70 Jahre hinterm Zapfhahn
Wirtin Hildegard Schweinsberg ist schon 87 Jahre alt und steht trotzdem jeden Tag in ihrer Kneipe hinterm Tresen. Seit fast 70 Jahren zapft sie Bier für ihre vielen Stammgäste und kann sich nicht vorstellen aufzuhören.
70 Jahre hinterm Zapfhahn
Wirtin Hildegard Schweinsberg ist schon 87 Jahre alt und steht trotzdem jeden Tag in ihrer Kneipe hinterm Tresen. Sie führt ihren Gasthof "Zur Börse" seit fast 70 Jahren und kann sich nicht vorstellen, jemals aufzuhören. Ein Glück für die Bewohner des kleinen Dorfes Neuhaus an der Elbe. Viele Leute kommen schon seit Jahrzehnten zur „Börsen-Oma“.
HILDEGARD SCHWEINSBERG (Kneipen-Besitzerin):
Also man kennt seine Gäste alle.
SPRECHERIN:
Hildegard Schweinsberg kennt alle und jeden, denn sie ist seit mehr als 70 Jahren hinter diesem Tresen Tresen, - (m.) ein hoher Tisch, hinter dem jemand steht und Getränke verkauft zugange zugange sein etwas tun; hier: arbeiten . Jeden Tag mindestens 50 Bier gezapft etwas zapfen ein Getränk (meist Bier) aus einem Fass mit einem Zapfhahn in ein Glas füllen . Macht 15.000 pro Jahr, in 70 Jahren locker locker hier: mindestens eine Million Bier. Am Zapfhahn Zapfhahn, -hähne (m.) ein Hahn an einem Fass, aus dem meist Bier kommt macht keiner macht jemandem etwas vor umgangssprachlich für: jemand ist in einer Sache besonders gut und meist besser als alle anderen ihr keiner was vor keiner macht jemandem etwas vor umgangssprachlich für: jemand ist in einer Sache besonders gut und meist besser als alle anderen .
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Das kann man nicht erklären. Das kann man, das kann man lernen. Man muss die Gläser beim Einschenken etwas ein|schenken ein Getränk in ein Glas gießen schräg halten. Ich weiß nicht, ich hab‘ etwas drin haben etwas automatisch machen; etwas sehr gut können das so drin etwas drin haben etwas automatisch machen; etwas sehr gut können . Und ich lass‘ jemanden an etwas lassen jemanden etwas machen lassen auch ungern jemanden dran jemanden an etwas lassen jemanden etwas machen lassen .
SPRECHERIN:
Hildegard Schweinsberg, genannt Oma Börse, ist in diesem Haus geboren. Angefangen hier zu arbeiten hat sie, da war sie noch ein junges Mädchen. Drei Kinder großgezogen, zwei Ehemänner überlebt überleben hier: länger leben als jemand . Früher ging´s hier rund es geht rund umgangssprachlich für: es ist viel los .
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Und mit allen Gästen, dass es keine Schlägerei Schlägerei, -en (f.) ein gewalttätiger Streit; die Tatsache, dass sich zwei oder mehr Personen schlagen gibt und so weiter, ja? Das ist auch so ‘ne Sache. Bis jetzt ist alles immer gut gegangen. Die haben auch ein bisschen Respekt, trotzdem trotzdem hier: obwohl ich schon so alt bin.
SPRECHERIN:
Fast jeder ist Stammgast Stammgast, -gäste (m.) ein Gast, der regelmäßig kommt in der Börse. Alle kennen sich seit Jahrzehnten. Wann war Herr Zahnow das erste Mal hier?
HERR ZAHNOW (Gast):
1961!
SPRECHERIN:
Das war vor 57 Jahren.
HERR ZAHNOW (Gast):
1961!
SPRECHERIN:
Herr und Frau Dörrbaum kommen immer donnerstags, für Bockwurst Bockwurst, -würste (f.) eine Wurst, die in heißem Wasser warm gemacht wird , Café und frisch gezapftes Alster Alster,- (n.) hier: Alster-Bier; ein Mischgetränk aus Bier und Limonade . Aber natürlich kommen sie auch wegen Oma Börse. Viele, die früher in der Börse ein- und ausgingen ein- und ausgehen sehr oft kommen , sind inzwischen gestorben. Oma Börse aber ist immer noch da. Egal wie charmant charmant höflich; nett sie eingeladen wird, sie trinkt nie mit. Seit 30 Jahren schon nicht mehr. Kopfrechnen Kopfrechnen (n., nur Singular) die Tatsache, dass man etwas im Kopf und ohne Taschenrechner ausrechnet und Kopfschmerzen vertragen sich etwas verträgt sich etwas passt gut zueinander nicht, sagt sie.
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
22,80 Euro. 22,80 Euro.
SPRECHERIN:
Reich wurde und wird sie hier nicht. Aber die Einnahmen decken etwas decken hier: etwas erfüllen; etwas erreichen die Kosten und irgendwie geht es ja auch um mehr in der Börse: um die Gemeinschaft. Dass die Börse mal schließt, will sich keiner vorstellen. Mit 87 Jahren immer noch täglich 100 Gläser spülen, trocknen, kontrollieren. Bier bestellen, Abrechnungen Abrechnung, -en (f.) hier: die Rechnung machen. Immerhin immerhin wenigstens; zumindest hat Oma Börse inzwischen eine Halbtagshilfe Halbtagshilfe, -n (f.) eine Person, die jemanden einen halben Tag lang unterstützt angestellt.
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Sonst tat die linke Schulter immer weh vom Fallen. Und jetzt tut die rechte Schulter auch weh, aber das ist wohl von dem Wirtschaften wirtschaften hier: in einer Kneipe stehen und als Wirt/-in arbeiten .
SPRECHERIN:
Zwei Mal ist sie hingefallen. Beim letzten Mal war sie sogar im Krankenhaus und bat den Arzt, sie schnell wieder fit zu machen: Denn ihr Gasthof wartet. Die Frage steht im Raum stehen umgangssprachlich für: etwas ist Thema für alle Gäste im Raum im Raum stehen umgangssprachlich für: etwas ist Thema : Braucht Oma Börse nicht mal Ruhe?
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Das liegt jemandem (nicht) liegen umgangssprachlich für: jemand kann etwas gut (schlecht); jemand ist (nicht) talentiert mir nicht. Und ich brauch‘ die Menschen. Und wenn ich meine Tür abschließe, und der eine klopft und der andere klopft – das kann ich gar nicht mit ansehen.
SPRECHERIN:
Drei Kinder, sieben Enkel und fünf Urenkel Urenkel, - /Urenkelin, -nen das Kind eines Enkels oder einer Enkelin hat sie, aber keiner möchte die Börse übernehmen. Also den Gasthof verkaufen?
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Die Leute hier haben mir gesagt, weißte was?! Da kriegst du höchstens 80.000!
MANN:
Im Lotto sind 90 Millionen. Und wenn ich die gewinne, dann kauf‘ ich dir alles ab. Ende! Oma Börse kauf ich mit!
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Wollen wir mal Lotto spielen?
MANN:
Ja, wollen wir mal…
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Pogi, noch ein Bier?
POGI:
Ja.
SPRECHERIN:
Sie gehört dazu. So eine Runde muss man auch ein bisschen beherrschen?!
HILDEGARD SCHWEINSBERG:
Muss man alles im Griff haben etwas im Griff haben etwas unter Kontrolle haben . Ja, die sind auch manchmal ganz schön frech, aber die kriegen Kontra kriegen umgangssprachlich für: widersprechen; eine andere Meinung deutlich machen auch Kontra Kontra kriegen umgangssprachlich für: widersprechen; eine andere Meinung deutlich machen von mir zurück. Nein, wenn das zu bunt wird jemandem wird etwas zu bunt umgangssprachlich für: genug von etwas haben , dann hauen ein paar Bolzen raus|hauen umgangssprachlich für: energisch reagieren; schimpfen wir auch mal ein paar Bolzen raus ein paar Bolzen raus|hauen umgangssprachlich für: energisch reagieren; schimpfen . Und das wissen sie denn ganz genau, und da sagen sie auch: Also, bei Oma Börse kann nicht jeder tun, was er will. So.
SPRECHERIN:
Und wer wie Herr Zahnow einen über den Durst getrunken einen über den Durst trinken umgangssprachlich für: mehr trinken ,als man sollte; mehr trinken, als man verträgt hat, dem organisiert Oma Börse die Heimfahrt. Was wäre Neuhaus ohne die Börse? Wer herkommt, geht beschwingt beschwingt gut gelaunt . Mit oder ohne Alkohol.
HERR ZAHNOW:
So schön kann das Leben sein!
MANN:
Tschüss!
70 Jahre hinterm Zapfhahn
Tresen, - (m.) — ein hoher Tisch, hinter dem jemand steht und Getränke verkauft
zugange sein — etwas tun; hier: arbeiten
etwas zapfen — ein Getränk (meist Bier) aus einem Fass mit einem Zapfhahn in ein Glas füllen
locker — hier: mindestens
Zapfhahn, -hähne (m.) — ein Hahn an einem Fass, aus dem meist Bier kommt
keiner macht jemandem etwas vor — umgangssprachlich für: jemand ist in einer Sache besonders gut und meist besser als alle anderen
etwas ein|schenken — ein Getränk in ein Glas gießen
etwas drin haben — etwas automatisch machen; etwas sehr gut können
jemanden an etwas lassen — jemanden etwas machen lassen
überleben — hier: länger leben als jemand
es geht rund — umgangssprachlich für: es ist viel los
Schlägerei, -en (f.) — ein gewalttätiger Streit; die Tatsache, dass sich zwei oder mehr Personen schlagen
trotzdem — hier: obwohl
Stammgast, -gäste (m.) — ein Gast, der regelmäßig kommt
Bockwurst, -würste (f.) — eine Wurst, die in heißem Wasser warm gemacht wird
Alster,- (n.) — hier: Alster-Bier; ein Mischgetränk aus Bier und Limonade
ein- und ausgehen — sehr oft kommen
charmant — höflich; nett
Kopfrechnen (n., nur Singular) — die Tatsache, dass man etwas im Kopf und ohne Taschenrechner ausrechnet
etwas verträgt sich — etwas passt gut zueinander
etwas decken — hier: etwas erfüllen; etwas erreichen
Abrechnung, -en (f.) — hier: die Rechnung
immerhin — wenigstens; zumindest
Halbtagshilfe, -n (f.) — eine Person, die jemanden einen halben Tag lang unterstützt
wirtschaften — hier: in einer Kneipe stehen und als Wirt/-in arbeiten
im Raum stehen — umgangssprachlich für: etwas ist Thema
jemandem (nicht) liegen — umgangssprachlich für: jemand kann etwas gut (schlecht); jemand ist (nicht) talentiert
Urenkel, - /Urenkelin, -nen — das Kind eines Enkels oder einer Enkelin
etwas im Griff haben — etwas unter Kontrolle haben
Kontra kriegen — umgangssprachlich für: widersprechen; eine andere Meinung deutlich machen
jemandem wird etwas zu bunt — umgangssprachlich für: genug von etwas haben
ein paar Bolzen raus|hauen — umgangssprachlich für: energisch reagieren; schimpfen
einen über den Durst trinken — umgangssprachlich für: mehr trinken ,als man sollte; mehr trinken, als man verträgt
beschwingt — gut gelaunt