Zwei vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Filme sind auf der Berlinale 2022 zu sehen. Im Interview erklärt Friederike Kärcher, Referatsleiterin im BMZ, die Initiative.
Frau Kärcher, seit 2018 fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zusammen mit der DW Akademie das Filmprojekt „Generation Africa“ der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation STEPS. Warum? Was haben Filme mit Entwicklung zu tun?
Friederike Kärcher, Referatsleiterin im BMZ: „Filme sind nicht nur ein Motor für die gesellschaftliche Entwicklung, sondern auch für wirtschaftliches Wachstum.“
Friederike Kärcher: Filme berühren, geben Einblicke und verändern Sichtweisen. Damit sind sie nicht nur ein Mittel des kreativen Ausdrucks, sie unterstützen auch den sozialen Wandel und ermöglichen gesellschaftliche und politische Teilhabe. Filme tragen bei zu Meinungsbildung und Medienvielfalt, auch in Ländern mit eingeschränkter Meinungsfreiheit. Mit der Unterstützung von Filmschaffenden in Afrika ist es möglich, auch Menschen eine Stimme zu geben, die sonst nicht gehört werden. So können Filmemacherinnen und Filmemacher sich und anderen ein Forum bieten, ihre Geschichten filmisch zu erzählen und für Themen zu sensibilisieren. Filme sind aber nicht nur ein Motor für die gesellschaftliche Entwicklung, sondern auch für wirtschaftliches Wachstum.
Inwiefern?
Gerade Afrikas Filmmärkte sind im Aufschwung: Laut einer im Herbst 2021 von der UNESCO veröffentlichten Studie werden allein in Nigeria jedes Jahr rund 2.500 Filme mit einem Umsatz von einer Milliarde US-Dollar produziert. So ist „Nollywood“ in Nigeria nach „Bollywood“ in Indien der zweitgrößte Filmproduktionsstandort weltweit. Ein Feature Film kann bis zu 500 Arbeitsplätze für mindestens fünf Jahre schaffen. Filme aus afrikanischen Ländern gewinnen durch Streaming-Dienste wie Netflix an internationaler Aufmerksamkeit. Sie bestechen durch innovative Erzähl- sowie auch Sende-Formate wie Web-TV und mobiles Kino per Handy. Die Nachfrage nach eigenen Inhalten ist auch innerhalb Afrikas enorm.
Gleichwohl wird das wirtschaftliche Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Schätzungen zufolge erwirtschaftet der gesamte Film- und audiovisuelle Sektor Afrikas jährlich gerade einmal fünf Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: weltweit erfolgreiche US-Produktionen, wie beispielsweise „Avengers: Endgame“, spielten allein rund 2,8 Milliarden US-Dollar ein. Deshalb unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit afrikanische Filmschaffende durch praktische Aus- und Weiterbildung, zu Wachstum und Entwicklung ihrer Industrie beizutragen – und sie auch zu gestalten.
Der „Generation Africa“-Film „No U-Turn“ von Ike Nnabue wurde mit einer Special Mention in der Kategorie Dokumentarfilm bei der Berlinale ausgezeichnet.
Die beiden Berlinale-Beiträge „No U-Turn“ und „No Simple Way Home“ wie auch alle anderen „Generation Africa“-Filme befassen sich mit dem Thema Flucht und Migration. Was ist der Hintergrund?
Flucht und Migration gehören zu den drängendsten Problemen weltweit. Anders als viele Menschen glauben, ist von dessen Auswirkungen nicht vor allem der Globale Norden betroffen - allein Subsahara-Afrika beherbergt mehr als 25 Prozent aller Flüchtlinge weltweit. Im öffentlichen Diskurs in Deutschland oder auch international spielt die afrikanische Perspektive bei dem Thema aber bisher kaum eine Rolle. Das wollen wir ändern.
Das Projekt „Generation Africa“ stellt die Geschichten afrikanischer Protagonistinnen und Protagonisten in den Mittelpunkt. Seit 2018 sind 25 Dokumentarfilme von Filmemacherinnen und Filmemacher aus 16 afrikanischen Ländern entstanden, die inzwischen auch international Erfolge feiern. Das schafft eine breite Öffentlichkeit für lokale Geschichten, die von globaler Relevanz sind.
„Generation Africa“ auf der Berlinale: Der Film „No Simple Way Home“ von Akuol de Mabior feierte bei den Internationalen Filmfestspielen Weltpremiere.
Apropos Erfolge: was konnten Sie bisher mit der Filmförderung erreichen?
„Generation Africa“ ist Teil der Initiative „Zukunft.Markt.Film“, in deren Rahmen das BMZ in den letzten fünf Jahren Ausbildung, Zugang zu Finanzierung, Ausbau von Vertriebsstrukturen, Filmstandorten und Urheberrechtsschutz gefördert hat. Allein mit der DW Akademie haben wir in dieser Zeit insgesamt über 250 filmische Produkte von Kreativen aus dem Globalen Süden unterstützt. Ein Schwerpunkt dabei liegt auf der Qualifizierung und Professionalisierung von inzwischen rund 1.000 Filmschaffenden. Es geht aber auch um internationale Sichtbarkeit und Marktteilnahme: Die geförderten Beiträge erhielten bereits über zwölf Auszeichnungen auf nationalen und internationalen Filmfestivals. Der „Generation Africa“-Film „The Last Shelter“ wurde zudem für die kommenden Oscar eingereicht, was ein vielversprechendes Zeichen war, auch wenn es am Ende nicht zu einer Nominierung kam.
Wir unterstützen innovative Ansätze in der Filmproduktion, beispielsweise durch den Aufbau von Institutionen wie die pan-afrikanische Ladima Film Academy, eine Filmschule nur für Frauen, oder die Digital Film School, eine Lernplattform für junge afrikanische Filmschaffende.
Wie wählen Sie die Filmprojekte aus, die Sie unterstützen?
Die „Generation Africa“-Filme wurden beispielsweise von unserer südafrikanischen Partnerorganisation STEPS gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Filmbranche aber auch von internationalen Flüchtlingsorganisationen in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt. Ziel war, neue Narrative über Flucht und Migration über international wettbewerbsfähige Filme zu fördern – Geschichten, die überraschen, berühren und bewegen und Tatkraft und Chancen in den Mittelpunkt rücken. Beteiligen konnten sich afrikanische Filmschaffende, die bereits einen oder mehrere Dokumentarfilme gedreht und diese auf Filmfestivals oder anderen öffentlichen Plattformen präsentiert haben.
Expertise weitergeben und teilen: Don Edkins, Executive Producer von STEPS, Partnerorganisation der DW Akademie und des BMZ, mit dem nigerianischen Regisseur Ike Nnabue auf der Berlinale.
Wie sieht die Unterstützung der Filmschaffenden im Projekt „Generation Africa“ konkret aus?
Bei „Generation Africa“ erhalten die beteiligten Filmemacherinnen und Filmemacher über unsere Partnerorganisation STEPS vor allem Trainings und Beratung sowie finanzielle Unterstützung für die Produktion ihrer Filme. Das Projekt unterstützt sie auch dabei, ihre Werke auf Filmfestivals zu präsentieren. Insgesamt hat das BMZ in den letzten fünf Jahren rund 2,3 Millionen Euro für „Generation Africa“ zur Verfügung gestellt.
Wie geht es mit „Generation Africa“ weiter? Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Wir werden unser Engagement für die Filmwirtschaft im Globalen Süden fortsetzen. Neben weiteren Vorführungen auf nationalen und internationalen Filmfestivals, werden die „Generation Africa“-Filme im Frühsommer vom deutsch-französischen Fernsehsender Arte ausgestrahlt. Darüber freuen wir uns ganz besonders, denn das ist ein großer Meilenstein, damit noch mehr Menschen diese beeindruckenden Filme sehen können. Wir haben außerdem gerade die Ausschreibung für die nächste Runde unseres Film Development Funds abgeschlossen. So werden Filmemacherinnen und Filmemacher aus Tansania und Uganda ein Jahr lang finanzielle Unterstützung sowie Ausbildungsangebote und Mentoring erhalten. Auch das Thema Urheberrecht und faire Arbeitsbedingungen werden wir weiter vorantreiben. Denn Kreativität ist eine Ressource, die es ganz besonders zu schützen gilt!