Die Fuggerei: Soziales Wohnen seit 500 Jahren
88 Cent im Jahr: So hoch ist die Miete in der Augsburger Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt. Bis heute sind die Bewohnerinnen und Bewohner verpflichtet, täglich drei Gebete zu sprechen.
Die Fuggerei: Soziales Wohnen seit 500 Jahren
88 Cent Miete pro Jahr, mitten in einer bayerischen Großstadt? Möglich ist das in der Fuggerei in Augsburg. Stifter Jakob Fugger gründete die älteste Sozialsiedlung der Welt vor 500 Jahren. Seitdem sind die Bewohnerinnen und Bewohner verpflichtet, täglich drei Gebete zu sprechen.
SPRECHER:
Seit 500 Jahren gibt es mitten in der bayerischen Stadt Augsburg die Fuggerei – die älteste Sozialsiedlung Sozialsiedlung, -en (f.) eine Gruppe von Häusern mit Wohnungen für Menschen, die nur sehr wenig Geld haben der Welt. In den 142 Wohnungen auf zwei Stockwerken leben heutzutage rund 150 Menschen mit sehr geringem Einkommen. Die Miete beträgt nur 88 Cent pro Jahr, ein winziger winzig sehr klein Bruchteil Bruchteile, -e (m.) ein kleiner Teil von etwas dessen, was eine Wohnung normalerweise in Deutschland kostet. Die sieben Gassen Gasse, -n (f.) eine kleine, enge Straße, oft zwischen zwei Häuserreihen links und rechts der Fuggerei sind wie ein kleines Dorf auf rund 15.000 Quadratmetern.
ILONA BARBER (Bewohnerin der Fuggerei):
Hallo! Grüß Gott! Mein Name ist Ilona Barber, ich wohne seit sechs Jahren hier in der Fuggerei und ich find’s sehr, sehr schön, hier zu wohnen, vor allem der Zusammenhalt Zusammenhalt (m., nur Singular) hier: die enge Beziehung zueinander , den wir haben. Wir zahlen hier nur 88 Cents [Cent] im Jahr an Miete. Kann man natürlich sich auch noch leisten. Also, das ist jetzt die Küche, die ist zwar nicht groß, aber es – vollkommen – reicht für mich als Einzelperson, dort zu leben. Meine Wohnung besonders ist halt eben knapp knapp hier: etwas weniger als; fast 60 Quadratmeter, was auch eigentlich relativ groß ist. Ich bin froh und ich bin glücklich, hier zu leben. Und vor allem habe ich keine, sagen wir mal jetzt, momentan keine Geldsorgen mehr.
SPRECHER:
Dass es die Fuggerei überhaupt gibt, liegt an Jakob Fugger. Der Kaufmann aus Augsburg galt im 16. Jahrhundert als der wohl reichste Mann seiner Zeit. Er stiftete etwas stiften hier: etwas (meist für einen guten Zweck) gründen und die Gründung finanzieren 1521 die Fuggerei als Wohnort für Bedürftige bedürftig hier: arm (Substantiv: der/die Bedürftige, -n) , und zwar auf ewig. Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen gehört in 16. Generation zur Verwaltung der Stiftung Stiftung, -en (f.) hier: eine Organisation, die etwas mit ihrem Geld (bzw. mit den Gewinnen aus ihrem Geld) finanziert und unterstützt , die sich vorwiegend vorwiegend zum größten Teil aus Einnahmen Einnahme, -n (f., meist im Plural) hier: das Geld, das man für etwas bekommt aus der eigenen Forstwirtschaft Forstwirtschaft (f., nur Singular) die Arbeit im Wald mit dem Ziel, Holz zu produzieren finanziert.
ALEXANDER ERBGRAF FUGGER-BABENHAUSEN (Mitglied im Fuggerschen Familienseniorat):
Der Stifter Stifter,-/Stifterin, -nen jemand, der Geld oder wertvolle Dinge spendet, damit etwas gegründet wird hat in der Stiftungsurkunde Urkunde, -n (f.) ein offizielles Dokument definiert, dass unverschuldet unverschuldet so, dass jemand keine Schuld an etwas hat in Not geratene Menschen aus der Region, aus Augsburg, hier sich als Bewohner bewerben können. Die Liste der Bewerber ist leider länger als die Plätze, die wir anbieten können. Der Grundansatz Grundansatz, -ansätze (m.) die wichtigste Idee, wie etwas gestaltet werden könnte; die Grundlage, auf der etwas weiterentwickelt wird , der hier gelebt wird, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Also, dass die Personen, die wir in der Fuggerei aufnehmen, tatsächlich auch unterstützt werden, irgendwann auch wieder ausziehen zu können.
SPRECHER:
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Fuggerei vergrößert und modernisiert, auch nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Ein kleines Museum zeigt, wie man vor 500 Jahren in der Fuggerei lebte.
ALEXANDER ERBGRAF FUGGER-BABENHAUSEN:
Hier sind wir jetzt in der Stube Stube, -n (f.) veraltet: ein Zimmer; der (geheizte) Wohnraum , das ist eigentlich ein sehr großzügiger Raum für die damalige Zeit. Dieser Raum wurde nicht nur als Wohnzimmer genutzt, sondern auch als Stube, um der Arbeit nachzukommen etwas nach|kommen hier: etwas tun, was man machen muss oder was jemand anderes möchte . Hier waren ja auch viele Handwerker. Das ist das Schlafzimmer oder die Kammer Kammer, -n (f.) veraltet: ein kleines, einfaches Zimmer zum Schlafen . Der Raum war unbeheizt unbeheizt ohne Heizung , und wahrscheinlich hat die ganze Familie auch in diesem Zimmer gemeinsam geschlafen. Man sieht, an diesem Bett, da kann man aus der Schublade Schublade, -n (f.) ein Fach in einem Möbelstück, das man herausziehen kann das erweitern etwas erweitern etwas größer machen für die Kinder.
SPRECHER:
Der katholische Glaube ist ein Muss ein Muss sein so wichtig sein, dass man es machen muss in der Fuggerei. Alle Bewohner sind seit 500 Jahren dazu angehalten zu etwas angehalten sein etwas machen sollen , täglich drei Gebete Gebet, -e (n.) das Sprechen zu Gott zu sprechen. So wollte sich der Stifter ewiges Seelenheil Seelenheil (n., nur Singular) der Glaube daran, dass man nach dem Tod zu Gott (und nicht in die Hölle) kommt sichern.
MARTHA JESSE (Bewohnerin der Fuggerei):
Das wird nicht kontrolliert, aber ich denk, dass jeder Bewohner, wenn er Respekt hat und wenn er, also ich mein, dankbar ist für das [dafür], dass er hier wohnt, dass er dann auch die Gebete für sich betet beten mit Gott sprechen .
SPRECHER:
Bei allen Bewohnern wird die Bedürftigkeit durch die Stiftung genau geprüft. Es leben viele Rentner hier, aber auch einige junge Mieter.
LISA KRON (Bewohnerin der Fuggerei):
Hallo, ich bin ist Lisa Kron und wohne hier seit zwei Jahren und zeige Ihnen jetzt gerne meine Wohnung.
SPRECHER:
Die 23-Jährige hat bereits einen achtjährigen Sohn und noch keine Berufsausbildung.
LISA KRON:
So, wir sind hier jetzt in meinem Wohnzimmer. Nebendran ist das Kinderzimmer, da steht schon die Wiege Wiege, -n (f.) hier: ein kleines Bett für Babys , weil in zwei Monaten bekomme ich mein Kind. Also, es hilft mir schon sehr, sehr viel, weil ich hab auch ziemlich viel Unterstützung, und wenn ich Probleme hab, kann ich auch mit jemandem sprechen.
SPRECHER:
Auch dass viele Touristen kommen, um die Fuggerei anzuschauen, hilft der Stiftung finanziell: Die Eintrittsgelder machen 20 Prozent der Einnahmen aus. Die Fuggerei will auch zu ihrem 500. Geburtstag ihr Fortbestehen Fortbestehen (n., nur Singular) die dauerhafte Existenz von etwas sichern – vielleicht nicht für die Ewigkeit, aber doch für die kommenden Jahrhunderte.
Die Fuggerei: Soziales Wohnen seit 500 Jahren
Sozialsiedlung, -en (f.) — eine Gruppe von Häusern mit Wohnungen für Menschen, die nur sehr wenig Geld haben
winzig — sehr klein
Bruchteile, -e (m.) — ein kleiner Teil von etwas
Gasse, -n (f.) — eine kleine, enge Straße, oft zwischen zwei Häuserreihen links und rechts
Zusammenhalt (m., nur Singular) — hier: die enge Beziehung zueinander
knapp — hier: etwas weniger als; fast
etwas stiften — hier: etwas (meist für einen guten Zweck) gründen und die Gründung finanzieren
bedürftig — hier: arm (Substantiv: der/die Bedürftige, -n)
Stiftung, -en (f.) — hier: eine Organisation, die etwas mit ihrem Geld (bzw. mit den Gewinnen aus ihrem Geld) finanziert und unterstützt
vorwiegend — zum größten Teil
Einnahme, -n (f., meist im Plural) — hier: das Geld, das man für etwas bekommt
Forstwirtschaft (f., nur Singular) — die Arbeit im Wald mit dem Ziel, Holz zu produzieren
Stifter,-/Stifterin, -nen — jemand, der Geld oder wertvolle Dinge spendet, damit etwas gegründet wird
Urkunde, -n (f.) — ein offizielles Dokument
unverschuldet — so, dass jemand keine Schuld an etwas hat
Grundansatz, -ansätze (m.) — die wichtigste Idee, wie etwas gestaltet werden könnte; die Grundlage, auf der etwas weiterentwickelt wird
Stube, -n (f.) — veraltet: ein Zimmer; der (geheizte) Wohnraum
etwas nach|kommen — hier: etwas tun, was man machen muss oder was jemand anderes möchte
Kammer, -n (f.) — veraltet: ein kleines, einfaches Zimmer zum Schlafen
unbeheizt — ohne Heizung
Schublade, -n (f.) — ein Fach in einem Möbelstück, das man herausziehen kann
etwas erweitern — etwas größer machen
ein Muss sein — so wichtig sein, dass man es machen muss
zu etwas angehalten sein — etwas machen sollen
Gebet, -e (n.) — das Sprechen zu Gott
Seelenheil (n., nur Singular) — der Glaube daran, dass man nach dem Tod zu Gott (und nicht in die Hölle) kommt
beten — mit Gott sprechen
Wiege, -n (f.) — hier: ein kleines Bett für Babys
Fortbestehen (n., nur Singular) — die dauerhafte Existenz von etwas