Markt-Roadshow in Ghana: Medien- und Informationskompetenz für funktionale Analphabeten | Afrika | DW | 07.12.2022
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Afrika

Markt-Roadshow in Ghana: Medien- und Informationskompetenz für funktionale Analphabeten

Informationen richtig einzuordnen, ist das A und O bei der Internetnutzung. Nach Ansicht des DW Akademie-Partners Penplusbytes können Menschen unabhängig von ihrem Bildungsstand lernen, zwischen den Zeilen zu lesen.

In Uganda verkaufen sie Zehen für 10.000 US-Dollar. Impfungen verursachen Impotenz. Wenn man 60 Sekunden lang die Luft anhält, kann man sich vor COVID-19 schützen. Meldungen wie diese werden in sozialen Medien in Ghana verbreitet – und sie sind allesamt falsch. 

Falschinformationen können jeden betreffen. Auch wenn es kein Patentrezept gibt, ist Medien- und Informationskompetenz (MIL) eine Möglichkeit, ihre Verbreitung einzudämmen. MIL vermittelt die nötigen Werkzeuge und Fähigkeiten, um zu erkennen, ob Informationen stichhaltig sind und geteilt werden sollten. Doch kann auch jemand, der schlecht oder gar nicht lesen kann, Medienkompetenz aufbauen? Penplusbytes, eine ghanaische Partnerorganisation der DW Akademie, beantwortet dies mit einem klaren Ja. 

Analphabeten und funktionale Analphabeten sind besonders anfällig für Falschinformationen und Phishing-Versuche, da es für sie schwieriger ist, Quellen zu überprüfen. Es gibt jedoch Möglichkeiten, die alle nutzen können, um die Echtheit von Informationen in den sozialen Medien zu überprüfen. Um diese Gruppe zu erreichen, die bisher keine MIL-Schulungen erhalten hatte, ging Penplusbytes auf die Straße. Das Team sprach mit Ghanaerinnen und Ghanaern darüber, was es bedeutet, kritisch zu denken und klug zu klicken. 

Das "Market Roadshow"-Projekt fand während der UNESCO-MIL-Woche statt und war darauf ausgerichtet, Menschen außerhalb der Klassenzimmer zu erreichen, also an Orten, an denen Medien- und Informationskompetenz normalerweise nicht vermittelt wird. Für das zweitägige Pilotprogramm hat sich Penplusbytes einen der zentralen Märkte von Accra, Makola, ausgesucht und auch den Busbahnhof Nkrumah Circle Odawna. 

"Das war für uns eine ganz neue Erfahrung", berichtet Precious Ankomah, Projektleiter bei Penplusbytes. "Wir hatten zuvor noch nie etwas in einem so offenen Rahmen gemacht." 

DW Akademie | Ghana MIL Week event in Accra

Ehrenamtliche sprachen mit Händlerinnen, Händlern und Einkaufenden und erklärten, wie sie die Verbreitung von Falschinformationen stoppen können.

Ziel des Projekts war es verschiedene Gruppen durch direkte Gespräche und visuelle Materialien im Alltag zu erreichen. Es beruhte auf einer überraschenden Maxime: 

"Märkte sind sehr laut", sagte Ankomah. "Der einzige Weg, dem Lärm zu begegnen, ist, mehr Lärm zu machen.“ 

Lauter sein 

Für Ankomah hat sich dieser Ansatz ausgezahlt. Das Team spielte zunächst über Lautsprecher ein kurzes Hörspiel in Twi, Ga, Ewe, Hausa und Englisch ab. Darin wurde ein Gespräch über einige der häufigsten Falschinformationen aus dem Internet wiedergegeben. Dazu gehört zum Beispiel der vermeintliche Zusammenhang zwischen dem 5G-Netz und dem Coronavirus ebenso wie Berichte über Menschen, die angeblich in Uganda Zehen verkaufen. 

Nach einem interaktiven Vortrag des bekannten Rundfunkjournalisten Bishop Agbey Jnr. und einem improvisierten Tanzduell um ein Penplusbytes-T-Shirt gingen 26 Freiwillige mit Flugblättern auf die Zuschauer zu. Die Flyer enthielten Infografiken und sehr wenig Text, um zu erklären, wie Informationen im Internet überprüft werden können. 

In den Flugblättern konzentrierte sich das Team auf einfache Tipps, wie beispielsweise die Empfehlung, Informationen durch eine zweite Quelle zu verifizieren. Nutzende wurden außerdem aufgefordert, darüber nachzudenken, ob sie auch in einigen Jahren noch stolz darauf sein würden, eine Geschichte geteilt zu haben – nützliche Ansätze, auch für Menschen, die schlecht oder gar nicht lesen können. 

"Kaum zu glauben, wie viele Menschen wir damit erreichen konnten", sagte DW Akademie-Projektleiterin Laura Schröder. 

DW Akademie | Ghana MIL Week event in Accra

Auch Marktbesucherinnen und -besucher kamen auf die Bühne, um das Publikum rund um die Bühne zu unterhalten

Der Unterschied zwischen Sprechen und Lesen 

Viele Ghanaerinnen und Ghanaer, mit denen Penplusbytes zu tun hatte, sprechen eine Sprache, die sie aber nicht immer auch lesen können. Während viele beispielsweise Twi sprechen, ist es weniger üblich, diese Sprache auch lesen zu können. Dies führt dazu, dass sich Falsch- und Desinformation auf Plattformen wie Facebook besonders stark verbreiten. 

Die jüngere Generation ist überwiegend auf Social-Media-Plattformen unterwegs ist, die Älteren nutzen eher Messenger-Dienste wie WhatsApp, die ebenfalls anfällig für Falschinformationen sind. 

Einige der Anwesenden berichteten, wie sie von Betrügern hereingelegt wurden oder sich gezwungen sahen, Kettenmails weiterzuleiten. Eine Frau war davon überzeugt, dass eine lokale Schauspielerin gestorben war, nachdem sie einen Clip auf YouTube gesehen hatte. Erst als ihre Kinder ihr ein anderes Video zuschickten, erkannte sie, dass die Frau noch am Leben war, und es ihr gut ging. 

DW Akademie | Ghana MIL Week event in Accra

Rundfunkjournalist Bishop Agbey Jnr. lud die Zuschauerinnen und Zuschauer ein, mitzumachen und über ihre Erfahrungen zu sprechen

Auf die Straße gehen und Menschen für das Thema sensibilisieren 

Am zweiten Tag trafen sich Ankomah und ihr Team von Freiwilligen an einem Busbahnhof. Dort wiederholten sie die Aktion – in noch mehr Sprachen als am Tag zuvor. 

Mavis Aryee, eine Freiwillige, deren Muttersprache Ga ist, fand diesen Tag noch erfolgreicher als den ersten, da sie auf Menschen zugehen konnte, die in Bussen oder am Bahnhof warteten. 

"Wir konnten sie für das Thema sensibilisieren. Viele haben von ihren persönlichen Erfahrungen mit Falschinformationen berichtet", erklärte Aryee, Moderatorin bei Uniiq und Obonu FM. "Auch wenn es einigen gleichgültig war, haben sich andere sehr für unsere Informationen interessiert." 

An zwei Tagen erreichten die Freiwilligen Hunderte von Menschen, die bisher über keinerlei Medien- und Informationskompetenz verfügten. Auch wenn diese Guerilla-Methode zur Verbreitung von MIL neu war, blieb die grundlegende Botschaft dieselbe: Alle können sich Medien- und Informationskompetenz aneignen, unabhängig davon, welche Sprachen sie sprechen oder lesen. 

Penplusbytes ist eine Non-Profit-Organisation, die im Jahr 2001 gegründet wurde. Sie arbeitet gemeinsam mit der DW Akademie daran, Medien- und Informationskompetenz (MIL) in Ghana zu verbreiten, um kritisches Denken und mehr Sicherheit im digitalen Raum zu fördern. 

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