Informationskrieg macht an den Grenzen nicht halt
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nimmt auch der politische Druck auf Medien in Georgien stetig zu: Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Georgien gegenüber dem Vorjahr um 29 Plätze auf Rang 89 von 180 abgerutscht. Viele große Medienhäuser sind im Besitz von Privatpersonen, die eine politische Agenda in der Berichterstattung vorgeben. Der zunehmenden Desinformation und Propaganda steht eine wachsende Zahl kleiner, regionaler Medien gegenüber, die mit digitalen Angeboten kritisch und unabhängig berichten.
Im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten aus Georgien und dem russischen Exil, sowie Vertreterinnen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationensicherte Svenja Schulze, Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, weitere Unterstützung im Kampf gegen Propaganda und Desinformation zu.
„Desinformations-Attacken, wie aus Russland, zielen darauf ab, unsere Gesellschaften zu schwächen. Das gilt in Georgien wie in vielen anderen Demokratien auch. Das wirkungsvollste Gegenmittel sind gut informierte Menschen. Wo Medien frei berichten können und die Menschen die Fakten kennen, haben Kriegstreiber keine Chance“, sagte Schulze. „Solide Fakten und Medienfreiheit sind ein Schlüssel für gute Entwicklung in vielen Bereichen. Deswegen arbeiten wir mit unseren Partnern in Osteuropa und im Südkaukasus gezielt an der Stärkung lokaler Medien und an der Medienkompetenz der Bevölkerung.“
Moderiert wurde der Runde Tisch von Carsten von Nahmen, Managing Director der DW Akademie.
„Der Informationskrieg macht an den Grenzen nicht halt. Wir setzen uns daher vor Ort für die Professionalisierung und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Medien ein. Starke Medien stärken auch die Gesellschaft“, sagte von Nahmen „Die Menschen in der Ukraine, aber auch in Georgien, Armenien und der Republik Moldau, verdienen einen unabhängigen Journalismus, der ihnen ermöglicht, freie Entscheidungen zu treffen.“
Neben Journalistinnen und Journalisten aus Georgien und dem russischen Exil nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen an der Veranstaltung teil, darunter Sandro Gigauri von der georgischen Media Development Foundation. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der DW Akademie bietet die Organisation seit 2014 Schulungen im Faktencheck an und betreibt eine Online-Plattform gegen Desinformation. Als eine von zwei Organisationen in Georgien ist sie offizieller Faktencheck-Partner von Facebook: Sie recherchiert und kennzeichnet Falschmeldungen und bietet verlässliche Informationen.
„Wir haben in Georgien große innen- wie auch außenpolitischen Herausforderungen. Die Sicherheit von Medienschaffenden ist zu einem Problem geworden“, erklärte Gigauri. „Aber wir können uns auf eine lebendige Zivilgesellschaft stützen und damit einen Rückfall unseres Landes in seine autoritäre Vergangenheit verhindern. Die Menschen in Georgien kämpfen für ihre bürgerlichen Freiheiten und sind in der Lage, die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft gegenüber Desinformation zu stärken.“
Gemeinsames Engagement der DW Akademie und des Bundesentwicklungsministeriums
Desinformation wirkt vor allem dort destabilisierend, wo gesellschaftliche Teilhabe erschwert ist. In Georgien sprechen Angehörige von Minderheiten teils Russisch, aber kaum oder nur wenig Georgisch. Sie haben damit keinen Zugang zu Medienangeboten in georgischer Sprache – und sind der Propaganda in russischen Staatsmedien ausgesetzt. Die DW Akademie unterstützt deshalb seit 2020 lokale Medien auch dabei, Inhalte für ethnische, sprachliche und religiöse Minderheiten zu produzieren. Davon profitiert vor allem die Bevölkerung in ländlichen Regionen. Im Rahmen des Projektes wird außerdem Jugendlichen und jungen Erwachsenen vermittelt, wie sie Informationen selbst überprüfen können.
Das gemeinsame Engagement des BMZ und der DW Akademie im Rahmen der „Initiative Transparenz und Medienfreiheit” umfasst journalistische Weiterbildungen, Krisenkommunikation, Medienkompetenz-Trainings, Faktenchecks und weitere Projekte, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Medien zu stärken.
Teilnehmende des Runden Tischs waren des Weiteren Giorgi Gvimradze, Nachrichtenchef des georgischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Mamuka Andguladze von Transparency International in Georgien, Otar Kobakhidze, Chefredakteur des Online-Portals „civil.ge“ und Vertreter von Reporter ohne Grenzen in Georgien, Sopio Megrelidze, Korrespondentin von Associated Press und Mitglied des Rats der georgischen Charta für journalistische Ethik sowie Exiljournalistin Ekaterina Kotrikadze von Dozhd TV, der letzte unabhängige TV-Kanal in Russland, der im März 2022 von den russischen Behörden geschlossen wurde.