Frauen und Religion: „Ich habe mich lange nicht als Führungspersönlichkeit gesehen” | Medientraining I Auftritt in Medien und Öffentlichkeit | DW | 08.12.2023
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Medientraining

Frauen und Religion: „Ich habe mich lange nicht als Führungspersönlichkeit gesehen”

Vertreterinnen verschiedener Religionen haben sich bei der DW Akademie für ein besonderes Kommunikationsworkshop getroffen: Eine Woche lang arbeiteten sie gemeinsam an ihren Botschaften für den interreligiösen Dialog.

Kommunikationsworkshop “Religion und Medien“ der DW Akademie

Melanie Ivančević (Mitte), Teilnehmerin im Kommunikationsworkshop “Religion und Medien“ der DW Akademie beim Statement-Training vor der Kamera mit Daniela Wiesler (links) und Patrick Batarilo (rechts).

Es ist Montagmorgen in Bonn, 13 internationale Religionsvertreterinnen sitzen zum ersten Mal gemeinsam in einem Raum. Die Teilnehmerinnen haben noch vor der Reise zum einwöchigen Workshop in ihren Heimatländern kurze Vorstellungsvideos gedreht. Nun, in Bonn angekommen, schauen sie die Videos gemeinsam an –und sind sofort mitten im Thema. „Ich war unsicher. Ich fühle mich vor der Kamera nicht wohl”, resümiert eine Teilnehmerin. „Ist Ihnen das aufgefallen?”, fragt Daniela Wiesler, Head of Media Training, nach dieser selbstkritischen Einschätzung in die Runde. „Nein”, lautet die übereinstimmende Antwort.

Friedensprozesse verlaufen nachhaltiger, wenn Frauen beteiligt sind

In einer Woche Medientraining bei der DW Akademie, finanziert vom Auswärtigen Amt, lernen die 13 Frauen nicht nur, Selbst- und Fremdwahrnehmung besser einzuschätzen, sondern auch ihre Präsenz vor der Kamera zu professionalisieren und ihre Kernbotschaften zu friedlichem interreligiösem Zusammenleben überzeugend zu präsentieren. Die Teilnehmerinnen kommen aus elf verschiedenen Ländern Südost- und Osteuropas: aus der Türkei, Bosnien-Herzegovina, Montenegro oder der Ukraine. Sie sind muslimischen, jüdischen und christlichen Glaubens und haben verantwortungsvolle Rollen in ihren Gemeinden.  

„Internationale Studien belegen: dass Friedensprozesse weitaus erfolgreicher und nachhaltiger verlaufen, wenn Frauen beteiligt sind, aber tatsächlich sind sie meist von den Verhandlungen ausgeschlossen oder nehmen keine offiziellen Rollen ein. Sie werden einfach nicht gehört,“ sagt Daniela Wiesler zu den Hintergründen des Workshops. „Wir stärken die Teilnehmerinnen in ihrer Rolle und Kommunikationsfähigkeit, um sichtbarer und hörbarer zu werden und sich künftig auch gegenseitig in Netzwerken zu unterstützen. Die Frauen haben so viel potentielle Macht, in den derzeitigen multiplen Krisenprozessen in Europa und auf der Welt deeskalierend und friedensstiftend zu wirken und den interreligiösen Dialog offen zu halten. Und unser Workshop gibt ihnen Skills an die Hand, das noch mehr umzusetzen und in die Öffentlichkeit zu bringen.“

Kommunikationsworkshop “Religion und Medien“ der DW Akademie

Teilnehmerinnen, Trainerinnen und Trainer in Bonn

In kontroversen Diskussionen selbstbewusst auftreten

„Ich hatte erwartet, dass wir unterschiedlicher sind,” sagt Ivana Mitrović, PR-Managerin für die Jüdische Gemeinde in Montenegro. „Religion ist ein so sensibles Thema. Es ist ein Gefühl und allumfassend. Aber wir haben so viel gemeinsam: Gedanken, Ängste, Herausforderungen.”

Kommunikationsworkshop “Religion und Medien“ der DW Akademie

Ivana Mitrović (links), beim Statement-Training vor der Kamera mit Daniela Wiesler.

Zu diesen gemeinsamen Herausforderungen gehört es, ihre Religionsgemeinschaften maßgeblich mitzugestalten. Teilnehmerin Melanie Ivančević arbeitet als evangelisch-lutherische Pastorin in Kroatien und ist Präsidentin der Ökumenischen Fraueninitiative. Sie habe sich selbst „lange nicht als Führungspersönlichkeit gesehen”, sagt sie. „Ich habe nicht die Eigenschaften, die wir traditionell mit Führung verbinden – diese sind oft stereotyp männlich: wettbewerbsorientiert, willensstark, kämpferisch und konfliktbereit.” Sie wolle im Medientraining lernen, wie sie sie selbst sein und trotzdem auch in kontroversen Diskussionen selbstbewusst auftreten könne.

Dabei geht es oft um Toleranz und ihre Grenzen: „Ich brauche emotionale Kraft, um schwierigen Gespräche zu führen,” sagt Ivančević – für sich selbst und ihre Gemeinde, die sich zum Beispiel für die Rechte der LGBTQI-Community einsetze.

Verantwortungsvolle Kommunikation für sozialen Zusammenhalt

Kommunikationsworkshop “Religion und Medien“ der DW Akademie

Teilnehmerin Dževada Šuško während des Statement-Trainings vor der Kamera

Die Teilnehmerinnen von „Religion und Medien” sind in vielen verschiedenen Bereichen tätig: von PR und Kommunikation bis zu Bildung und Jugendarbeit – interreligiöser Dialog gehört hier zum Tagesgeschäft. Dževada Šuško lebt in Sarajevo und leitet dort das Büro für internationale Zusammenarbeit in der Abteilung für Auslandsangelegenheiten der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina. Sie hält verantwortungsvolle Kommunikation für essentiell: „Wenn wir darüber reden, was wir gemeinsam haben – Herausforderungen, Identitäten, sogar Aspekte unseres Glaubens – dann schaffen wir es, an sozialem Zusammenhalt und Resilienz zu arbeiten”, sagt sie.

Doch blickt Šuško auf ihre Kolleginnen im Workshop, sieht sie eine weitere große Herausforderung: „Die Realität sieht so aus, dass es hoch gebildete Frauen in verschiedenen Positionen gibt. Aber wenn es um die Ebene geht, auf denen Entscheidungen getroffen, dann fehlen die Frauen leider.”

Pastorin Melanie Ivančević ist dennoch optimistisch: „Ich glaube fest daran, dass Veränderungen von unten nach oben kommen. Wandel braucht Zeit, um von der Basis bis zur Spitze zu klettern.”

 

Im Medientraining Religion and Media – Conflicts in Europe. Seeking and maintaining dialogue in challenging times” haben Religionsvertreterinnen aus Südost- und Osteuropa gemeinsam an ihren Botschaften zu interreligiösem Dialog gearbeitet. Das Programm umfasste unter anderem Workshops zu konstruktivem Journalismus und Fact Checking, Diskussionen zu der Rolle von Religionen in den Medien und weiblicher Führung, sowie praktische Kamera- und Social-Media-Trainings.

Der einwöchige Workshop war Teil einer Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, das seit Herbst 2016 unter dem Titel "Friedensverantwortung der Religionen" den interreligiösen Austausch mit Konferenzen und Workshops fördert.

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