählt, dass man die Saarländerinnen und Saarländer vor den Franzosen schützen muss, dann fangen natürlich die Menschen an, drüber nachzudenken, und kommen dann vielleicht zu irrationalem irrational nicht vernünftig Handeln, und das haben wir hier auch gehabt.
SPRECHER:
So bekommt das alte Schild der europäischen Freundschaftsbrücke in Habkirchen wieder besondere Bedeutung. Franz-Josef Fries, der ehemalige Zöllner, hätte es am liebsten wieder am alten Platz.
FRANZ-JOSEF FRIES:
Eine Freundschaft, die so fest war wie Deutschland und Frankreich, die gewachsen ist über Jahrzehnte, wirklich über Jahrzehnte, die macht man durch so ’n Quatsch Quatsch (m., nur Singular) umgangssprachlich für: der Unsinn nicht kaputt. Dass das jetzt bleibende Schäden hat, also, das kann ich mir beim allerbesten Willen nicht beim allerbesten Willen nicht gar nicht; überhaupt nicht; niemals vorstellen. Absolut nicht.
SPRECHER:
Im kleinen Museum von Franz-Josef Fries wird die Corona-Blockade Blockade, -n (f.) hier: die Aktion, die es anderen unmöglich macht, einen Ort zu erreichen jedenfalls ihren Platz finden: als ein neues Stück deutsch-französischer Grenzgeschichte.
Deutsch-französische Freundschaft in der Krise?
Zoll (m., hier nur Singular) — hier: eine Behörde, die den Warentransport an den Grenzen überwacht, aber auch illegale Arbeitsverhältnisse kontrolliert
alle Hände voll zu tun haben — sehr viel zu tun haben
pensioniert — so, dass man als Beamter nicht mehr arbeitet und Geld vom Staat bekommt
Zöllner, -/Zöllnerin, -nen — eine Person, die an der Grenze zwischen zwei Ländern arbeitet und kontrolliert; jemand, der beim Zoll arbeitet
ehrenamtlich — freiwillig und ohne Bezahlung
einen Keil in etwas treiben — hier: dafür sorgen, dass es einen Streit oder einen Konflikt gibt
Krach, Kräche (m.) — hier: der Streit
eher — hier: früher; vorher
jemanden beschimpfen — jemanden mit Worten beleidigen
etwas verbreiten — hier: dafür sorgen, dass etwas (z. B. Viren oder Bakterien) mehr werden kann
etwas passieren — hier: an etwas vorbeigehen oder -fahren; durchgehen
haltmachen — stoppen; anhalten
jemanden schwer treffen — hier: jemanden psychisch sehr verletzen; jemanden schlimm beleidigen
pendeln — hier: regelmäßig von zu Hause zur Arbeit fahren
Ankündigung, -en (f.) — die öffentliche Mitteilung darüber, was man machen wird oder was passieren wird
Grenzgänger, -/Grenzgängerin, -nen — hier: eine Person, die an der Grenze lebt und in dem anderen Land arbeitet
unerwünscht — so, dass man etwas nicht haben möchte
Weh, -e (n.) — hier: der psychische Schmerz
Wurzel, -n (f.) — hier: der Ursprung; die Herkunft
ausgerechnet — hier: speziell; gerade; besonders
frankophil — so, dass man Frankreich und seine Kultur mag
auf dem Prüfstand stehen — hier: genau getestet werden, ob etwas noch gut funktioniert
zumindest — wenigstens
Partnerschaft, -en (f.) — hier: die Beziehung; die Verbindung
ein Zeichen setzen — etwas öffentlich tun, damit die Menschen über etwas nachdenken
Narbe, -n (f.) — eine Stelle am Körper, die zeigt, dass dort früher eine Wunde war
Klima (n., hier nur Singular) — hier: die Atmosphäre; die gesellschaftliche Stimmung
jemanden ein|holen — hier: wieder aktuell oder wichtig werden für jemanden
Extremismus (m., meist im Singular) — eine extreme politische oder religiöse Haltung/Meinung zu etwas
Denkmal, Denkmäler (n.) — eine Figur, ein Bauwerk oder ein Ort, das an ein Ereignis oder an eine Person erinnert
zeugen von — hier: erinnern an; ein Zeichen sein für etwas
Mahnung, en (f.) — hier: etwas, das an etwas Negatives erinnert, das nicht noch einmal passieren soll
unbedacht — so, dass man etwas macht, ohne darüber nachgedacht zu haben
etwas verschärfen — etwas schlimmer machen
Rhetorik (f., nur Singular) — die Art und Weise, wie man etwas sagt
irrational — nicht vernünftig
Quatsch (m., nur Singular) — umgangssprachlich für: der Unsinn
beim allerbesten Willen nicht — gar nicht; überhaupt nicht; niemals
Blockade, -n (f.) — hier: die Aktion, die es anderen unmöglich macht, einen Ort zu erreichen