In Marokko sollen Behörden transparenter werden, doch das Wissen über den Umgang mit öffentlichen Daten fehlt. Ein Projekt für Datenjournalismus leistete Pionierarbeit. So gelingen faktenbasierte Berichte trotz Corona.
Marokko hat ein Problem mit Korruption. Transparency International errechnet für das Land einen Korruptionsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) im unteren Mittelfeld. In ihrer 2019 herausgegebenen Rangliste liegt Marokko im weltweiten Vergleich auf Platz 80 – gemeinsam mit China und Indien. Das Vertrauen der marokkanischen Bevölkerung in ihre Verwaltung hat über die Jahre stark gelitten.
Abhilfe soll seit März 2019 das Informationszugangsgesetz schaffen. Daten, die in öffentlicher Hand liegen, wie z.B. zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen, Lizenzen, Genehmigungen, Steuervergünstigungen und öffentlichen Dienstleistungen können damit theoretisch von jedem eingesehen und abgefragt werden. Doch die behördliche Transparenz steckt noch in den Kinderschuhen und nur wenige marokkanische Journalistinnen und Journalisten haben Erfahrungen mit der Verarbeitung oder Analyse solcher Daten.
"Die meisten marokkanischen Medien geben sich damit zufrieden, Zahlen in ihren Artikeln unorganisiert zu erwähnen“, sagt die freiberufliche Journalistin Khadija Boufous. Aber gerade in Zeiten einer Pandemie ist es wichtig, „Nachrichten und ihre Auswirkungen auf die Öffentlichkeit verständlich zu machen und diese Phänomene im Zusammenhang mit Covid-19 zu erklären". Das Datenjournalismus-Projekt „Fake News à l’épreuve des Faits“ (dt. „fälschungssichere Nachrichten“) erfüllt genau diesen Bedarf und trainierte bis Dezember 2020 etwa dreißig marokkanische Journalist*innen und Programmierer*innen darin, informativ und faktenbasiert zu berichten.
Welche Konsequenzen hat die Pandemie auf die marokkanische Wirtschaft – auch auf lokaler Ebene? Was sind die Folgen für den Tourismus, das Bildungswesen, den lokalen Arbeitsmarkt oder das soziale Leben? Viele Regionen in Marokko wurden durch die Pandemie vom Informationsfluss abgeschnitten. Ausgangsverbote und Kontaktsperren erschweren die Arbeit der Medienschaffenden. Unter diesen Bedingungen Informationen aus entfernten Regionen zu bekommen, ist beinahe unmöglich. Zudem sind die Menschen, die dort leben, auf gute Veranschaulichungen und einfache Erzählsprache angewiesen.
Vor allem ländliche Regionen in Marokko wurden durch die Ausgangssperre vom Informationsfluss abgeschnitten, was die Verbreitung von Falschmeldungen begünstigte.
All dies nährt den Boden für die Verbreitung von Falschnachrichten, Gerüchten und fahrlässigen Behauptungen. Besonders betroffen sind Soziale Netzwerke, wie Twitter, Facebook oder WhatsApp. Sogar auf Kanälen von etablierten und seriösen Medien finden sich Falschmeldungen.
„Marokko ist noch weit davon entfernt, echte Mechanismen für einen direkten Zugang zu Daten öffentlichen Interesses anzubieten. Das haben wir während der täglichen Pressekonferenzen zur aktuellen Situation der Pandemie immer wieder festgestellt“, bemängelt Yassine Benargane. Er arbeitet als Online-Journalist für die marokkanische Website Yabiladi und bildete sich im Datenjournalismus-Projekt weiter.
Gut recherchierte Geschichten, geprüfte Fakten und datenjournalistische Methoden können die Verbreitung von Fehl- und Desinformationen eindämmen. Im Projekt lernten die Teilnehmenden, relevante Informationen zu erkennen und Geschichten basierend auf Daten und Fakten zu erzählen, nicht auf Gefühlen oder Hörensagen.
"Wir entdecken ein unglaublich spannendes Arbeitsfeld", freut sich Khadija Boufous. Die Begeisterung der Teilnehmenden spürte auch der DW-Datenjournalist Ajit Niranjan. Er hat sein Wissen gern als Trainer weitergegeben. "Bei den Übungen bringen sie tolle Ideen durch ihre eigenen Erfahrungen und Interessen ein. Wer sich gut mit Zahlen auskennt, hat natürlich einen Vorteil. Aber genau das kann man in diesem Projekt lernen."
Das gesamte Konzept von Fake News à l’épreuve des Faits war kontaktlos aufgebaut.
Datenjournalistinnen und -journalisten von The Guardian, der Süddeutschen Zeitung, Die Zeit und der Deutschen Welle diskutierten online mit den Teilnehmenden und stellten in einstündigen Sessions ihre Expertise zur Verfügung. Aufgezeichnete Webinare, Tutorials und online verfügbare Lernmaterialen ermöglichten außerdem ein zeitlich und örtlich ungebundenes Lernen. Damit die Berichterstattung in und aus Marokko auch noch nach der Pandemie gut recherchiert, informativ und faktenbasiert erfolgen kann.