Altersarmut in einem reichen Land
Sie müssen beim Einkauf sparen und bekommen Lebensmittel von sozialen Organisationen: In Deutschland leben über drei Millionen arme Rentnerinnen und Rentner. Doch warum ist das so in einem der reichsten Länder der Welt?
Altersarmut in einem reichen Land
Sie müssen beim Einkaufen sparen und Lebensmittel von sozialen Organisationen wie der Tafel holen: Über drei Millionen Rentnerinnen und Rentner gibt es in Deutschland, die in Armut leben. Doch warum ist das so in einem der reichsten Länder der Welt?
UWE SAUER (Rentner):
Mein Name ist Uwe Sauer, bin 66 Jahre alt, habe den Beruf eines Ofensetzers Ofensetzer, - (m.) jemand, der beruflich Öfen ab- und aufbaut erlernt, war 20 Jahre im Beruf. Und heute bin ich altersarmer Rentner mit 66 Jahren und kriege nur 321 Euro. Wir mussten schwer arbeiten, vom dritten, vierten Hinterhof Hinterhof, -höfe (m.) ein enger Hof hinter einem meist großen Mietshaus, der von mehreren Häusern umgeben ist , fünf Treppen in Kreuzberg Kreuzberg (m.) der Name eines Stadtteils in Berlin (auch: der Name eines Hügels in Berlin) , Öfen abreißen etwas ab|reißen hier: etwas entfernen; etwas absichtlich zerstören , Kacheln Kachel, -n (f.) eine flache Scheibe aus einem harten Material (gebrannter Ton), die an einen Ofen oder eine Wand geklebt wird neu rauftragen, Lehm Lehm (m., nur Singular) eine bestimmte Art von Erde, die kein Wasser durchlässt einrühren ein|rühren hier: mischen , da musste ich die Öfen neu setzen, das war eine Knochenarbeit Knochenarbeit, -en (f.) eine besonders harte Arbeit . Mein Kreuz Kreuz, -e (n.) hier: der untere Teil des Rückens ist auch kaputt, meine Knie auch, das berechnet berechnen hier: etwas in eine Rechnung einbeziehen; etwas berücksichtigen heut keiner. Ich habe 2013 einen schweren Autounfall gehabt, habe hier neun Schrauben Schraube, -n (f.) ein kleiner Metallstift, der in etwas hineingedreht werden kann, um es zu befestigen im rechten Bein und zwei Platten Platte, -n (f.) hier: ein flaches, dünnes Stück aus einem harten Material , und danach war ich dann erwerbsunfähig erwerbsunfähig so, dass man nicht mehr arbeiten kann . Und … was soll ich sagen? Und nachher wurde das Bein immer schlimmer und dann wurde ich dann nicht mehr vermittelt jemanden vermitteln hier: jemanden, der Arbeit sucht, mit jemanden in Verbindung bringen, der Arbeit anbietet .
MICHAEL REICHELT (Küchenchef Rathenower Küche):
Wir kochen hier für 120 Essen im Schnitt im Schnitt im Durchschnitt; Mittelwert täglich, und in der Woche gehen noch an die 500 Liter Eintöpfe Eintopf, Eintöpfe (m.) ein Gericht, das aus mehreren Zutaten (z.B. Gemüse, Kartoffeln, Fleisch) besteht, die zusammen in einem Topf gekocht werden an verschiedene soziale Außenstellen Außenstelle, -n (f.) eine weitere Vertretung einer Organisation oder Firma, die nicht die Zentrale ist . Hier kommen hauptsächlich Menschen aus sozial benachteiligten sozial benachteiligt so, dass man es finanziell schwerer hat als andere Schichten, Leute, die wenig Geld zur Verfügung haben zur Verfügung haben etwas haben und nutzen können; über etwas verfügen im Monat, um ihre … ja, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten den Lebensunterhalt bestreiten das kaufen können, was man zum Leben braucht .
SPRECHERIN:
2019 waren in Deutschland 3,2 Millionen Senioren ab 66 Jahren von Altersarmut betroffen von etwas betroffen sein hier: ein bestimmtes Problem haben . Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat, das sind monatlich 781 Euro. Warum?
MARION WISOTZKI (Standortleiterin Rathenower Küche):
Zu geringe Löhne früher, zu lange … zu große Zeiten der Arbeitslosigkeit, insbesondere nach dem Umbruch Umbruch, -brüche (m.) hier: der Wechsel von einem alten zu einem neuen System; die große Änderung in den 90er-Jahren, gebrochene Erwerbsbiografien gebrochene Erwerbsbiografie ein Leben, in dem man keine Karriere gemacht hat, sondern häufiger den Beruf gewechselt hat oder arbeitslos war , und das führt letztendlich auch zur Altersarmut. Es ist das absolute Armutszeugnis Armutszeugnis, -se (n.) der Beweis dafür, dass etwas sehr schlecht gemacht wurde , dass in einem Land wie Deutschland überhaupt diese fast schon industrialisierte Tafel Tafel, -n (f.) hier: ein Ort, an dem Menschen mit wenig Geld kostenlos Lebensmittel bekommen existiert und dass man den armen Menschen über solche Institutionen praktisch den Lebensunterhalt gewährt etwas gewähren etwas erlauben; etwas anbieten; etwas möglich machen mit.
SPRECHERIN:
Einmal wöchentlich gehen Uwe Sauer und seine Frau Elaine einkaufen.
UWE SAUER:
Nee, die können wir uns nicht leisten. Oder doch – 99 Cent. Na, dann nehmen wir so eine, 99 Cent. Das ist eine Paprikawurst, Paprikasalami, die kostet 99 Cent, sind 400 g, und schmeckt sehr, sehr lecker. Und von dem Geldbeutel Geldbeutel, - (m.) hier übertragen für: das Geld, das einem zur Verfügung steht , weil wir wenig haben, können wir uns die leisten, und es ist mehr drin als in anderen Filialen Filiale, -n (f.) ein einzelnes Geschäft, das zu einer größeren Firma mit vielen Geschäften gehört . Dann nimmst du das – Kekse, guck mal, dann hast du was Schönes. Man hat sich dran gewöhnt, mit wenig auszukommen mit wenig aus|kommen mit wenig Geld leben können , ich bin ja nun Rentner, wie gesagt.
ELAINE (Ehefrau von Uwe Sauer):
Man braucht nicht so viel, um glücklich zu sein.
UWE SAUER:
Gesundheit ist das Wichtigste auf Erden.
SPRECHERIN:
150 Menschen kommen jeden Donnerstag zu dieser Ausgabe Ausgabe, -n (f.) hier: ein Ort, an dem etwas verteilt wird (z. B. Lebensmittel) der Berliner Tafel.
EDDA STRAAKHOLDER (Ehrenamtliche Berliner Tafel):
Wir haben hier seit über 15 Jahren eine Lebensmittelausgabe für Leute, die zusätzlich Lebensmittel brauchen, weil sie staatliche Leistungen staatliche Leistung, -en (f.) das Geld vom Staat, zum Beispiel für arme Menschen kriegen, die eben auch nicht so richtig reichen. Ich finde es ganz gut, dass es das gibt, weil es natürlich, ich denke, in jeder Gesellschaft auch Leute gibt, die irgendwo durchs Raster fallen durchs Raster fallen keinen Platz in einem sozialen System finden . Also, ich denke, hungern hungern nicht genug zu essen haben muss man nicht, wenn man sich sich schämen etwas (meist etwas, das man selbst tut) peinlich finden nicht schämt sich schämen etwas (meist etwas, das man selbst tut) peinlich finden eben, so ein Angebot anzunehmen, aber Altersarmut gibt es schon, weil manche Leute eben doch sehr, sehr geringe Renten haben, wo man eben auch nicht wirklich gut von leben kann.
UWE SAUER:
Ich bin ein bisschen bedürftig bedürftig hier: arm , aber ansonsten schäme ich mich nicht dafür. Armut schändet schänden hier: eine Schande sein; jemandem die Ehre nehmen; so sein, dass man sich schämen muss nicht. Nein, ich schäme mich nicht mehr, ich habe mich dran gewöhnt. Die Liebe ist größer als die Armut.
Altersarmut in einem reichen Land
Ofensetzer, - (m.) — jemand, der beruflich Öfen ab- und aufbaut
Hinterhof, -höfe (m.) — ein enger Hof hinter einem meist großen Mietshaus, der von mehreren Häusern umgeben ist
Kreuzberg (m.) — der Name eines Stadtteils in Berlin (auch: der Name eines Hügels in Berlin)
etwas ab|reißen — hier: etwas entfernen; etwas absichtlich zerstören
Kachel, -n (f.) — eine flache Scheibe aus einem harten Material (gebrannter Ton), die an einen Ofen oder eine Wand geklebt wird
Lehm (m., nur Singular) — eine bestimmte Art von Erde, die kein Wasser durchlässt
ein|rühren — hier: mischen
Knochenarbeit, -en (f.) — eine besonders harte Arbeit
Kreuz, -e (n.) — hier: der untere Teil des Rückens
berechnen — hier: etwas in eine Rechnung einbeziehen; etwas berücksichtigen
Schraube, -n (f.) — ein kleiner Metallstift, der in etwas hineingedreht werden kann, um es zu befestigen
Platte, -n (f.) — hier: ein flaches, dünnes Stück aus einem harten Material
erwerbsunfähig — so, dass man nicht mehr arbeiten kann
jemanden vermitteln — hier: jemanden, der Arbeit sucht, mit jemanden in Verbindung bringen, der Arbeit anbietet
im Schnitt — im Durchschnitt; Mittelwert
Eintopf, Eintöpfe (m.) — ein Gericht, das aus mehreren Zutaten (z.B. Gemüse, Kartoffeln, Fleisch) besteht, die zusammen in einem Topf gekocht werden
Außenstelle, -n (f.) — eine weitere Vertretung einer Organisation oder Firma, die nicht die Zentrale ist
sozial benachteiligt — so, dass man es finanziell schwerer hat als andere
zur Verfügung haben — etwas haben und nutzen können; über etwas verfügen
den Lebensunterhalt bestreiten — das kaufen können, was man zum Leben braucht
von etwas betroffen sein — hier: ein bestimmtes Problem haben
Umbruch, -brüche (m.) — hier: der Wechsel von einem alten zu einem neuen System; die große Änderung
gebrochene Erwerbsbiografie — ein Leben, in dem man keine Karriere gemacht hat, sondern häufiger den Beruf gewechselt hat oder arbeitslos war
Armutszeugnis, -se (n.) — der Beweis dafür, dass etwas sehr schlecht gemacht wurde
Tafel, -n (f.) — hier: ein Ort, an dem Menschen mit wenig Geld kostenlos Lebensmittel bekommen
etwas gewähren — etwas erlauben; etwas anbieten; etwas möglich machen
Geldbeutel, - (m.) — hier übertragen für: das Geld, das einem zur Verfügung steht
Filiale, -n (f.) — ein einzelnes Geschäft, das zu einer größeren Firma mit vielen Geschäften gehört
mit wenig aus|kommen — mit wenig Geld leben können
Ausgabe, -n (f.) — hier: ein Ort, an dem etwas verteilt wird (z. B. Lebensmittel)
staatliche Leistung, -en (f.) — das Geld vom Staat, zum Beispiel für arme Menschen
durchs Raster fallen — keinen Platz in einem sozialen System finden
hungern — nicht genug zu essen haben
sich schämen — etwas (meist etwas, das man selbst tut) peinlich finden
bedürftig — hier: arm
schänden — hier: eine Schande sein; jemandem die Ehre nehmen; so sein, dass man sich schämen muss