In der Berliner Unterwelt
Seit zwei Jahrzehnten erforscht Dietmar Arnold Tunnel, Keller und Brunnen in der Berliner Unterwelt. Sie erzählen die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus einer neuen Perspektive.
In der Berliner Unterwelt
Seit zwei Jahrzehnten erforscht Dietmar Arnold Tunnel, Keller und Brunnen in der Berliner Unterwelt. Sie erzählen die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus einer neuen Perspektive.
SPRECHER:
Dietmar Arnold – seit rund 20 Jahren erforscht er Berlins Untergrund Untergrund (m., hier nur Singular) hier: die Schicht unter der Erdoberfläche und hat 1997 den Verein „Berliner Unterwelten Unterwelt, -en (f.) hier: Gebäude und Anlagen, die sich unter der Erde befinden “ mitgegründet. Sein Arbeitsplatz hat keine Fenster und liegt rund acht Meter unter Berlin. Zehntausende Kubikmeter Kubikmeter, - (m.) eine Einheit, um die Größe von Räumen zu bestimmen Schutt Schutt (m., nur Singular) hier: Steine oder Mauerstücke von zerstörten Gebäuden haben er und sein Team hier über Jahre rausgetragen und damit unterirdische unterirdisch hier: so, dass etwas unter der Erde ist Baudenkmäler Baudenkmal, -denkmäler (n.) ein Gebäude oder Teil eines Gebäudes, das an eine bestimmte Zeit erinnert freigelegt etwas frei|legen hier: die Erde entfernen, die auf und in einem Gebäude liegt , zum Beispiel Brauerei Brauerei, -en (f.) der Ort, an dem Bier hergestellt wird keller und Fluchttunnel Fluchttunnel, - (m.) ein Tunnel unter der Erde, durch den Menschen flüchten . Die Idee dazu kam Dietmar Arnold in Paris.
DIETMAR ARNOLD (Gründer Verein „Berliner Unterwelten“):
Als ich 1988 dann Stadt- und Regionalplanung studiert habe, gab’s ’n Austausch Austausch (m., nur Singular) hier: ein Gespräch über ein Thema, durch das man neue Informationen bekommt und neue Perspektiven kennenlernt mit Pariser Stadtplanern, und ich bin da in in etwas geraten hier: zufällig mit etwas/jemandem in Kontakt kommen; ohne Absicht in etwas hineinkommen eine Gruppe von Kataphilen Kataphile, -n (m./f.) jemand, der sich für alte Gebäude unter der Erde (besonders in der Stadt Paris) interessiert geraten in etwas geraten hier: zufällig mit etwas/jemandem in Kontakt kommen; ohne Absicht in etwas hineinkommen , die also sozusagen die Katakomben Katakombe, -n (f., meist Plural) Anlagen und Gebäude unter der Erde, in denen man früher Tote begraben hat unter Paris erkundet etwas erkunden hier: etwas entdecken; sich etwas genau ansehen haben. Es gab da drei rivalisierende rivalisieren besser sein wollen als andere; miteinander konkurrieren Gruppen und bei der einen ... ich hab‘ denen dann geholfen, da unten zu vermessen etwas vermessen prüfen, wie groß etwas ist und weiß ich was weiß ich was hier umgangssprachlich für: und so weiter . Und bin dann so zwei Tage mit denen mal unterwegs [gewesen], und da hab‘ ich mich infiziert sich infizieren hier: von der Begeisterung anderer Personen angesteckt werden . Und dann kam ich zurück nach Berlin und dachte, ich muss mal gucken, was ist eigentlich unter dem Boden der eigenen Stadt los.
SPRECHER:
Dieser neu gebaute Zugang führt zu einem der letzten Fluchttunnel, mit denen Menschen aus der einst geteilten Stadt von Ost nach West gelangen sollten. 17 DDR DDR (f., nur Singular) Abkürzung für: Deutsche Demokratische Republik (Staat von 1949-1990) -Bürgern sollte er den Weg in die Freiheit ermöglichen. Es fehlten nur noch zehn Meter, aber dann flog auf|fliegen hier: entdeckt werden (z. B. ein Verbrechen; ein Skandal; ein Plan) der Plan auf auf|fliegen hier: entdeckt werden (z. B. ein Verbrechen; ein Skandal; ein Plan) . Einer der Tunnelgräber Tunnelgräber, -/Tunnelgräberin, -nen eine Person, die einen Tunnel gräbt war der Westberliner Klaus Köppen. Er wollte so seine schwangere Frau zu sich in den freien Westteil der Stadt holen.
DIETMAR ARNOLD:
Ja, hier gucken wir jetzt in den Originaltunnel aus dem Jahre 1970/71 rein. Das ist der einzige Tunnel, den man tatsächlich jetzt im Original sehen kann aus der Zeit der Berliner Mauer.
SPRECHER:
Auch viele Hilfsmittel Hilfsmittel, - (n.) hier: ein Werkzeug; ein Instrument und Werkzeuge der Tunnelbauer Tunnelbauer, -/Tunnelbauerin, -nen jemand, der einen Tunnel baut sind im Original zu sehen. Oberirdisch oberirdisch auf der Erdoberfläche; über der Erde markieren Platten Platte, -n (f.) hier: ein flaches, dünnes Stück aus einem harten Material den Verlauf Verlauf, Verläufe (m.) hier: der Weg, den etwas geht des Tunnels von West nach Ost. Die Teilung der Stadt hat Dietmar Arnolds Lebengeprägt jemanden/etwas prägen hier: einen starken Einfluss auf jemanden/etwas haben . Es gab Freunde im Osten der Stadt, die ihn nie besuchen konnten. 1964 wird er im Westteil geboren. Zum Studium zieht er in die Nähe der Grenze an der Bernauer Straße.
DIETMAR ARNOLD:
Wenn ich jetzt aus Westdeutschland Besuch bekommen habe – wie Freunde, Bekannte, Verwandte auch, – dann bin ich nie zum Brandenburger Tor gefahren. Das war so bei uns eigentlich auch verpönt verpönt nicht akzeptiert; als schlecht geltend . Wenn, dann immer hier an die Bernauer Straße. Es gab quasi quasi ungefähr; fast an jeder Straßenkreuzung ... gab’s so Holzpodeste Podest, -e (n.) eine kleine Plattform, die höher ist als der Boden um sie herum auf der Westseite Westseite (f., hier nur Singular) hier: in Westberlin; auf der westlichen Seite der Berliner Mauer , die waren so hoch gebaut, dass man von dort aus richtig über die Mauer ganz weit nach Ost-Berlin reingucken konnte.
SPRECHER:
Ganz in der Nähe liegt seine Stammkneipe Stammkneipe, -n (f.) eine Kneipe, die man regelmäßig besucht , der „Biermichel“. Seit seiner Jugend spielt er Akkordeon Akkordeon, -s (n.) ein Musikinstrument, das auf zwei Seiten Knöpfe oder Tasten hat und das Töne erzeugt, wenn man Luft hineindrückt – heute am liebsten Lieder aus den 1920er Jahren.
DIETMAR ARNOLD:
Ich bin ja ’n echter Berliner, um es mal so auszudrücken, und ich freue mich einfach, dass also auch bei ... auch doch bei den jüngeren Leuten sogar noch ’n Interesse an diesen Liedern da ist, und die sind ja zum Teil richtig brandaktuell brandaktuell sehr aktuell , wenn man sich sich etwas an|gucken sich etwas ansehen die Texte der 20er Jahre da anguckt sich etwas an|gucken sich etwas ansehen . Und es können also hier auch einige mitsingen mit|singen selbst auch singen, wenn eine andere Person ein Lied singt , und ich find’ also ... ich kämpfe gerne dafür – deswegen sing ich das auch, dass so was nie ausstirbt aus|sterben aufhören zu existieren . Genau wie die Berliner Eckkneipe Eckkneipe, -n (f.) eine traditionelle Kneipe an der Straßenecke, die vor allem von den Bewohnern des jeweiligen Stadtviertels besucht wird , die darf auch nie aussterben.
SPRECHER:
Und für die Freilegung von Baudenkmälern unter den Straßen von Berlin will der 54-Jährige auch so lange kämpfen, wie er kann. Dieser Brunnen von 1863 ist eine der letzten Entdeckungen. Er gehörte zu einer Brauerei und führt Wasser führen so sein, dass sich etwas von selbst mit frischem Wasser füllt noch heute Wasser Wasser führen so sein, dass sich etwas von selbst mit frischem Wasser füllt .
DIETMAR ARNOLD:
Für mich ist Berlin die Stadt der Zeitgeschichte Zeitgeschichte (f., nur Singular) die Geschichte der jüngsten Vergangenheit des 20. Jahrhunderts von der Kaiserzeit Kaiserzeit (f., nur Singular) die Zeit, als Deutschland von einem Kaiser regiert wurde über über hier: Präposition, die sich auf ein Element in einer Reihe zwischen anderen Elementen bezieht die Weimarer Republik Weimarer Republik (f., nur Singular) der deutsche Staat von 1919–1933 über die NS-Zeit NS-Zeit (f., nur Singular) Abkürzung für: die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945) über die Nachkriegszeit und die deutsche Teilung und dann die Wiedervereinigung. Wir haben hier alles wirklich erlebt. Man kann hier also Geschichte wirklich toll vermitteln etwas vermitteln dafür sorgen, dass jemand etwas kennenlernt .
SPRECHER:
Eben nicht nur über, sondern auch unter der Erde. Das beweist Dietmar Arnold mit seinem Verein „Berliner Unterwelten“.
DIETMAR ARNOLD:
Tschüss.
In der Berliner Unterwelt
Untergrund (m., hier nur Singular) — hier: die Schicht unter der Erdoberfläche
Unterwelt, -en (f.) — hier: Gebäude und Anlagen, die sich unter der Erde befinden
Kubikmeter, - (m.) — eine Einheit, um die Größe von Räumen zu bestimmen
Schutt (m., nur Singular) — hier: Steine oder Mauerstücke von zerstörten Gebäuden
unterirdisch — hier: so, dass etwas unter der Erde ist
Baudenkmal, -denkmäler (n.) — ein Gebäude oder Teil eines Gebäudes, das an eine bestimmte Zeit erinnert
etwas frei|legen — hier: die Erde entfernen, die auf und in einem Gebäude liegt
Brauerei, -en (f.) — der Ort, an dem Bier hergestellt wird
Fluchttunnel, - (m.) — ein Tunnel unter der Erde, durch den Menschen flüchten
Austausch (m., nur Singular) — hier: ein Gespräch über ein Thema, durch das man neue Informationen bekommt und neue Perspektiven kennenlernt
Kataphile, -n (m./f.) — jemand, der sich für alte Gebäude unter der Erde (besonders in der Stadt Paris) interessiert
in etwas geraten — hier: zufällig mit etwas/jemandem in Kontakt kommen; ohne Absicht in etwas hineinkommen
Katakombe, -n (f., meist Plural) — Anlagen und Gebäude unter der Erde, in denen man früher Tote begraben hat
etwas erkunden — hier: etwas entdecken; sich etwas genau ansehen
rivalisieren — besser sein wollen als andere; miteinander konkurrieren
etwas vermessen — prüfen, wie groß etwas ist
weiß ich was — hier umgangssprachlich für: und so weiter
sich infizieren — hier: von der Begeisterung anderer Personen angesteckt werden
DDR (f., nur Singular) — Abkürzung für: Deutsche Demokratische Republik (Staat von 1949-1990)
auf|fliegen — hier: entdeckt werden (z. B. ein Verbrechen; ein Skandal; ein Plan)
Tunnelgräber, -/Tunnelgräberin, -nen — eine Person, die einen Tunnel gräbt
Hilfsmittel, - (n.) — hier: ein Werkzeug; ein Instrument
Tunnelbauer, -/Tunnelbauerin, -nen — jemand, der einen Tunnel baut
oberirdisch — auf der Erdoberfläche; über der Erde
Platte, -n (f.) — hier: ein flaches, dünnes Stück aus einem harten Material
Verlauf, Verläufe (m.) — hier: der Weg, den etwas geht
verpönt — nicht akzeptiert; als schlecht geltend
quasi — ungefähr; fast
Podest, -e (n.) — eine kleine Plattform, die höher ist als der Boden um sie herum
jemanden/etwas prägen — hier: einen starken Einfluss auf jemanden/etwas haben
Westseite (f., hier nur Singular) — hier: in Westberlin; auf der westlichen Seite der Berliner Mauer
Stammkneipe, -n (f.) — eine Kneipe, die man regelmäßig besucht
Akkordeon, -s (n.) — ein Musikinstrument, das auf zwei Seiten Knöpfe oder Tasten hat und das Töne erzeugt, wenn man Luft hineindrückt
brandaktuell — sehr aktuell
sich etwas an|gucken — sich etwas ansehen
mit|singen — selbst auch singen, wenn eine andere Person ein Lied singt
aus|sterben — aufhören zu existieren
Eckkneipe, -n (f.) — eine traditionelle Kneipe an der Straßenecke, die vor allem von den Bewohnern des jeweiligen Stadtviertels besucht wird
Wasser führen — so sein, dass sich etwas von selbst mit frischem Wasser füllt
Zeitgeschichte (f., nur Singular) — die Geschichte der jüngsten Vergangenheit
Kaiserzeit (f., nur Singular) — die Zeit, als Deutschland von einem Kaiser regiert wurde
über — hier: Präposition, die sich auf ein Element in einer Reihe zwischen anderen Elementen bezieht
Weimarer Republik (f., nur Singular) — der deutsche Staat von 1919–1933
NS-Zeit (f., nur Singular) — Abkürzung für: die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945)
etwas vermitteln — dafür sorgen, dass jemand etwas kennenlernt