Hackathon in Bangladesch: Mit SOS-Armband und Künstlicher Intelligenz Missstände aufdecken | Asien | DW | 09.04.2020
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Asien

Hackathon in Bangladesch: Mit SOS-Armband und Künstlicher Intelligenz Missstände aufdecken

Gewalt gegen Frauen, Desinformation, Müllberge – Teilnehmende der Media Tech Challenge der DW Akademie in Bangladesch haben innovative, datenbasierte Anwendungen entwickelt, um gesellschaftliche Probleme anzugehen.

Datenbasierte und technologiegestützte Anwendungen gesucht: Die Media Tech Challenge forderte innovative Lösungsideen.

Datenbasierte und technologiegestützte Anwendungen gesucht: Die Media Tech Challenge forderte innovative Lösungsideen.

Sexuelle Übergriffe, Stalking oder Säureattacken - viele Frauen und Mädchen in Bangladesch sind diesen alltäglichen Bedrohungen ausgesetzt. Die Fallzahlen sind im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen, wie die bangladeschische Menschenrechtsorganisation Odhikar in ihrem Jahresbericht 2019 schreibt. Manche Frauen und Mädchen sterben bei den Angriffen oder nehmen sich danach aus Scham das Leben.

Gemeinsam als Team ans Ziel: Die DW-Akademie setzt auf Zusammenarbeit.

Gemeinsam als Team ans Ziel: Die DW-Akademie setzt auf Zusammenarbeit.

„Wir kennen die Probleme. Trotzdem waren wir geschockt, als uns das Ausmaß klar wurde“, sagt Abdullah Al Mamun, Informatik-Student der Universität Rajshahi in Bangladesch. Abdullah und sein Team entwickelten daraufhin bei der Media Tech Challenge, einer Hackathon-Reihe der DW Akademie, ein SOS-Armband. Das sogenannte Wearable, das optisch einer digitalen Armbanduhr ähnelt, setzt im Notfall mit nur einem Knopfdruck eine oder mehrere SMS-Nachrichten ab. Der Notruf wird über einen GPS-Satelliten verbreitet und benötigt keine Internetverbindung, denn die ist in Bangladesch oft schlecht oder gar nicht vorhanden.

Eine Online-Landkarte ermöglicht den Überblick

Die SOS-Nachrichten werden an einen vorher definierten Personenkreis gesendet: Familienmitglieder, Freunde oder die Notrufnummer bei der Polizei. Die gesendeten Geokoordinaten werden auf einer Online-Landkarte dargestellt. Eine Webseite bündelt diese und andere bereits veröffentlichte Informationen zu sexuellen Übergriffen. „Wir machen gefährliche Orte sichtbar und schaffen ein Bewusstsein für die Gefahren. Damit kann gezielt für mehr Schutz gesorgt werden“, so Abdullah. Das SOS-Armband braucht bis zur Serienreife noch etwas Überarbeitung. Dann aber könnte das Stück für umgerechnet zehn bis 15 Euro hergestellt werden. Ihren Prototyp stellten Abdullah und sein Team kürzlich beim Finale der Media Tech Challenge in der Hauptstadt Dhaka vor.

Media Tech Challenge: Mensch und Maschine

Während der Entwicklung des SOS-Prototyps wurden viele Fragen diskutiert: Soll im Notfall tatsächlich die Polizei informiert werden, die nicht überall in Bangladesch als zuverlässig und vertrauenswürdig gilt? Kann der Alarm auch zum Nachteil des Opfers verwendet werden? Und wichtig für alle Teams: Wer garantiert den Schutz der persönlichen Daten? Viele Fragen und technische Probleme konnten mit Unterstützung von Olga Kisselmann vom Team DW Innovation, sowie den Mentoren Nur A Shawal Siddique und Biswajit Panday geklärt werden. Sie unterstützten über mehrere Monate die 35 Teilnehmenden: Studierende der Journalistik oder Informatik an der Universität Rajshahi und Medienschaffende der Tageszeitung Daily Star, des TV- und Online-Medienhauses Channel i und des Senders Radio Today. Mit den Apps, Online-Plattformen und Websites, die die insgesamt sechs Teams entwickelten, sollen Informationen für eine breite Öffentlichkeit bereitgestellt und aufbereitet werden.

Algorithmus erkennt Falschmeldungen

Beim Finale der Media Tech Challenge in Dhaka bekamen die Teams die Möglichkeit zur Präsentation ihrer Konzepte und beantworteten Fragen des Publikums.

Beim Finale der Media Tech Challenge in Dhaka bekamen die Teams die Möglichkeit zur Präsentation ihrer Konzepte und beantworteten Fragen des Publikums.

Mit Desinformation befassten sich gleich mehrere Teams der Media Tech Challenge. Über Online-Portale, soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste finden Falschmeldungen in Bangladesch oft rasend schnelle Verbreitung – wie lassen sich diese entlarven? „Mit unserem Zwei-Stufen-Modell können wir mithilfe Künstlicher Intelligenz binnen Sekunden große Datenmengen verifizieren“, erklärt Hossain Mohammad Nazzar vom „Fake Busters“-Team. Der Plan: Ein Algorithmus lernt zunächst, bestimmte Muster in Falschmeldungen zu erkennen, etwa die Wortwahl in Überschriften, Texten, Links oder Kommentaren. In einer zweiten Prüfung (Cross Validation) werden unter anderem die Seriosität des Autors und der Website gecheckt, auf der der Text zuerst veröffentlicht wurde, sowie die Bebilderung. Die geprüften Berichte werden anschließend in einer App mit einer optischen Kennzeichnung markiert: Wahr oder nicht? Richtig oder falsch? Dies könnte nicht nur Journalistinnen und Journalisten bei der Recherche helfen, sondern auch Online-Nutzerinnen und -Nutzern, veröffentlichte Informationen zu bewerten.

Vom Prototyp zur Serienreife: Die Teilnehmenden haben viel gelernt und wollen nun ihre Ideen verwirklichen.

Vom Prototyp zur Serienreife: Die Teilnehmenden haben viel gelernt und wollen nun ihre Ideen verwirklichen.

Crowdsourcing von Umweltsünden

Illegale Müllkippen, verseuchte Abwässer: Das Team „Spring to Summer“ aus Journalisten der Zeitung Daily Star und Studierenden entwickelte die App „WeFix Pollution Tracker“. Bürgerinnen und Bürger können Umweltverschmutzungen melden, Journalistinnen und Journalisten sammeln und verifizieren Geokoordinaten und Fotos der Umweltsünden. „Dadurch entsteht eine Gemeinschaft mit Umweltbewusstsein, die gesellschaftlichen Druck erzeugen kann“, so Journalist Zaid Kalam.

Nun beginnt die Suche nach Partnern und Investoren, um die innovativen Ideen zu verwirklichen.

 

Das Projekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.

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