Datenjournalismus ist auch bei der DW ein großes Thema. Im Rahmen des Volo-Rechercheseminars von Nina Plonka sprach Christina Elmer, Ressortleiterin Datenjournalismus bei Spiegel Online, über Potenzial und Perspektiven.
Deutsche Welle: Warum ist es wichtig, dass junge Journalistinnen und Journalisten die Grundlagen des Datenjournalismus lernen?
Christina Elmer: Für mich gibt es drei wichtige Gründe. Erstens gibt es Daten als Quellen für journalistische Recherchen in verschiedensten Formen und wir müssen in der Lage sein, diese Daten zu nutzen. Zweitens ermöglichen uns Daten, Geschichten anders zu erzählen, also beispielsweise interaktiv oder stark auf den Leser zugeschnitten. Da steckt ein unglaubliches Potenzial dahinter. Drittens müssen wir als Journalisten in der Lage sein, Regierungen und andere Akteure in der Gesellschaft ein Stück weit zu kontrollieren, beispielsweise wie öffentliche Gelder verwendet werden oder wohin Waffen exportiert werden. Daten helfen uns dabei unserer Rolle als Journalisten gerecht zu werden.
Aber kann man Datenjournalismus überhaupt lernen, wenn man keine Ausbildung als Statistiker oder Programmierer hat?
Ja, auf alle Fälle. Ich würde Journalisten raten, sich zuerst mit Datenbanken und Quellen auseinanderzusetzen und ganz einfach mit Excel einzusteigen. Und dann kann man das so weit vertiefen, wie es einem liegt. Ich glaube, dass wir in Zukunft an Daten nicht vorbei kommen. Da hilft es auch schon, sich zumindest ein bisschen in dem Bereich auszukennen, um mit den Datenjournalisten in der eigenen Redaktion besser zusammen arbeiten zu können.
Datenjournalismus hat in den USA bereits vor Jahrzehnten Fuß gefasst. In Deutschland ist das journalistische Arbeiten mit Daten noch ein recht junger Trend. Woran liegt das?
Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Informationslage in Deutschland lange nicht so gut war wie in den USA. Dort berufen sich die Redaktionen schon viel länger auf Informationsfreiheitsrechte und sind es gewohnt, sich Daten zu erkämpfen. Daher hat das "computer assisted reporting", also der Einsatz von Computern bei der Recherche, in den USA eine längere Tradition. Aber zum Glück ist die Szene sehr international und es gibt einen intensiven Austausch. Bei Konferenzen kommt man am Thema Datenjournalismus kaum vorbei. Dadurch können wir den Rückstand hoffentlich schnell aufholen.
Vertrauen in Medien ist aktuell ein großes Thema. Kann Datenjournalismus einen Beitrag leisten, dass Bürger Vertrauen in die Medien zurück gewinnen?
Das glaube ich ganz bestimmt. Gerade durch seine Transparenz, also dass wir unsere Quellen, Methoden und Arbeitsschritte offenlegen, können wir hoffentlich Boden gut machen. Gleichzeitig ist der Datenjournalismus aber kein Allheilmittel gegen "Fake News". Nur weil er auf Fakten basiert, ist er nicht immun gegen falsche Nachrichten, denn auch Datensätze sind nicht sicher vor Manipulationen.
In welche Richtung wird sich der Datenjournalismus in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft den Leser von Anfang bis Ende noch stärker in die Stories einbinden. Also dass man einerseits mit dem Leser zusammen Daten erhebt, die es noch nicht gibt. Das passiert aktuell bereits bei Projekten zum Thema Luftverschmutzung, wo Leser Messstationen aufstellen und die Daten weitergeben. Hier werden Geschichten gemeinsam mit dem Leser erarbeitet. Andererseits kann der Datenjournalismus dazu beitragen, dass Inhalte künftig ganz anders dargestellt werden. Es ist schwer zu sagen, wie wir Informationen in Zukunft wahrnehmen werden, ob beispielsweise "augmented reality" eine Rolle dabei spielen wird. Aber der Datenjournalismus kann hier wertvolle Methoden und Werkzeuge liefern. Der Ausspielweg ist dann ein ganz neues Feld.
Christina Elmer ist seit 2016 Ressortleiterin Datenjournalismus bei Spiegel Online.
Auch das Datenteam der DW hat in der vergangenen Zeit immer wieder neue Datenjournalismus-Projekte auf den Weg gebracht. Jede Woche sucht das Global Investigative Journalism Network die besten Datengeschichten weltweit. Bereits zwei Mal hat es eine Geschichte der DW unter die Top Ten geschafft.