Der Einmarsch Russlands in die Ukraine vor einem Jahr hat alle Medien des Landes – lokale, regionale, nationale und internationale – verändert. Nach dem anfänglichen Schock der Invasion mussten Organisationen innerhalb und außerhalb der Ukraine schnell auf dynamische Situation vor Ort reagieren. Für die DW Akademie bedeutete dies, bestehende Projekte anzupassen und sich auf neue Prioritäten einzustellen, um Journalistinnen und Journalisten und Medienhäuser am Leben zu erhalten.
Vor und nach der Invasion
Die DW Akademie ist seit 2014 in der Ukraine tätig. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat die DW Akademie Schulungen und Finanzmittel für Medien und Medienschaffende bereitgestellt.
Im Jahr 2021 wurde das MediaFit-Programm mit Canal France International und dem litauischen öffentlich-rechtlichen Sender LRT gegründet. Neben der Unterstützung des ukrainischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks UA:PBC war es das Ziel von MediaFit, Desinformation in den überwiegend russischsprachigen Regionen im Süden und Osten der Ukraine zu bekämpfen. So wurden Medien in diesen Regionen gezielt unterstützt.
Nach der zweiten Invasion im Jahr 2022 wurde dieses Ziel beibehalten, doch der Ansatz hat sich seitdem geändert. Die alleinige Unterstützung von Medienhäusern schien nicht mehr ausreichend - und so wurde die Unterstützung auf einzelne Journalistinnen und Journalisten ausgeweitet.
„Die Journalistinnen und Journalisten mussten überleben und über die Situation berichten“, sagt Hélène Champagne, Program Director für MediaFit. „Die ganze Welt war auf sachliche regionale Informationen angewiesen.“
Die Europäische Union, ein Geldgeber von MediaFit, reagierte schnell und stellte ab März Mittel für regionale Medienschaffende bereit. Über lokale Partner wurden Soforthilfen bei Evakuierungen geleistet und gleichzeitig Redaktionsteams koordiniert, wenn Mitarbeitende an die Front gehen mussten.
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Unterstützung für Medien in der gesamten Ukraine
Mehr als vierzig regionale Medienunternehmen aus der gesamten Ukraine trafen sich in Polen zur ersten Präsenzveranstaltung seit dem Ausbruch von COVID-19 und der russischen Invasion. Dort konnten sie voneinander lernen und über die zahlreichen Herausforderungen nachdenken, mit denen sie konfrontiert sind, und gleichzeitig Fähigkeiten zur persönlichen und medialen Resilienz entwickeln.
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Vgoru (Cherson)
"Die größte Herausforderung war für uns im vergangenen Jahr, das Team am Leben und physisch und psychisch gesund zu halten. Und das ist uns gelungen. Wir haben regelmäßig Fotostrecken aus dem besetzten und später befreiten Cherson veröffentlicht und konnten unsere Fotos mit anderen ukrainischen und ausländischen Medien teilen. Die Welt hat so von der Situation in der Stadt erfahren."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Eastern Variant (Luhansk)
"Wir haben überlebt, das Team evakuiert und zwei Journalisten aus Mariupol eingestellt, die ihre Jobs verloren hatten. Wir haben Geld für den Umzug gesammelt und hatten keine Angst vor Herausforderungen. Wir fühlen uns stark genug, Erfahrungen und Wissen zu Rundfunkübertragungen aus besetzten Gebieten, digitaler Sicherheit, Erfolg in den sozialen Medien und Storytelling weiterzugeben."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Kramatorsk Post (Kramatorsk)
"Trotz aller Schrecken, die uns der Krieg gebracht hat, war 2022 überraschenderweise eines der produktivsten Jahre unserer Geschichte. Unser ukrainisches Publikum ist aufgrund der häufigen Stromausfälle stark zurückgegangen, aber wir wachsen auf Social Media. Ein wichtiges Projekt, das wir derzeit entwickeln, ist eine Informationsdrehscheibe für Menschen in Kramatorsk, einer Stadt an der Front."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Chas Chernihivskyi (Tschernihiw)
"Trotz der Schwierigkeiten sind wir das einzige private Medienunternehmen in der Region, das die katastrophale Situation nicht nur überlebt hat, sondern daran wachsen konnte. Im Laufe des Jahres ist unsere Zuschauerzahl von bis zu 3.000 auf bis zu 40.000 pro Tag gestiegen. Wir sind das einzige Online-Medium in der Region, das täglich 2-3 hochwertige Videobeiträge und Sendungen produzieren kann."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Bilyaivka (Biljaiwka, Region Odessa)
"Wir haben unser Publikum deutlich vergrößert und unser Profil geschärft: Wir liefern Hintergründe und Erklärungen, konstruktiven Journalismus, Geschichten von menschlichem Interesse, Spielformate, historische Texte und Veranstaltungen. Wir haben dieses schreckliche Jahr überlebt, unser Medienhaus gerettet und Einnahmequellen erhalten. Danke für die Unterstützung durch MediaFit!"
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Intent.Press (Odessa)
"Seit der Invasion haben wir Branding und redaktionelle Linie unseres Unternehmens modernisiert und eine neue Kommunikationsstrategie entwickelt. Sie hilft uns, unsere Zielgruppen zu erreichen, die sich nun nicht nur in Odessa, sondern auch in den Regionen Mykolajiw und Cherson befindet. 2022 wurde unsere Website von über einer Million Nutzenden besucht, und wir konnten das gesamte Team halten."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Cucr (Sumy)
"Wir waren gezwungen, uns von einem langsamen Medium in eine gut funktionierende Nachrichtenredaktion zu verwandeln, die in Kriegszeiten Informationen schnell bereitstellt. Wir haben begonnen, regelmäßig Podcasts zu produzieren und einen monothematischen Podcast gestartet. Außerdem bereiten wir ein gedrucktes Magazin vor. Eine Sonderausgabe über das Militär soll im Januar erscheinen."
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Vchasno (Donezk)
"2022 ist es uns gelungen, einen Teil der Redaktion zu evakuieren, unser Team zu retten und Arbeitsplätze zu erhalten. Unsere Website ist dank dieser Maßnahmen nicht einen Tag ausgefallen. Unser Publikum hat sich drastisch erhöht und wir haben einen neuen Telegram-Kanal eingeführt. Dank MediaFit konnten wir eine neue Website entwickeln, da die alte anfällig war für russische DDOS-Angriffe."
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Realnaya Gazeta (Luhansk)
"Dank MediaFit konnten wir einen Nachhaltigkeitsplan für unsere News-Redaktion entwickeln und ihn einhalten. Unsere Zuschauerzahl auf YouTube hat sich dank neuer Formate – Erklärungen und Zusammenfassungen – innerhalb eines Jahres vervierfacht. Wir haben unsere Website überarbeitet und um eine Ukrainische Version ergänzt, um mehr Menschen in Kiew, Dnipro, Lwiw und Saporischschja zu erreichen."
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Primorka.City (Berdjansk)
"2022 hatte unsere Redaktion zwei Ziele: überleben und volle Unabhängigkeit erlangen (wir waren Teil eines anderen Projekts). Wir sind damit auf einem guten Weg und haben "Free News" gegründet, eine Organisation, die Massenmedien und den Schutz der Rechte von Journalisten vereint. Trotz des Verbots unserer Medien im russisch besetzten Berdjansk ist es uns gelungen, unser Publikum zu halten."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Lyuk Media (Charkiv)
"Wir sind stark darin, menschliche Geschichten zu erzählen. Das hat uns zwei Sonderaufträge von internationalen Organisationen eingebracht. Außerdem entwickeln wir eine Serie von acht Produkten über die kulturelle Kolonisierung und die Benennung von Städten, Straßen und Gebäuden. Und wir haben unsere Strategien entwickelt, einschließlich der inhaltlichen Ausrichtung."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Pershyi Kryvorizkyi (Krywyj Rih)
"Mithilfe von MediaFit haben wir eine Strategie entwickelt und unsere Stärken und - noch wichtiger - Schwächen analysiert. Wir konnten die ukrainische Version unserer Website einführen und unsere News-Redaktion kann nun auch bei Stromausfällen arbeiten. Wir haben das Team mit Schutzkleidung ausgestattet, um in zurückeroberte Gebiete reisen und die Geschichten der Menschen erzählen zu können."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Mykolaiv Centre for Investigative Journalism (Mykolajiw)
"Es war ein sehr schwieriges Jahr und positive Erinnerungen sind rar. Im Jahr 2022 war zu überleben unser einziges Ziel. Mykolajiw ist eine der am stärksten betroffenen Großstädte in der Ukraine. Positiv war, dass wir mehr Unterstützung von Geberorganisationen erhalten haben. Außerdem konnten wir auf Social Media wachsen und erfolgreich einen TikTok-Kanal launchen, um junge Menschen zu erreichen."
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Ein Jahr nach Beginn der Invasion: Medien in der Ukraine lebensfähig halten
Nakipelo (Charkiv)
"Im Oktober 2022 haben wir unser Online-Radio und die Website neu aufgesetzt und erreichen monatlich etwa 2600 Hörerinnen und Hörer. Im Dezember kam ein eigener UKW-Radiosender dazu. Außerdem haben wir ein Pressezentrum eröffnet und ein Team zusammengestellt. Als nächstes bauen wir ein neues Bildungszentrum auf und bereiten neue Projekte zur Unterstützung anderer Journalisten aus der Region vor."
Autorin/Autor: Yulia Alekseeva
Das MediaFit-Projekt ist seit der Invasion gewachsen: 42 Organisationen erhalten nun Zuschüsse, Beratung und Schulungen. Darüber hinaus ermutigt die DW Akademie nun russischsprachige Sender im Süden und Osten, sowohl auf Ukrainisch als auch auf Russisch zu berichten und so die dringend benötigten Informationen über diese Regionen für das ganze Land bereitzustellen.
„Wir unterstützen ukrainische Medien für alle Ukrainerinnen und Ukrainer“, sagt Project Officer Yulia Alekseeva.
Die Medien lebensfähig halten
Der Versuch, die Kluft zwischen den Sprachen zu überbrücken, funktioniert jedoch nur, wenn die Medienhäuser weiterarbeiten. In den von Russland besetzten Gebieten mussten mehr als 100 regionale Medien ihre Arbeit einstellen. Nach Angaben des Committee to Protect Journalists wurden mindestens 12 Journalistinnen und Journalisten getötet.
Abgesehen von den physischen Gefahren fehlt es fast 75 Prozent der ukrainischen Medien im ganzen Land an ausreichenden Finanzmitteln, während ein Viertel der lokalen Journalistinnen und Journalisten ohne Gehalt arbeitet, berichtet der Nationale Journalistenverband der Ukraine. Und je länger der Krieg andauert, desto größer werden die Probleme.
„Es gibt bisher zwei Phasen des Krieges“, erklärt Kyryl Savin, Program Director der DW Akademie für die Ukraine. „Von März bis August und von September bis heute wird die Energieinfrastruktur angegriffen und die Internetversorgung ist unzuverlässig geworden.“
Als Reaktion darauf hat die DW Akademie die Redaktionen mit Powerbanks unterstützt, die eine Akkulaufzeit von bis zu zehn Stunden bieten, sowie mit Starlink-Verbindungen zur Unterstützung der Internetverbindung. Die Redaktionen können nun ihre Arbeit fortsetzen, und die DW Akademie kann weiterhin Online-Schulungen und psychologische Beratungen durchführen und Hochschulen unterstützen.
Die Herausforderungen der Zukunft
Dennoch bleibt die Frage, wie die Medienlandschaft nach Ende des Krieges aussehen wird.
Da das Land mit der Aufrechterhaltung seiner Infrastruktur zu kämpfen hat, sind es Messenger-Dienste wie Telegram und Viber, die den Zugang zu Informationen mit sehr wenig Bandbreite ermöglichen. Einige dieser Kanäle haben Millionen von Mitgliedern und können in völliger Anonymität funktionieren – mit allen Vor- und Nachteilen. Auch Partner der DW Akademie sind auf diesen Plattformen erfolgreich. Laut Savin sind jedoch die beliebtesten Messenger-App-Kanäle oft auch diejenigen, in denen Desinformation und schlechte journalistische Praktiken grassieren.
Während diese Messenger-Dienste einerseits den Zugang zu Informationen erweitert haben, war der Krieg andererseits auch in der Ukraine Katalysator für neue staatliche Beschränkungen. Im Interesse der nationalen Sicherheit wurden weitreichende Gesetze erlassen, die Medien zur Veröffentlichung von Regierungsinhalten zwingen. Sorgen um die Medienlandschaft nach dem Krieg bleiben jedoch im Hintergrund, solange der Fokus auf der sich ständig verändernden Front liegt.
Die DW Akademie und ihre Partner engagieren sich für die lokalen und regionalen Medien, damit sie die Ukrainerinnen und Ukrainer in diesen und den kommenden schwierigen Zeiten mit sachlichen und hochwertigen Informationen versorgen können.