Ukraine: "Es ist schlicht unmöglich, Nachrichten zu sehen, ohne dabei einen großen Schmerz zu empfinden." | Europa/Zentralasien | DW | 01.03.2022
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Europa/Zentralasien

Ukraine: "Es ist schlicht unmöglich, Nachrichten zu sehen, ohne dabei einen großen Schmerz zu empfinden."

Mitarbeitende und Partner der DW Akademie in der Ukraine bangen im Krieg um Freiheit und Demokratie, um ihr Leben, ihre Familien und Freunde.

Ukraine | Kiew | Menschen suchen Schutz in U-Bahn Stationen

Kiew, Ukraine: Menschen suchen Schutz in U-Bahn Stationen

"Wir senden ununterbrochen. Wenn es an einem Ort einen Luftangriff gibt, schaltet sich ein anderes Regionalstudio auf", schreibt eine Sprecherin von UA:PBC am Montagnachmittag, 28. Februar: "Da wir in allen Regionen [der Ukraine] Studios haben, unterstützen wir uns gegenseitig." UA:PBC ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Ukraine, den die DW Akademie seit 2015 unterstützt. Zuletzt konnte ein neuer multimedialer Newsroom in Kiew in Betrieb genommen werden, aus dem die Journalistinnen und Journalisten auch aktuell berichten – unter großer Gefahr.

"Es gibt Zeiten, in denen wir im Radio nur Musik spielen können, weil sich unsere Mitarbeitenden in Sicherheit bringen müssen", sagt die Sprecherin weiter.

Die DW Akademie hält engen Kontakt zu ihren Mitarbeitenden und Partnerorganisationen in der Ukraine, darunter UA:PBC. "Die Journalistinnen und Journalisten des Senders machen einen exzellenten Job und das trotz großer persönlicher Betroffenheit und Belastung und den vielen Unsicherheiten, die eine sich schnell verändernde Lage mit sich bringt", sagt Carsten von Nahmen, Managing Director der DW Akademie. "Unabhängige und verlässliche Informationen waren nie wichtiger. Wir stehen an der Seite aller unserer Partner in der Ukraine."

Eine leitende Mitarbeiterin des Ukrainian Media and Communication Institute (UMCI), einer weiteren Partnerorganisation, berichtet, wie wichtig, aber auch schmerzhaft es ist, informiert zu bleiben: "Es ist schlicht unmöglich, Nachrichten zu sehen, ohne dabei einen großen Schmerz zu empfinden. Es ist unerträglich. Aber für mich als Journalistin und meine Kollegen ist es sehr wichtig, dass die Welt versteht, dass dieser Krieg real ist und Russland eine Phantasiewelt aufbaut. Die russische Propaganda ist ein großes Übel."

Eine ihrer Projektmanagerinnen, die normalerweise die Journalism Teacher’s Academy betreut, ein gemeinsames Projekt mit der DW Akademie, floh aus Kiew in den Westen der Ukraine. In ihrem Viertel in Kiew in der Nähe des Antonov-Flughafens war es zu unsicher geworden. Mit ihrem dreijährigen Kind und hochschwanger hatte sie keine andere Wahl als zu gehen. Sie habe Angebote gehabt, aus der Ukraine zu fliehen, bevor die Kämpfe ausbrachen, es aber nicht übers Herz gebracht, zu gehen, erzählt sie: "Ich kann nicht kämpfen, aber ich möchte trotzdem hier sein und tun, was ich kann", sagt sie. "Ich kann mir vorstellen, dass es noch schwieriger ist, weit weg von zu Hause zu sein als hier, näher an der Front."

Ukraine Kiew | Archivbild der Nachrichtenlage auf Fernseher

Ein Mann in der Ukraine sieht eine Fernsehansprache des Präsidenten Volodymyr Zelensky im Fernsehen (Symbolbild)

Viele sind hin und hergerissen zwischen Bleiben und Gehen

Aktuell befinden sich noch zwei Ortskräfte der DW Akademie sowie eine Bonner Mitarbeiterin in der Ukraine. Die DW hatte bereits frühzeitig allen Mitarbeitenden in Kiew die Ausreise nach Lwiw im Westen des Landes angeboten. Aufgrund der sich weiter zuspitzenden Lage hat das Unternehmen inzwischen die Evakuierung von Mitarbeitenden und deren Angehörigen aus der Ukraine eingeleitet. Viele von ihnen, wie auch Mitarbeitende der Partnerorganisationen vor Ort, sind hin und hergerissen zwischen Bleiben und Gehen, zwischen Schutz suchen und in ihrem Land und bei ihren Familien bleiben.

Ukraine-Konflikt, Kiew: Menschen schlafen in einer U-Bahn-Station

Menschen schlafen in Kiew in einer U-Bahn-Station

Eine Projektkoordinatorin der DW Akademie ist inzwischen mit ihrem Mann und ihrer Tochter aus Kiew in eine westukrainische Stadt geflohen. Sie mache sich große Sorgen um Familie und Freunde, die in der Hauptstadt geblieben sind: "Wir haben es hier vergleichsweise komfortabel, anders als unsere Freunde, die bereits seit drei oder vier Nächten in U-Bahn-Stationen schlafen." Metro-Stationen und unterirdische Parkhäuser dienen den Menschen in Kiew als Ersatz für Bunker.

Eine weitere Ortskraft der DW Akademie ist bislang in Kiew geblieben. "Ich konzentriere mich darauf, in Sicherheit und ruhig zu bleiben. Ich bin keine Journalistin, also versuche ich gerade herauszufinden, wie ich ansonsten helfen kann", schreibt sie per Chat am Montagnachmittag, 28. Februar. Sie sei in ihrem Zuhause in Kiew und zwinge sich zu Optimismus: "Wir schätzen die Unterstützung der DW sehr, wir vertrauen auf unsere Armee und die Ukrainerinnen und Ukrainer. Wir werden dieses Land wiederaufbauen, sobald es möglich ist."

Zuverlässige Informationen wichtiger denn je

Der Koordinator eines EU-finanzierten Medienentwicklungsprojekts, der normalerweise einen Fonds für Medienschaffende betreut, hat nun im Krieg plötzlich anderes zu tun: "Wir produzieren und übersetzen Nachrichten über den Krieg ins Englische für ausländische Medien, weil es daran gerade mangelt." Gemeinsam mit einem Kollegen ist er mittlerweile in einer westukrainischen Stadt. Neben Informationen organisieren die beiden auch Hilfe vor Ort: “Wir kaufen Lebensmittel, Wasser und Decken für die Geflüchteten. Wir legen Vorräte an für den Fall, dass sich die Lage verschlechtert.”

"Diese Nacht war ruhiger als die vorige", schreibt der Koordinator des EU-Projekts. "Wir gehen aber davon aus, dass uns eine weitere schwierige Nacht bevorsteht."

 

Die Namen der Mitarbeiterinnen und Partner sowie ihre aktuellen Aufenthaltsorte sind der DW Akademie bekannt. Wir haben zu ihrem Schutz entschieden, sie nicht zu nennen.

Update 17.03.22: Die DW Akademie hat mittlerweile weiteren Mitarbeitenden bei der Ausreise aus der Ukraine helfen können. Es sind aktuell noch zwei Kolleginnen und Kollegen im Land.

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