Fixer in der Ukraine: „Ich habe mich nicht entschieden Fixer zu sein. Der Beruf hat sich für mich entschieden!“ | Europa/Zentralasien | DW | 22.03.2023
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Europa/Zentralasien

Fixer in der Ukraine: „Ich habe mich nicht entschieden Fixer zu sein. Der Beruf hat sich für mich entschieden!“

Journalistische Recherche in einem fremden Land ist oft nur mit Hilfe von Fixern möglich, die über Orts- und Sprachkenntnisse verfügen. In einem Kriegsgebiet ist das ein gefährlicher Job, der oft übersehen wird.

Ukraine | Russland-Ukraine Krieg Zerstörung in Kiew

Ein Journalist läuft nach einem russischen Angriff in Byshiv am Stadtrand von Kiew, Ukraine, durch die zerstörte Stadt

„Ich habe mich nicht entschieden Fixer zu werden“, schmunzelt Roman Sumko, „der Beruf hat sich für mich entschieden.“ Sumko ist einer von unzähligen Medienschaffenden in der Ukraine, die ohne Journalistenausbildung an der Kriegsberichterstattung beteiligt und für diese sogar unersetzlich sind.

„Ich habe vor dem Krieg 15 Jahre als Producer gearbeitet“, erzählt Sumko. Er war also vor allem für technische Abläufe von Medienproduktionen zuständig – doch die Invasion Russlands vor einem Jahr hat sein Leben, wie das der meisten Ukrainerinnen und Ukrainer, auf den Kopf gestellt.

Kriegsberichterstattung ist auf Fixer angewiesen

Mit dem Begriff „Fixer“ werden in der Medienbranche lokale Medienschaffende bezeichnet, die von ausländischen Journalistinnen und Journalisten engagiert werden, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. In der Regel sprechen sie gutes Englisch (oder eine andere Fremdsprache), sind aber keine ausgebildeten Journalisten – sie haben zum Beispiel Recherchetechniken, Berufsethik und journalistische Formate nicht gelernt. So arbeiten Fixerinnen und Fixer immer im Tandem und produzieren selten eigenen Content.

Im Krieg in der Ukraine sind oft sie es, die ausländischen Medien einen Zugang zur Berichterstattung überhaupt erst möglich machen. Ihre Sprach- und Ortskenntnis ist im unübersichtlichen Kriegsgeschehen überlebenswichtig.

Ukraine DW Akademie Training für Journalisten, Roman Sumko

Roman Sumko

„Im Informationskrieg behilflich sein“

„Um ehrlich zu sein, wusste ich gar nicht, was ein Fixer ist und vor allem wie er arbeitet“, sagt Boris Schelagurow, der ebenfalls als Fixer arbeitet. „Ich spreche gut Englisch und habe eine militärische Grundausbildung. Ich wollte meinem Land so gut es geht dienen und im Informationskrieg gegen die russische Aggression behilflich sein“, so Schelagurow.

Seine Arbeit bestehe aus Übersetzungen, Absprachen und Terminen mit Militärpersonal sowie Funktionären und Funktionärinnen von Organisationen und Stadtverwaltungen. Außerdem seien regelmäßiger Bombenalarm und warten – zum Beispiel auf Gesprächstermine oder Reisen – Alltag. „Manchmal ist die Arbeit sehr zermürbend, aber ich weiß, dass ich damit Menschen helfe“, so Boris Schelagurow.

Ukraine DW Akademie Training für Journalisten, Boris Schelagurow

Boris Schelagurow

Gefahren für Körper und Seele

Sumkos und Schelagurows Arbeit birgt viele Gefahren: Aufenthalte im Kriegsgebiet sind risikoreich und auch die psychische Belastung ist enorm.  „Die Arbeit ist mental sehr anstrengend. Das schwierigste für mich ist die Verantwortung, die ich trage. Es geht nicht nur um mein eigenes Leben, sondern auch um das der internationalen Medienschaffenden, mit denen ich in der Region unterwegs bin. Das ist eine große Last“, so Sumko.

Wie viele Menschen momentan als Fixer in der Ukraine arbeiten, könne man nur schwer sagen, so Natalia Kurdiukowa, Mitarbeitende des Kharkiv Media Hubs, eines Partners der DW Akademie. „Die Zahl der Fixer hat seit dem Beginn der aktiven Phase des russischen Angriffskriegs stark zugenommen“, so Kurdiukowa. Der Beruf biete trotz aller Risiken eine Gelegenheit in die Medienbranche einzusteigen und auch „die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit ausländischen Journalisten“ sei attraktiv.

Die DW Akademie hat erkannt, wie wichtig Fixerinnen und Fixern in der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine sind und gemeinsam mit dem Kharkiv Media Hub ein Projekt entwickelt, um gezielt sie zu unterstützen. Es soll Fixerinnen und Fixern dabei helfen, in Zukunft effektiver zu arbeiten und sich zu professionellen Medienakteuren zu entwickeln, die auch nach dem Krieg gefragt sein werden.

Professionalisierung für Sicherheit und Zukunftschancen

Kurdiukowa und ihr Team möchten weg von der Vorstellung, dass Fixerinnen und Fixer Medienschaffenden lediglich zuarbeiten und auch eigene Produktionen durch Fixerinnen und Fixer fördern. So sollen sie auch in der Lage sein, auf Anfrage selbst Geschichten von vor Ort zu produzieren. Dafür brauchen sie unter anderem ein klares Verständnis der Regeln des Journalismus und der Berufsethik, eine sichere Risikoeinschätzung sowie sowie Kenntnisse der nationalen, mentalen und historischen Eigenheiten bestimmter Gebiete.

Die Fixer-Ausbildung besteht aus insgesamt zwei Schulungsblöcken, die online und in Präsenz abgehalten werden.  Die Teilnehmenden lernen Medienkompetenz, Kriseninformationspolitik in Kriegsgebieten, Grundlagen sowie Ethik und Standards des Journalismus. Besonders wichtig seien aber auch die rechtlichen Aspekte der Arbeit eins Reporters in der Ukraine sowie Grundlagen der Produktion und Suche nach Themen und Geschichten.

Der zweite Block der Ausbildung bietet Gelegenheit zum Netzwerken und Austausch zu beruflichen Erfahrungen. „Eine der gößten Herausforderungen war, die Schulungen sicher durchzuführen, da Charkiw im aktiven Kriegsgebiet an der Front liegt. Unsere Räumlichkeiten im Kharkiv Media Hub befinden sich in einem Bunker, also haben wir dieses Problem gemeistert“, erklärt Natalia Kurdiukowa.

Geplant sei es das nächste Modul mit mehreren Teilnehmern außerhalb Charkiws abzuhalten. „Momentan denken wir darüber nach, wie wir das organisieren können. Wir haben viele praktische Übungen geplant und vor allem Erste-Hilfe und medizinische Versorgung lassen sich schlecht in einem Online-Seminar üben“, so Kurdiukowa. Bisher haben 15 Fixerinnen und Fixer das Programm absolviert; insgesamt sollen es 28 bis 30 werden.

Boris Schelagurow und Roman Sumko schauen optimistisch auf ihre Arbeit. „Die Arbeit ist sehr emotional und schaukelt oft von einem Extrem ins andere. Wenn es mir mal schlecht geht, motivieren mich die Menschen, die fest an die Ukraine und an ihren Sieg glauben, immer weiterzumachen“, so Roman Sumko. „Mir geht es nicht um Geld oder Prestige durch einen Job in den Medien. Mir ist wichtig, ehrlich wiederzugeben, wie die Realität des Krieges in der Ukraine aussieht.“

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