An vorderster Front für die Zivilgesellschaft: das Human Rights Center in Georgien, ein neuer Partner der DW Akademie | Europa/Zentralasien | DW | 20.04.2023
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Europa/Zentralasien

An vorderster Front für die Zivilgesellschaft: das Human Rights Center in Georgien, ein neuer Partner der DW Akademie

Eine neue Partnerschaft zwischen dem Human Rights Center in Georgien und der DW Akademie konzentriert sich auf die Widerstandsfähigkeit der Presse sowie auf die rechtliche, physische und digitale Sicherheit.

Als im März in ganz Georgien gewalttätige Demonstrationen gegen das von der Regierung geplante Gesetz gegen international finanzierte Medien ausbrachen, solidarisierte sich Dato Koridze mit anderen Demonstrierenden. Als georgischer Staatsbürger und Multimedia-Reporter wäre er von dem geplanten Gesetz eigentlich nicht direkt betroffen. Aber er arbeitet als Journalist bei Radio Free Europe/Radio Liberty, einem von den USA finanzierten Medienunternehmen –  sein Lebensunterhalt und seine Freizügigkeit standen also auf dem Spiel.

"Das Unternehmen, für das ich arbeite, ist komplett von amerikanischen Geldern abhängig, so dass ich natürlich als ausländischer Agent, als Spion, betrachtet werden würde", erklärte er.

Porträt von Dato Koridze

Dato Koridze, ein Medienreporter in Georgien, wurde bei Protesten für LGBTQ-Rechte und gegen Regierungsbeschränkungen für die Presse schikaniert

Dies war nicht sein erster Protest gegen die Bedrohung von Bürgerrechten. Am 5. Juli 2021 demonstrierte er für die Menschenrechte der LGBTQ-Community. Einige gegnerische Demonstrierende warfen ihn dabei zu Boden und schlugen ihn, sagte er. Ein anderer Reporter wurde getötet. Es wurde niemand für die Angriffe zur Rechenschaft gezogen.

Bei den Demonstrationen im März ging es um einen Gesetzesvorschlag des georgischen Parlaments: Das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ würde Nichtregierungsorganisationen wie Radio Liberty verpflichten, sich als ausländische Agenten zu registrieren wenn mehr als 20 % ihrer Gesamteinnahmen aus dem Ausland stammen. Die gewalttätigen Proteste veranlassten das georgische Parlament, den Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis zu legen. Rechtsbeobachterinnen und -beobachter glauben jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Gesetz erneut zur Abstimmung kommt.

Diffamierung, Verleumdungskampagnen, Einschüchterung

Für die Mitarbeitenden des Human Rights Center (HRC) in Tiflis ist die schwierige Position von Journalistinnen und Journalisten wie Koridze nicht neu. Das 1996 gegründete Zentrum bietet seit 2003 allen Georgierinnen und Georgiern, die ihre Menschenrechte verletzt sehen, kostenlosen Rechtsbeistand. Koridze selbst suchte nach den LGBTQ-Protesten im Jahr 2021 Unterstützung bei HRC.

Die Verletzungen in Georgien beziehen sich zunehmend auf das, was HRC-Direktor Aleko Tskitishvili als „Diffamierungs- und Verleumdungskampagnen, Einschüchterung durch die regierende Regierungspartei (...) und radikale, extremistische Gruppen und von Russland unterstützte rechtsextreme Gruppen“ bezeichnet. Er fügt hinzu, dass die Gewalt „immer realistischer“ werde.

Porträt von Aleko Tskitishvili

Aleko Tskitishvili, Leiter des Human Rights Center in Georgien, befürchtet zunehmende Gewalt gegen Journalisten im Land. Das Human Rights Center ist ein neuer Partner der DW Akademie.

Die DW Akademie und HRC haben jüngst als Partner das gemeinsame Projekt „Quality media and conscious media consumption for resilient society – ConMeCo“ gestartet. Es zielt darauf ab, unabhängige Medien in Georgien zu stärken und ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit zu verbessern. Das Projekt wird von der Europäischen Union finanziert und konzentriert sich auf die Förderung von Qualitätsmedien als Stütze für junge Demokratien.

„Unsere Partnerschaft konzentriert sich zum einen auf die finanzielle Transparenz von Medienunternehmen, zum anderen auf die Stärkung der Widerstandsfähigkeit unabhängiger Medien und auf die Unterstützung von Journalistinnen und Journalisten in Georgien bei der Bewältigung von Krisen“, sagte Tamar Kakulia, Project Officer der DW Akademie in Georgien. Ein ähnliches Projekt mit dem Partner Media Development Foundation sei darauf ausgelegt, die Medien- und Informationskompetenz und Kreativität in Georgien zu fördern.

Laut Tskitishvili haben die Proteste im März nur die Notwendigkeit unterstrichen, das Engagement von HRC für die Meinungsfreiheit auszuweiten.

Georgien I Proteste

Georgierinnen und Georgier sind in den vergangenen Jahren aus Frustration über repressive Gesetze und Pressebeschränkungen auf die Straße gegangen

HRC und die Meinungsfreiheit

Die georgischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, so Tskitishvili, würden von der Regierung finanziert und seien daher den Wünschen der Staatsführung unterworfen. Eine unabhängige Berichterstattung sei jedoch entscheidend für die Förderung der Demokratie in Georgien – insbesondere in einer Region, die besonders anfällig für russische Propaganda und Desinformationskampagnen sei. Tatsächlich bezeichnen Tskitischvili, Koridze und andere Georgierinnen und Georgier das Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme schlicht als „das russische Gesetz“.

Nino Tlashadze, die stellvertretende Geschäftsführerin von HRC, freut sich über die Zusammenarbeit mit der DW Akademie. „Es wächst das Risiko, dass sich unabhängige Medienschaffende einschüchtern lassen“, sagte sie, „daher ist es sehr wichtig, dass dieses Projekt die Rechte von Journalistinnen und Journalisten vertritt und dass die DW Akademie Medienschaffende bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Krisenresilienz unterstützt.“

HRC bietet Unterstützung für Dissidentinnen und Dissidenten und alle, deren Bürgerrechte gefährdet sind. In seinem Rechtshilfebüro in Tiflis sind drei Anwälte beschäftigt, in zwei Regionalbüros jeweils zwei weitere. HRC koordiniert außerdem ein Netzwerk von Menschenrechtsanwältinnen und -anwälten im ganzen Land.

Solidarität mit den Medienschaffenden

Im Januar veröffentlichte die DW Akademie unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein Diskussionspapier  mit dem Titel „Georgien: Medienfreiheit im Niedergang“. Der Bericht stellt fest, dass Georgien zwar zu den ersten Republiken gehörte, die sich von der ehemaligen Sowjetunion lösten, demokratische Reformen einleiteten und die Korruption eindämmten, dass diese Errungenschaften seitdem jedoch ins Stocken geraten seien. Angesichts von Hassrede, physischer Gewalt und staatlicher Repressionen gegen Medien stufte der World Press Freedom Index von Reporter ohne Grenzen (RSF) Georgien im Jahr 2021 auf Platz 89 von 180 Ländern ein. „Journalistinnen und Journalisten“, so der Bericht, „sind fast ständig Angriffen ausgesetzt.“

Aus diesem Grund haben er und seine Kolleginnen und Kollegen auch an den Protesten im März teilgenommen, erzählt Tskitishvili. Die Anwältinnen und Anwälte von HRC arbeiten mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Inhaftierten kostenlose Rechtshilfe anbieten, zusammen.

"Die Verfahren für diese Inhaftierten laufen", sagt er. Wenn nötig, verträten seine Kolleginnen und Kollegen sie sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - wenn, so Tskitishvili weiter, „Gerechtigkeit nicht auf nationaler Ebene Einzug erhält.“

 

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