Ukraine: Hip Hip Hub! – Erfahrungen aus einem Jahr „Odesa Media Hub“ | Europa/Zentralasien | DW | 24.04.2020
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Europa/Zentralasien

Ukraine: Hip Hip Hub! – Erfahrungen aus einem Jahr „Odesa Media Hub“

Vor einem Jahr wurde Odessas erster Media Hub eröffnet. Wie baut man die eigene Community mithilfe von Media Hubs auf? Und was passiert mit dem Offline-Netzwerk während der Corona-Quarantäne?

Teilnehmende und Trainer der Summer School im Odesa Media Hub.

Teilnehmende und Trainer der vergangenen Summer School im "Odesa Media Hub".

In unserer zunehmend digitalen Arbeitswelt wirken Media Hubs auf den ersten Blick wie Relikte aus einer anderen Zeit: Welchen Mehrwert sollen echte Räume schon bieten gegenüber Videokonferenzen, E-Mails und Gruppenchats?

In der Ukraine macht die Public Media Academy (PMA) seit einem Jahr Erfahrungen mit einem solchen „echten“ Raum.  PMA ist das Trainingszentrum des DW-Akademie-Partners UA:PBC, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Ukraine. Ganz im Süden des Landes, in Odessa am Schwarzen Meer, wurde der „Odesa Media Hub“ als attraktiver und moderner Co-Working- und Veranstaltungsraum etabliert: Medienschaffende, Journalist*innen, Studierende, Aktivist*innen und Künstler*innen aus der Region können hier Trainings besuchen, Diskussionsrunden und Vorträge, interaktive Vorlesungen oder Filmvorführungen.

Stanislav Kalach, Leiter des Odesa Media Hub, gibt bei der Eröffnung am 25. April 2019 Interviews.

Stanislav Kalach, Leiter des "Odesa Media Hub", gibt bei der Eröffnung am 25. April 2019 Interviews.

Für Stanislav Kalach, Leiter des Hubs, und Valeriy Stoyanov, Hub-Koordinator, ist die kreative, freie Atmosphäre das Besondere. Im „Odesa Media Hub“ kann jede*r nicht nur Veranstaltungen besuchen, sondern auch eigene Ideen umsetzen: Vom Video-Blog – erstellt im Hub-eigenen Schnittraum mit digitaler Bibliothek und Mobile-Journalism-Ausrüstung – über Vorlesungen bis zu Diskussionsklubs oder Pressekonferenzen.

UA:PBC möchte mit dem „Odesa Media Hub“ zur Entwicklung freier Medien und Initiativen im Land beitragen, Zusammenarbeit fördern und so langfristig den Herausforderungen, denen Medien gegenüberstehen, gewachsen sein.  

Im Odesa Media Hub sind viele Veranstaltungsformate möglich: hier eine Filmvorführung unter freiem Himmel.

Im "Odesa Media Hub" sind viele Veranstaltungsformate möglich: hier eine Filmvorführung unter freiem Himmel.

Seit der Eröffnung des Hubs vor einem Jahr wachsen die Zahl der Teilnehmenden und das Angebot an Veranstaltungen kontinuierlich: Mehr als 60 Events und fast 1.700 Besucher*innen sind ein guter Beleg dafür. „Ein typischer Besucher des Hubs ist ein aktiver Medienschaffender, der diesen Beruf nicht zufällig ausgewählt hat, der seinen Job mag und ganz aktiv soziale Netzwerke nutzt“, sagt Stanislav Kalach. Eine weitere Gruppe sind Studierende, die neugierig sind und immer nach Möglichkeiten zum Netzwerken suchen. Außerdem funktioniert der Hub wie ein Stellenmarkt, bei den Veranstaltungen kann man potenzielle Arbeitgeber treffen.

„Third space“ – ein Ort zwischen Zuhause und Büro

Der „Odesa Media Hub“ ist ein Ort, der gewissermaßen die Vorzüge von sozialen Netzwerken in die Offline-Realität übersetzt. Dahinter steht das Konzept vom sogenannten „dritten Ort“ – „third space“. Es kommt aus der Soziologie und bezeichnet einen gemeinsamen Raum, der sich unterscheidet von Wohnraum und Arbeitsplatz. Dieser Ort ist Co-Working-Space und Kulturzentrum zugleich und bietet sowohl Gelegenheiten, online an eigenen Projekten zu arbeiten, als auch jederzeit mit „Mitbewohnern“ offline interagieren zu können. Die „Mitbewohner“ eines „third space“ lernen mit- und voneinander, tauschen sich aus, mobilisieren und sensibilisieren einander.

Der „Odesa Media Hub“ in der Corona-Quarantäne

Der Ausbruch und die rasante Verbreitung des Coronavirus stellen dieses Offline-Konzept von Zusammenarbeit nun vor große Herausforderungen. Während der Quarantäne existiert der „Odesa Media Hub“ nur online – und nutzt die Gelegenheit zur Vernetzung über Odessa hinaus. Journalist*innen und Aktivist*innen versammeln sich online und tauschen sich aus zur journalistischen Arbeit in Covid-19-Zeiten in der Ukraine, in Europa und den USA; sie teilen Erfahrungen im Umgang mit Falschmeldungen und Desinformation sowie Erkenntnisse zum Medienkonsum in der Corona-Krise. Die Möglichkeit, online zusammen zu kommen, sichert die Nachhaltigkeit des Hubs, solange er als Co-Working Space und Offline-Trainingszentrum nicht genutzt werden kann.

Und nach der Krise? Werden „third spaces“ immer noch nachgefragt werden, nachdem immer mehr Menschen die Vorteile der Arbeit von Zuhause auskosten durften? „Von zu Hause kann man nicht immer gut arbeiten – es gibt zu viel Ablenkung“, sagt Stanislav Kalach. „Der Hub bietet außerdem abwechslungsreiche Arbeitsplätze an: drinnen und draußen im Garten. Für viele ist auch die Möglichkeit wichtig, hier Equipment zu testen – wie die Probefahrt beim Autokauf. Wir haben zum Beispiel Kameras und Mobile-Reporting-Sets.“

Der Hub bietet Medienschaffenden unter anderem die Gelegenheit, teure Ausrüstung wie Drohnen zu testen.

Der Hub bietet Medienschaffenden unter anderem die Gelegenheit, teure Ausrüstung wie Drohnen zu testen.

Der Leiter der Public Media Academy, Olexandr Dmytrenko, ist ebenfalls sicher, dass Orte wie der „Odesa Media Hub“ ihre Attraktivität nicht einbüßen werden: „Die Online-Aus- und Weiterbildung wird gestärkt, aber Offline-Angebote werden noch stärker“, prophezeit er.

In der Corona-Krise finden die Angebote des Odesa Media Hubs ausschließlich online statt - die Räume sind vorübergehend verwaist.

In der Corona-Krise finden die Angebote des "Odesa Media Hubs" ausschließlich online statt - die Räume sind vorübergehend verwaist.

Nach einer langen Phase mit vielen digitalen Angeboten und Lösungen würden sich die Teilnehmenden von Online-Trainings wünschen, wieder mit Trainer*innen und anderen Lernenden direkt zu kommunizieren zu können – und nicht mehr ständig auf der eigenen Couch zu sitzen.

„Für die Besucher ist die Atmosphäre des Hubs sehr wichtig“, ergänzt Dmytrenko „und hier geht es nicht um die neugestrichenen Wände, sondern das Charisma der Menschen, die in diesen Räumen arbeiten, Veranstaltungen organisieren und daran teilnehmen. Die Besucher suchen hier nach Emotionen und erst danach nach Inhalten. Die Inhalte allein kann man jetzt auch überall online finden”.

 

So funktioniert die Kommunikation mit der Community. Tipps von Stanislav Kalach, Leiter des Odesa Media Hub:

  • Fördern Sie Ko-Kreation und Kollaboration! Bieten Sie Hub-Besucher*innen Möglichkeiten, interdisziplinär gemeinsame Interessen zu verfolgen.
  • Bieten Sie Gelegenheiten, den Arbeitsfokus zu erweitern, zum Beispiel mit neuen Formaten und Themen.
  • Regen Sie Diskussionen an.
  • Machen Sie den Hub-Besucher*innen auch Angebote zu „Nischenthemen“ – so lassen Sie niemanden außen vor und eröffnen Blicke über den Tellerrand.
  • Beziehen Sie bei der Auswahl Trainer*innen und Vortragenden auch immer die jeweilige Persönlichkeit mit ein. Auch persönliche Geschichten von Erfolgen und Misserfolgen können Veranstaltungen bereichern.
  • Verzichten Sie auf eine aggressive PR-Kampagne und Überheblichkeiten wie „Wir zeigen Euch jetzt, wie man in den Medien arbeitet!“. Für ein gutes Verhältnis mit der Community braucht es Kommunikation auf Augenhöhe.
  • Befragen Sie die Hub-Besucher*innen zu ihrem Online-Verhalten in der Corona-Krise und ihren Bedürfnissen – und nutzen Sie die Erkenntnisse für die weitere Planung im Hub.


Für September 2020 ist die Eröffnung eines neuen Hubs geplant: Der „Kyiv Radio Hub“ in der Nähe des Maidan-Platzes in der ukrainischen Hauptstadt soll neben einem klassischen Co-Working-Space unter anderem ein Radio- und Podcast-Studio beherbergen.

 


Die Media Hubs in der Ukraine sind Teil eines Projekts zur Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Ukraine, finanziert von der Europäischen Union und dem Auswärtigen Amt. Die DW Akademie unterstützt gemeinsam mit BBC Media Action den Wandel des ukrainischen Staatssenders UA:PBC zu einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt. Ein Hauptziel des Projekts ist der Aufbau eines digitalen und multimedialen Newsrooms und eines Trainingszentrums, der Public Media Academy (PMA).

 

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