„Wir verharmlosen die Gefahr nicht, aber wir geraten nicht in Panik! “ – Ukrainische Journalistin über die Herausforderung ihrer Arbeit | Europa/Zentralasien | DW | 18.02.2022
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Europa/Zentralasien

„Wir verharmlosen die Gefahr nicht, aber wir geraten nicht in Panik! “ – Ukrainische Journalistin über die Herausforderung ihrer Arbeit

In Krisenzeiten sind freie und unabhängige Medien unerlässlich. Angelina Kariakina, Leiterin der Nachrichtenredaktion des öffentlich-rechtlichen Senders UA:PBC, erklärt, wie es ist, mit dem Krieg im Nacken zu arbeiten.

UPDATE 27.02.2022: Trotz des Risikos senden die Journalistinnen und Journalisten unseres Partners UA:PBC weiterhin rund um die Uhr und auf allen Kanälen aktuelle Nachrichten und Informationen für die Menschen in der Ukraine.

UA:PBC, der öffentlich-rechtliche Sender der Ukraine, hat, mit Unterstützung durch die DW Akademie und BBC Media Action, einen neuen crossmedialen Newsroom Ende 2021 eröffnet. Dieser ist Teil des größten, von der EU und Deutschland finanzierten Medienentwicklungs-Projekts in der Ukraine. Für das ukrainische Publikum bedeutet das unabhängige, verlässliche und multimediale Nachrichten auf allen Kanälen, fernab der staatlich kontrollierten Medien.

Die DW Akademie arbeitet mit UA:PBC seit 2014 zusammen. Nach Auffassung der DW Akademie sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten unverzichtbar für demokratische Gesellschaften. Deswegen werden auch  staatliche Rundfunkanstalten in Kirgisistan, der Mongolei, Moldawien und Serbien unterstützt. Zusammen mit BBC Media Action koordinierte die DW Akademie die Entwicklung des Newsrooms und führte Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UA:PBC durch. Außerdem wird die Deutsche Welle UA:PBC und regionale Journalisten weiterhin durch das erst kürzlich gestartete Projekt „MediaFit“ unterstützen. 

Journalistisches Arbeiten in Krisenzeiten - Newsroom in der Ukraine

Angelina Kariakina, Leiterin Nachrichten, UA:PBC

Was ist im Moment die größte Herausforderung für Sie und ihr Team?

Angelina Kariakina: Wahrscheinlich, dass wir seit mittlerweile acht Jahren mitten in einem Krieg arbeiten. Er wird zwar im Moment nicht auf unseren Straßen in Kiew ausgetragen, aber der Konflikt beeinflusst immer noch wie wir unsere Zukunft planen, wie wir übereinander denken und miteinander reden. Wir Journalisten sehen den Einfluss auf unsere Demokratie, wir spüren die Polarisierung und Unruhe in der ukrainischen Gesellschaft – je länger Russland versucht, die Ukraine zu bekämpfen und zu destabilisieren, desto länger wird das so bleiben.

Wie hat sich diese wachsende Spannung an der ukrainisch-russischen Grenze auf Ihren Arbeitsalltag ausgewirkt?

Wir sprechen viel über verschiedene Szenarien mit unseren Familien, mit unseren Freunden und mit unseren Kollegen. Es ist natürlich auch Teil unserer täglichen redaktionellen Planung. Aber verschiedene Pläne für verschiedene Szenarien zu haben, ist sehr beruhigend und der Grund, warum wir alle nicht in Panik geraten. Wir wissen, wie unsere Berichterstattung aussehen wird, wenn Russland einmarschiert. Das Management von UA:PBC hat einen Plan festgelegt, wie unser Unternehmen weiterarbeiten kann und wird. Wir unterschätzen die Gefahr einer Eskalation des Krieges nicht, aber wir sind sicher genug, um ruhig und effizient weiterzuarbeiten.

Wie schaffen Sie es, professionell zu bleiben, während diese Situation auch bestimmt eine persönliche Belastung ist?

Unter ukrainischen Journalisten gab es eine große Diskussion darüber, ob es überhaupt möglich ist, objektiv zu bleiben während unsere Kollegen, Familienmitglieder oder Freunde an der Front kämpfen. Ich denke, dass man als Journalist nicht komplett unvoreingenommen sein kann, trotzdem muss man es versuchen. Aber man kann durchaus objektiv berichten, und die Dinge beim Namen nennen. Die Wahrheit da draußen ist für jeden sichtbar: Die russische Aggression ist real – in diesem Fall geht es nicht um persönliche Meinung. 

Was ist Ihr Trick, um in einer solchen Atmosphäre positiv zu bleiben?

Dieser achtjährigen Kriege hat uns alle ermüdet und ausgelaugt, aber er wirkt auch als ein Mobilisierungsfaktor für die ukrainische Gesellschaft. Sie ist bereit, sich zu vereinen und für ihre Integrität zu kämpfen. Außerdem stellen wir fest, dass die Menschen uns in Krisenzeiten mehr vertrauen als den Mainstream-Medien, und das ist wirklich ein tolles Ergebnis.
Es ist wie mit einem Krankenwagen: Man ruft ihn nicht täglich an, aber wenn etwas passiert, will man die bestmögliche Versorgung. Wir sind also dieser Krankenwagen für die Öffentlichkeit.