"Das Talent ist da" – Frauen und Film in Afrika  | Afrika | DW | 04.03.2021
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Afrika

"Das Talent ist da" – Frauen und Film in Afrika 

Interview mit Lara Utian-Preston, CEO der Ladima Foundation, über die Macht der Bilder und Filmemacherinnen in Afrika. Licht! Kamera! Und Action!

Weibliche Perspektiven auf die große Leinwand bringen: Dafür brennt Lara Utian-Preston (links), Marketing-Expertin aus Südafrika. Vor einigen Jahren arbeitete sie für das Zanzibar International Film Festival (ZIFF) – eines der größten Kulturevents in Ostafrika. Sie stellte fest, dass afrikanische Filmemacherinnen dort kaum vertreten waren. Gemeinsam mit der Politikberaterin Edima Otuokon (rechts) aus Nigeria wollte sie das ändern: 2017 gründeten die beiden die Ladima Foundation, eine pan-afrikanische Non-Profit-Organisation, die sich für die Belange afrikanischer Frauen im Filmgeschäft einsetzt.

Wir sprachen mit Lara Utian-Preston, CEO und Co-Founder Ladima Foundation. 

 

Mit der Ladima Foundation wollen Sie die große Geschlechterungleichheit in der afrikanischen Filmindustrie korrigieren. Wie sieht die Situation für Frauen gegenwärtig aus? 

Schlüsselrollen wie Regie oder Drehbuchschreiben, viele der technischen Aufgaben wie Schnitt und Kamera sind männlich dominiert. Daraus ergeben sich zwei Probleme. Die Filmbranche wächst schnell, sie schafft Arbeitsplätze und damit Chancen. Frauen sind aber von vielen dieser Möglichkeiten ausgeschlossen.  

Das zweite Problem ist die Art der Darstellung von Frauen auf der Leinwand. Nehmen wir die Nollywood-Filme. Die nigerianische Filmindustrie ist die zweitgrößte weltweit, was den Output angeht. Die weiblichen Rollen in dieser Flut an Filmen sind sehr stereotyp: sie sind die Betrogenen, starke Frauen sind oft die Bösen. Im afrikanischen Kontext führt der Mangel an Frauen hinter der Kamera zu einer Menge sexistischer Inhalte. Das festigt das Patriarchat. Erzählen afrikanische Frauen ihre eigenen Geschichten, ist das eine ganz andere Perspektive. 

Still Film 2020

Filmszene aus "2020", einer von rund 200 Beiträgen des Kurzfilmwettbewerbs "African Women in the Time of COVID-19" von DW Akademie und der Ladima Foundation.

Kann der Film die Stellung der Frau in traditionellen afrikanischen Gesellschaften verändern?  

Bilder sind alles. Videoinhalte werden überall und jederzeit konsumiert, ob auf YouTube oder Netflix. Wer diese Inhalte erstellt, ist wichtig: Es geht um Herkunft, Geschlecht, Diversität. Wenn Sie nur eine homogene Gruppe haben, die Geschichten erzählt, bekommen Sie auch nur eine Version. Visuelle Inhalte sind die mächtigste Form des gesellschaftlichen Einflusses. Damit meine ich nicht nur Filme, sondern auch Fernseh- oder Webserien. Es ist für afrikanische Frauen grundlegend wichtig, dort in ihrer Vielfalt gesehen zu werden.  

Still Film Love Zawadi Wambui Gathee

Filmszene aus "Love Zawadi" von Wambui Gathee, Gewinnerbeitrag "African Women in the Time of COVID-19".

Hat das nur im afrikanischen Kontext oder auch global eine große Bedeutung?  

Im vergangenen Juli veranstalteten wir gemeinsam mit der DW Akademie den Kurzfilmwettbewerb "African Women in the Time of COVID-19". Etwa 200 afrikanische Filmemacherinnen nahmen teil. Es gab eine unglaubliche Vielfalt an Geschichten, und doch verbinden sie uns alle. Auch jemand in Berlin kann sie nachempfinden: die Isolation, die Last der familiären Verantwortung, die gerade in Krisenzeiten auf den Frauen liegt. Aber auch die Hoffnung und Widerstandskraft der Frauen. Das sind universelle Erfahrungen. Für eine globale Frauenbewegung ist das von großer Bedeutung. In Afrika leben über eine Milliarde Menschen, die Hälfte davon sind Frauen. Sie müssen in die Lage versetzt werden, für sich selbst zu sprechen. Diese Stimmen müssen gehört werden: in Afrika und in der Welt. 

Still Film Remedy Jessie Chisi

Filmszene aus "Remedy" von Jessie Chisi, Wettbewerbsbeitrag "African Women in the Time of COVID-19".

Was ist nötig, um Frauen im afrikanischen Filmgeschäft zu stärken?   

Wenn wir Geschlechterparität und andere Genderfragen mitdenken, können wir etwas bewirken. Das gilt für Filmfestivals, staatliche Filmboards, Produktionshäuser oder internationale Geberorganisationen. Es beginnt mit der Zusammensetzung der Jurys und wie Ausschreibungen formuliert werden, geht über Kategorien und Auswahlprozesse, bis hin zu der Frage, ob es funktionierende Mechanismen gegen sexuelle Belästigung gibt. All das beeinflusst, ob Frauen in der Branche Erfolg haben. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen. Und das ist ein Prozess, in den die Gate-Keeper einbezogen werden müssen. Wer bekommt Fördermittel, welche Filme werden finanziert, wer wird eingestellt? Die Mehrheit der Entscheider sind immer noch Männer. Ein Wandel ohne sie wird nicht möglich sein – und nicht von selbst passieren.   

Still Film Worlds Apart Yehoda Hammond

Filmszene aus "Worlds Apart" von Yehoda Hammond, Gewinnerbeitrag "African Women in the Time of COVID-19".

Manche sehen die Gefahr, dass Frauen als Quotenfrauen abgetan werden. Gibt es genügend qualifizierte Frauen?  

Mit der Ladima Film Academy, die die DW Akademie unterstützt, engagieren wir uns in der Aus- und Weiterbildung von Frauen. Das Ziel ist natürlich, dass mehr Frauen einen Einstieg in die Branche finden. Wir haben auch ein Online-Netzwerk: die A-List. Oft höre ich, "wir konnten keine Cutterin finden". In der Datenbank haben wir über 2000 Frauen, in 20 verschiedenen Disziplinen und aus 40 Ländern. Das Talent ist da - und man kann es finden. 

Still Film I'll call you later Aurelie Stratton

Filmszene aus "I'll call you later" von Aurelie Stratton, Gewinnerbeitrag "African Women in the Time of COVID-19".

Sie haben Netflix erwähnt. Der globale Streaming-Riese investiert in Produktionen vom afrikanischen Kontinent. Hilft das, die Frauenförderung in der Branche voranzutreiben? 

Netflix stellt mit den African Originals afrikanische Produktionen ins Rampenlicht und arbeitet mit lokalen Kreativen. Viele Geschichten haben starke weibliche Protagonistinnen. Die meisten afrikanischen Filme werden aber nie auf Netflix landen. Die afrikanische Filmindustrie muss wie ein Ökosystem funktionieren: vom Kontinent für den Kontinent. Wir müssen nachhaltige Mechanismen finden, die viele Verbreitungsmodelle nutzen: Von der digitalen Übertragung durch mobile Netzwerke und Streaming-Plattformen, bis hin zur TV-Ausstrahlung. Ein Großteil der Bevölkerung hat kein Geld, um für Filme zu bezahlen. Wir haben aber mehrere Millionen potenzielle Zuschauer, auch mit kleineren Beiträgen ließe sich langfristig arbeiten. Die Regierungen haben nicht viel Geld, um Filme zu finanzieren. Nicht nur Filme, sondern jede Art von Kunst, wird als Luxus und nicht als Notwendigkeit angesehen. Das ist eine ständige Herausforderung. Aber langsam setzt sich die Auffassung durch, dass afrikanische Institutionen den Kreativsektor besser finanzieren müssen. 

Was treibt Sie weiter an? 

Der Kurzfilmwettbewerb im vergangenen Jahr hat mich begeistert. Inzwischen hat eine der Frauen ein Berlinale-Stipendium bekommen, eine andere wurde zum Frauengipfel 'Forbes Woman Africa' eingeladen, viele waren mit ihren Filmen auf Filmfestivals. Der Erfolg kommt zu ihnen, und wir haben einen Anteil daran – das motiviert mich.

  

DW Akademie A Short Film Competition

 

Weibliche Perspektiven auf der Leinwand: Ladima Foundation

Die Ladima Foundation unterstützt und würdigt durch Partnerschaften und Kooperationen in verschiedenen Ländern afrikanische Frauen in Film, Fernsehen und anderen kreativen Bereichen. In Zusammenarbeit mit der DW Akademie entsteht die Ladima Film Academy in Lagos/Nigeria. Einführungs- und Aufbaukurse – online aber auch in Präsenz – in den Bereichen Schnitt, Kamera, Regie, Drehbuch, Animation, Produktion und Dokumentarfilm erweitern die beruflichen Möglichkeiten für weibliche Fachkräfte. 2020 veranstalteten die beiden Partner den Kurzfilmwettbewerb “African Women in the Time of COVID-19” für afrikanische Filmemacherinnen. Die Dokumentation “The call – 1 pandemic, 20 countries, 172 filmmakers” stellt 33 der eingereichten Filme vor und lässt zehn Filmemacherinnen zu Wort kommen. Sie diskutieren insbesondere das Geschichtenerzählen und die Filmindustrie aus der Perspektive afrikanischer Frauen. Die von der DW Akademie geförderte Dokumentation wird voraussichtlich ab Juni auf verschiedenen Filmfestivals zu sehen sein.

Die gemeinsame Arbeit der DW Akademie und der Ladima Foundation wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.