Am Donnerstag, den 11. April, wird die Welt der Open-Source-Tools für Medienschaffende um eine neue App namens „Colmena“ bereichert. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein digitaler Newsroom, der auf fast jedem mobilen Gerät laufen kann und kollaborative Audio- und Podcast-Produktionen ermöglicht – selbst bei eingeschränkter Internetverbindung. Die Nutzenden können Interviews aufnehmen, bearbeiten und in der Cloud teilen.
Vielleicht hat Ihre Redaktion während der COVID-19-Pandemie mit der Produktion von Beiträgen zu kämpfen gehabt, oder Sie sind mit Internetabschaltungen oder häufigen Stromausfällen konfrontiert. Für genau diese Situationen ist „Colmena“ in einem kollaborativen Prozess entwickelt worden.
Gemeinsam technologische Hürden überwinden
„Colmena“ ist Anfang 2021 als gemeinsames Projekt der DW Akademie und dreier Partnerorganisationen – Redes AC, Tanda.net und Cambá – gestartet. Gemeinsam mit über 30 weiteren Medienorganisationen aus dem globalen Süden und der Ukraine haben sie die Software entwickelt. Das Ziel: Lokalen und Communitymedien dabei zu helfen, trotz aller technologischen Hürden, die sie möglicherweise überwinden müssen, erfolgreich Geschichten zu produzieren.
„Teil dieses Entstehungsprozesses zu sein, war und ist eine der coolsten Sachen, die ich je erlebt habe“, sagte Michelle Nogales vom feministischen Online-Magazin Muy Waso in Bolivien. „In Zeiten der globalen Pandemie hat die Arbeit an diesem Tool zusammen mit anderen Medienpartnern aus Guatemala, Peru und einigen Ländern Afrikas ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und eine gemeinsame Perspektive geschaffen.“
Michelle Nogales und ihr Team haben die Software bereits benutzt, um Podcasts für das feminstische Online-Magazin Muy Waso zu produzieren.
Von der Idee zur Betaversion
Colmena ist das spanische Wort für Bienenstock, eine Metapher für emsiges, gemeinschaftliches Tüfteln. Mit der Unterstützung von Softwareentwicklerinnen und -entwicklern, sowie technischen Beraterinnen und Beratern aus Argentinien, Brasilien, Spanien, Tunesien und der Ukraine wurde aus dem frühen Framework in weniger als zwölf Monaten die erste Betaversion.
„Colmena hat unser Interesse an Podcast-Produktionen geweckt“, sagt Nogales. „Wir waren Teil der frühen Testgruppe, und als es uns gelang, die ersten Folgen zu produzieren, war das ein tolles Gefühl. Colmena ist wirklich ein gutes Werkzeug für Tonaufnahmen und die erste Bearbeitung.“
Das Radiostudio von Pwani FM in Mombasa
Über 11.000 Kilometer von Muy Wasos Heimatbasis in Cochabamba entfernt, schließt sich Ken Wekesa, ein Radioproduzent und Podcaster aus Kenia, der Begeisterung an. „Colmena hat die Produktion und Verbreitung unserer Inhalte revolutioniert und den Journalistinnen und Journalisten unseres Radiosenders Pwani FM einen sicheren Raum für die Online-Zusammenarbeit geboten.“
Die Mitarbeitenden von Pwani FM, einem Lokalsender aus Mombasa, nutzen eine Vielzahl von Produktionswerkzeugen. Doch Wekesa hat die Arbeit mit „Colmena“ in seinem Team besonders gefördert: „Es hat unsere Recherchen und partizipativen Produktionen in ländlichen Gebieten mit schlechter Internetverbindung definitiv verbessert."
Bislang konnte Pwani FM nur eingeschränkt genutzt werden, da das Team die Software in der Beta-Phase testete. Es wird sie freuen zu hören, dass nun die vollständige Colmena-Software verfügbar ist, die nun skalierbar ist und eine neue, handlichere Benutzeroberfläche hat.
Der Quellcode von „Colmena” ist frei verfügbar
Wer Interesse hat, den digitalen Newsroom auf einem Server zu installieren, kann den gut dokumentierten Quellcode kostenlos von Gitlab herunterladen.
Parallel dazu hosten die DW Akademie und ihre Partner „Colmena“ als verlässlichen Service („SaaS“), um interessierten Medienhäusern den Zugriff zu ermöglichen.
„Wir sind bereit, in den nächsten Tagen und Wochen neue Nutzende aufzunehmen“, sagt Neto Licursi von der argentinischen Kooperative Cambá, der die Entwicklung und Pflege des Projekts leitet. Der Dienst wird Mitarbeitenden der DW Akademie und ihrer Partner für Trainings und Medienentwicklungsprojekte zur Verfügung stehen. Aber auch andere Medien können Konten beantragen.
„Mit Colmena haben wir uns für einen Open-Source-Ansatz entschieden, denn solche Tools können nur dann nachhaltig sein, wenn sie als offene Innovation konzipiert sind und gepflegt werden“, sagt David Olmos, Head of South America bei der DW Akademie. „Deshalb feiern wir zusammen mit der Einführung der Software auch den Start des Colmena-Partnerkonsortiums.“
Olmos zeigte sich erfreut darüber, dass alle vier Organisationen beschlossen haben, ihre Zusammenarbeit durch die Gründung eines Konsortiums zu formalisieren, um den Quellcode zu pflegen und lokalen und Community-Medien die Möglichkeit zu geben, über die „SaaS“ auf die Software zuzugreifen.
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Ein Blick in den Bienenkorb: Wie Community-Medien aus Lateinamerika und Afrika mit der Colmena-App arbeiten
Gemeinsam stark: Pod´Da-lhe, Brasilien
Die Podcast-Initiative Pod’Da-lhe des brasilianischen Colectivo Jovem Tapajônico, beschäftigt sich mit Themen rund um den Erhalt des Regenwaldes. Sie nutzen das Audio-Aufzeichnungstool von Colmena für ihre Interviews mit Frauen und jungen Indigenen, um so über das Miteinander in den Flussgemeinschaften zu reflektieren. Gleichzeitig werden die Inhalte im Handumdrehen mit anderen Communitys geteilt.
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Investigativ, divers, feministisch: Muy Waso, Bolivien
Muy Waso ist das erste Online-Magazin seiner Art in Bolivien und erreicht mit seinen Berichten und Podcasts ein breites Publikum über die Landesgrenzen hinaus. Colmena bündelt die nötigen Arbeitsschritte: Artikel verfassen, Audios aufnehmen und im Team bearbeiten. Das ermöglicht eine breite Teilhabe und Diversität – für Mitbegründerin Michelle Nogales "die Zukunft des Journalismus".
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Eine Stimme für alle: La Voix du Paysan, Burkina Faso
Das Community-Radio La Voix du Paysan ist mehr als nur "die Stimme der Bäuerinnen und Bauern". Es ist zentrale Sammelstelle für Informationen aus der Region: Programm ist, was für die Landbevölkerung wichtig ist. Colmena sorgt nun dafür, dass das Themenspektrum erweitert werden kann: der Sender nutzt die App für den Materialaustausch und gemeinsame Produktionen mit dem Partnerradio Radio Vénégré.
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Jung und Alt "on air": Radio Vénégré, Burkina Faso
In Burkina Faso wird auch der Dorfchef (sitzend) zum Radiomacher: "Bei Radio Vénégré werden unsere Sendungen von allen mitgestaltet", sagt Programmleiterin Awa Ouedraogo. Weil der Audioschnitt bislang zu kompliziert ist, ist ihr die Entwicklung eines Schnittprogramms fürs Handy wichtig. Damit soll Colmena ermöglichen, Interviewausschnitte künftig besser über das mobile Internet teilen zu können.
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Gegen das Vergessen: Unión de Mujeres Aymaras del Abya Yala (UMA), Peru
"Wir wollen unsere Sprache erhalten," sagt Yeny Paucar. Die Frauen aus den Aymara-Gemeinden lernen seit 34 Jahren neue Kommunikationstechnologien zu nutzen, um ihrer Kultur weithin Gehör zu verschaffen. Das Radio spielt dabei eine zentrale Rolle. Paucar und ihre Kolleginnen nehmen mit Colmena die Geschichten der Menschen in ihrer Sprache auf, editieren und teilen sie – alles einfach mit dem Handy.
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Kirchenradio für alle: Radio Amani, Kenia
Der katholische Community-Sender Radio Amani will für alle Menschen in Nakuru County da sein und ihre Vielfalt spiegeln. Die im Programm zu hörenden Meinungen sind ebenso divers wie die Musik. Als Teil des Colmena-Netzwerkes können die Radiomacherinnen und -macher auf eine Datenbank mit lizenzfreier Musik zugreifen, die von Nutzenden bestückt und gepflegt wird.
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Ein Radio wie ein Blumenstrauß: Pwani FM, Kenia
Bei Pwani FM ist für alle was dabei: von Jugendsendungen, klassischen Nachrichtenprogrammen bis hin zu Bango Livemusik-Shows aus dem Studio – die Vielfalt kennt hier keine Grenzen. Genauso wie die Funktionen in Colmena, die das Team für Produktion und Kommunikation nutzt. Mit der einfachen Nutzung auf Kiswahili, können die Moderatoren Ken1GB und Gates Mgenge schnelle Absprachen treffen.
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Lokale Sprache im World Wide Web: Radio Ada, Ghana
Olivia Serwa Waree von Radio Ada in Ghana übersetzt täglich internationale Nachrichten in die lokale Sprache Dangme. "Ich möchte dabei vor allem den Bedürfnissen der Frauen aus den Gemeinden gerecht werden." Die Toolbox Colmena macht es für sie nun möglich, Inhalte gezielt auch in den Sozialen Medien zu veröffentlichen.
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Immer nah dran und vor Ort: Radio Nefzawa, Tunesien
Radio Nefzawa berichtet aus Kebili, einer abgelegenen Region Tunesiens, und experimentiert auch mit Videoformaten. Die Nachfrage nach unabhängigen Informationen ist groß. Um mit lokalen Bürgerreporterinnen und -reportern zusammenzuarbeiten, setzt der Sender Colmena ein. Der automatische Upload auf den Cloudserver macht es ihnen einfach, ihre Geschichten von vor Ort direkt mit dem Sender zu teilen.
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Offen für die Welt und neue Kanäle: Radio Sayaxché, Guatemala
Beim Lokalsender Radio Sayaxché ist das Interesse groß, mit Medien aus anderen Ländern Programme auszutauschen und neue Formate auf verschiedenen Kanälen auszuprobieren. Colmena ermöglicht allen Mitarbeitenden des Senders selbständig Inhalte zu erstellen, aber auch, sie mit dem Team zu teilen und gemeinsam daran zu arbeiten – und das trotz schlechtem Internetempfang im Amazonasgebiet.
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Impulse nach innen und außen: Radio Rahma, Kenia
Radio Rahma sendet live aus Mombasa und versorgt die Region mit aktuellen Podcasts. Colmena erleichtert dem Team die Arbeit und erfüllt den Wunsch, den Austausch von Wissen und Ideen zu fördern – nicht nur intern sondern auch mit anderen Radiostationen. Die Vernetzungsmöglichkeiten inner- und außerhalb der Region werden mit Colmena gestärkt und die digitale Zusammenarbeit erfährt neue Impulse.
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Ein Blick in den Bienenkorb: Wie Community-Medien aus Lateinamerika und Afrika mit der Colmena-App arbeiten
Ungehörtes erzählen: Podpreta, Brasilien
Im Norden Brasiliens nimmt Rejane mit ihren Kolleginnen Quezia, Lica und Janna Podcasts auf. Sie sind Podpreta und nutzen Colmena als ihr Produktionstool. Es hilft ihnen, sich besser zu koordinieren und auch virtuell zusammenarbeiten zu können. Mit der Audio-Aufzeichnungsfunktion geben sie den Stimmen schwarzer Frauen im Amazonasgebiet Raum und informieren so über wenig bekannte Lebensrealitäten.
„Wir glauben an das Potenzial von Colmena.“
In den kommenden Monaten wird sich das Konsortium darauf konzentrieren, sowohl den Kreis der Nutzenden auszubauen, als auch Mittel für die Weiterentwicklung und den Aufbau regionaler Hubs zu beschaffen. Eine gemeinsame Vision von Medienunternehmen wie Muy Waso und Pwani FM ist die weitere Integration von Colmena in bestehende und neue Publikationsplattformen.
Und das Konsortium hat weitere, große Ziele: Wekesa träumt auch von einem gemeinsamen Raum, „um mit anderen Community-Radiosendern weltweit zusammenzuarbeiten.“
Das Team von Muy Waso stellt sich „eine Plattform vor, die Produktionen aus ländlichen und indigenen Gebieten ermöglicht und zu unseren Realitäten passt.“ Nogales sagt weiter, dass es ein großes Potenzial gebe, „Menschen mit leicht zugänglichen Low-Tech-Tools zusammenzubringen. Wir glauben an das Potenzial von Colmena.“
Wenn Sie mehr über Colmena erfahren möchten, nehmen Sie an der Online-Einführung am Donnerstag, den 11. April um 14 Uhr UTC hier teil.
Das Projekt wurde von der DW Akademie ins Leben gerufen und wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.