Nigeria: "Für viele Bürgerinnen und Bürger klingt der Klimawandel immer noch wie 'Raketenwissenschaft'" | Afrika | DW | 13.04.2023
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Interview

Nigeria: "Für viele Bürgerinnen und Bürger klingt der Klimawandel immer noch wie 'Raketenwissenschaft'"

Nigerias Wirtschaft und Bevölkerung wachsen stetig, dabei rücken auch Fragen zur Entwicklung des Landes in den Vordergrund. Dies sollte Hand in Hand mit der Sorge um die Umwelt gehen, so die Journalistin Janet Ogundepo.

Janet Ogundepo ist eine junge Journalistin aus Lagos, Nigeria, der das Thema Klimawandel besonders am Herzen liegt. Sie hat einen ausgeprägten Sinn für soziale Gerechtigkeit und ist besorgt über die Auswirkungen der Umweltzerstörung auf verletzliche Bevölkerungsgruppen wie Frauen, Kinder und ältere Menschen. 

Als sie ihr Journalismusstudium begann, hoffte Ogundepo, Radiomoderatorin oder Nachrichtensprecherin zu werden. Doch bald merkte sie, dass sie lieber den Menschen zuhören und die Geschichten recherchieren wollte, die ihr Leben direkt betreffen. Vor kurzem absolvierte sie ein fünfmonatiges Climate Change Journalism Fellowship der Media Foundation for West Africa, einem Partner der DW Akademie. Mit der DW Akademie sprach sie über die Berichterstattung zum Klimawandel in Nigeria  – Afrikas bevölkerungsreichstem Land und größtem Erdölexporteur. 

Klimawandel-Journalismus-Stipendiaten besuchen die Zentrale der DW Akademie

Ogundepo (vierte von links) und die anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten besuchten das Büro der DW Akademie in Accra, Ghana

DW Akademie: Welche Geschichten über Umweltthemen in Nigeria müssen Ihrer Meinung nach erzählt werden?  

Janet Ogundepo: Die nigerianische Hauptstadt Lagos ist  eine verrückte Stadt, es gibt dort viel Trubel gibt und jeder macht sein eigenes Ding. In einer meiner ersten Umwelt-Reportagen ging es um die Handelsaktivitäten auf einer Mülldeponie im Bundesstaat Lagos. Die Menschen betreiben dort Geschäfte und verkaufen Lebensmittel – auch Kinder und ältere Menschen. Gerade sie sollten sich dort nicht aufhalten, weil es schlecht für ihre Gesundheit ist. Aber viele haben keine andere Wahl – sie müssen auf der Deponie arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, auch wenn es gefährlich ist. 

Eine Mülldeponie im Bundesstaat Lagos. Eine übermäßige Belastung durch Mülldeponien wie diese ikann sich negativ auf die Gesundheit auswirken, so Ogundepo

Eine Mülldeponie im Bundesstaat Lagos. Eine übermäßige Belastung durch Mülldeponien wie diese ikann sich negativ auf die Gesundheit auswirken, so Ogundepo

Vor kurzem habe ich auch einen Artikel über die Verwendung von Benzin- und Dieselgeneratoren in Nigeria veröffentlicht. Die meisten Menschen hier haben einen Benzingenerator, weil es immer wieder Probleme mit der Stromversorgung gibt. Es gibt viele Stromausfälle und 62 Prozent der Bevölkerung haben keinen Zugang zum Stromnetz. Nur sehr wenige Menschen sind auf Solarenergie umgestiegen, weil diese immer noch recht teuer ist. Benzin- und Dieselgeneratoren sind also immer noch die erste Wahl, wenn der Strom ausfällt. Aber ihre Abgase können tödlich sein. 

Generatoren für die Beleuchtung in einem Einkaufszentrum in Lagos. Dieselgeneratoren werden in Nigeria regelmäßig bei Stromausfällen eingesetzt.

Dieselgeneratoren werden in Nigeria regelmäßig bei Stromausfällen eingesetzt

Wie wirkt sich der Klimawandel insgesamt auf das Land aus?  

Durch das [Climate Change Journalism Fellowship] habe ich gesehen, welche größeren Auswirkungen die Umweltprobleme haben. Die Ölförderung in der südlichen Region des Landes trägt zum Beispiel auch zu den Klimaveränderungen bei. Wir haben steigende Temperaturen, intensive und unzeitgemäße Regenfälle, Überschwemmungen, Dürren und in einigen Gebieten sauren Regen. Wenn keine Anstrengungen unternommen werden, die Umwelt zu schützen, werden die Auswirkungen noch viel größer werden. 

Wie wirkt sich der Klimawandel noch auf das Leben der Menschen in Nigeria aus?  

Alle sind von Ereignissen wie Überschwemmungen betroffen, und in den Jahren 2020 und 2022 mussten viele Menschen ihre Häuser verlassen. Zentren der Nahrungsmittelproduktion wie Reisanbaugebiete waren stark betroffen und wurden beschädigt. Der Klimawandel betrifft Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen noch stärker: Frauen blieben bei ihren Kindern. Wenn die Schulen überflutet wurden, konnten die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Bäuerinnen konnten nicht mehr arbeiten und somit auch kein Einkommen erzielen. 

Inwiefern helfen Geschichten über diese Schicksale einzelner bei der Umweltberichterstattung?

Sie bringen das Thema näher an die Menschen heran. Im Moment bringen die Menschen die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, nicht mit dem Klimawandel in Verbindung. Zum Beispiel haben die gestiegenen Temperaturen, der frühzeitige und intensive Regen und Insektenplagen mit dem Klimawandel zu tun. 

Doch für viele Bürgerinnen und Bürger klingt der Klimawandel immer noch wie “Raketenwissenschaft” oder wie etwas aus einem Science-Fiction-Film. Sie können keinen Bezug dazu herstellen, wie er ihre täglichen Aktivitäten und ihr Leben beeinflusst. 

Ich arbeite gerade an einer Geschichte, die den Menschen die Bedeutung der Bäume näherbringt – wie sie helfen, Kohlenstoff zu binden und Sauerstoff freizusetzen. Ich möchte zeigen, dass es bei Bäumen um mehr geht als nur um das Abholzen. Als Journalistinnen und Journalisten sollten wir einen alltäglichen Wortschatz verwenden, um über den Klimawandel zu sprechen. Ich denke auch darüber nach, eine Kolumne zu schreiben, in der ich den Klimawandel in einfacher Sprache  erkläre. 

 

Janet Ogundepo ist Stipendiatin des Climate Change Journalism Fellowship der Media Foundation West Africa in Zusammenarbeit mit der DW Akademie. Im Rahmen des fünfmonatigen Programms wurden zehn Journalistinnen und Journalisten aus zehn westafrikanischen Ländern darin geschult, wie sie über den Klimawandel berichten können. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. 

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