Der Alltag moldauischer Journalistinnen und Journalisten ist riskant: Im Nachbarstaat Ukraine wütet ein Krieg – und auch im eigenen Land werden Medienschaffende bedroht. Neben physischem Schutz brauchen sie Resilienz.
Kriegsreporterinnen und -reporter in schusssicheren Westen mit dicker Presse-Aufschrift. Im Hintergrund: Zerstörte Häuser, Geräusche von Artillerie-Beschuss. Es ist ein Klischeebild von Journalistinnen und Journalisten in Gefahr. Doch inzwischen sind die Bedrohungen für Medienschaffenden deutlich komplexer geworden. Nicht selten werden Konflikte online ausgetragen – statt Schutzwesten brauchen Journalistinnen und Journalisten digitale Fähigkeiten und psychische Resilienz.
Auch Medienschaffende in Moldau sind von vielen Konflikte gleichzeitig betroffen. Das kleine, osteuropäische Land spürt die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine ganz unmittelbar. Mehrfach haben Raketen auch Moldau erreicht, die Kämpfe im Nachbarland sorgen immer wieder für Stromausfälle. Mit Transnistrien liegt eine von Russland unterstütze Separatisten-Region auf moldauischem Territorium – und die Sozialen Netzwerke sind voll von Desinformation und Drohungen gegen unabhängige Journalistinnen und Journalisten.
Zusammen mit dem lokalen Partner API (Association of Independent Press) nimmt die DW Akademie daher verstärkt die Sicherheit von Medienschaffenden in Moldau in den Blick. Im Rahmen einer ersten Veranstaltung zum Thema konnten ausgewählte Medien an einem dreitägigen Training zur physischen Sicherheit und medizinischer Ersthilfe für Journalisten und Journalistinnen teilnehmen. Vor allem standen aber Fragen der psychischen Gesundheit und Widerstandskraft im Mittelpunkt der Veranstaltung. Hierfür reisten 15 Medienschaffende aus dem gesamten Land an, die in ihrem Arbeitsalltag mit ganz unterschiedlichen Bedrohungen konfrontiert sind.
Das Trainingsmodul zur mentalen Gesundheit von Journalistinnen und Journalisten wurde von Experte Gavin Rees geleitet. Der Brite befasst sich seit mehr als 15 Jahren mit den psychischen Folgen journalistischer Berichterstattung und ist als Senior Advisor für das DART Centre for Journalism and Trauma Europe tätig. Für ihn ist klar: Psychische Sicherheit ist für Medienschaffende mindestens genauso wichtig wie körperlicher Schutz. "Je mehr wir über psychologische Prozesse verstehen, desto widerstandsfähiger werden wir - vor allem, wenn wir Gewalt und traumatischen Situationen ausgesetzt sind. Und desto besser können wir auch unserer Arbeit als Journalistinnen und Journalisten nachgehen", so Rees. Viele Teilnehmende bestätigten, dass in Moldau massive Beleidigungen und direkte Bedrohungen im digitalen Raum stark zunehmen – und auffällig häufig richten sie sich an weibliche Medienschaffende. Laut Rees ist das auch ein Trend in anderen Regionen. Laut einer aktuellen Studie werden Journalistinnen werden dreimal häufiger Zielscheibe von Online-Bedrohungen.
Medienschaffende lernten im Training der DW Akademie, wie sie mit physischen und digitalen Bedrohungen umgehen können
Eine der wichtigsten Strategien, um den psychischen Belastungen entgegenzuwirken, die solche Angriffe mit sich bringen, ist laut Rees der Zusammenhalt innerhalb der journalistischen Community. "Resilienz ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit", erklärt der Experte. Soziale Verbindungen und kollegiale Solidarität spielten eine wesentliche Rolle. "Außerdem ist es wichtig, dass wir uns immer wieder im Klaren darüber sind, warum wir das alles machen: Weil wir für Werte einstehen. Wir wollen, dass die Öffentlichkeit die Informationen bekommt, die sie braucht, um wichtige Entscheidungen zu treffen."
Die vielen moldauischen Journalistinnen und Journalisten, die für genau diese Werte kämpfen, stehen aktuell vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen. "Wir müssen viel neues Wissen gleichzeitig anwenden", meint Viorica Tataru, Journalistin beim Sender TV8. "Die Trainings geben uns hierfür wichtige Werkzeuge an die Hand." Und der Werkzeugkasten wird bald noch voller. "In den kommenden Wochen wird bei uns das Thema digitale Sicherheit im Mittelpunkt stehen", erklärt API-Direktor Petru Macovei. Hierfür werden bereits Inhouse-Trainings organisiert, die den Schutz sensibler Daten und die Abwehr von Spionage-Angriffen beinhalten. Journalistische Sicherheit ist eben weit komplexer als die Schutzweste im Frontgebiet.