Es war die erste Delegation aus der Mongolei, die an der Global Investigative Journalism Conference teilnahm. Hier stellte Munkhmandakh Myagmar ein gemeinsames Projekt von Press Institute of Mongolia und DW Akademie vor.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Kind in einem Süßigkeitenladen stand: Geblendet von bunten Bonbonpapieren, der Mund wässrig allein durch den Anblick der Köstlichkeiten. Das mag ein etwas merkwürdiger Vergleich sein, aber die Global Investigative Journalism Conference (GIJC), die im Oktober in der norwegischen Stadt Lillehammer stattfand, hat in mir eben dieses Gefühl hervorgerufen: Hunderte von Themen in verschiedenen Facetten, dazu die große Vorfreude auf spannende Menschen, die dieses Programm so interessant machen. Kein Wunder, dass ich mich also wie ein Kind in einem Süßigkeitenladen gefühlt habe.
Viele Länder wie Aserbaidschan, Mexiko, Algerien oder die Philippinen kämpfen mit eingeschränkter Pressefreiheit - und dennoch erzählten die teilnehmenden Journalisten, wie lebendig Investigativjournalismus in ihren Ländern ist. Warum hat das bisher in der Mongolei nicht geklappt? Die Rahmenbedingungen in meinem Land sind sogar gar nicht einmal so schlecht, verglichen mit anderen Ländern, in denen Menschenrechte viel gravierender verletzt werden. Trotzdem setzen Reporter aus repressiven Regimen ihr Leben aufs Spiel, veröffentlichen bahnbrechende Geschichten und decken Missstände.
Die Mongolei ist eines der friedlichsten Länder der Welt. Die Nichtregierungsorganisation Freedom House bewertet es in Bezug auf politische und bürgerliche Rechten fortlaufend als ein freies Land. Die Rahmenbedingungen können also nicht das Problem sein, warum es bislang an investigativen Journalisten mangelt.
Was braucht es für Investigativjournalismus?
"Investigative Berichterstattung funktioniert nicht in allen Entwicklungsländern", sagte Sheila Coronel, Gründungsmitglied des philippinischen Zentrums für Investigativen Journalismus und derzeit Dekanin der Colombia Journalism School, in einem Interview. Das liege an dem schlechten Zustand der Medienstrukturen, fehlender Unabhängigkeit der lokalen Medien, dem geringen Level professioneller Standards, unzureichender Mediengesetzgebung und mangelhaftem Informationszugang.
All diese Faktoren treffen auch auf die Mongolei zu. Druck von politischer und finanzieller Seite untergräbt die Unabhängigkeit der Redaktionen, Machthaber schüchtern Journalisten mit strafrechtlichen Verfahren ein. Der Schutz von Informanten ist rechtlich nicht gewährleistet und der Zugang zu staatlichen Informationen stark eingeschränkt. Zwar können mongolische Journalisten Berichte veröffentlichen, die auf tiefgehender Recherche basieren und ernsthafte Probleme wie beispielsweise Korruption oder Umweltprobleme behandeln. Aber die meisten dieser Geschichten basieren auf anonymen Quellen, nicht verifizierten Dokumenten oder Gerüchten.
Motor für Medienwandel
In Lillehammer hatten wir erstmalig die Möglichkeit, auf einer internationalen Konferenz unsere Erfahrungen zu diskutieren. Bei einer Panelsession waren wir uns schnell einig: Ein starkes Zentrum für Investigativjournalismus kann eine wichtige Rolle dabei einnehmen, Medien in Transformationsländern zu reformieren. Unser Press Institute of Mongolia (PIM) konnte die Entwicklung der mongolischen Medientransformation bislang entscheidend voranbringen. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus war es unser Institut, das die Prinzipien für objektiven und unabhängigen Journalismus für die mongolische Medienbranche einführte.
Außerdem waren wir auch die erste Einrichtung, die sich statt der bislang rein theoretischen Journalistenausbildung für praxisorientierte Trainings einsetzte. Bis heute sammeln wir statistische Mediendaten, um damit Entwicklungstrends transparenter zu machen.
Global Investigative Journalism Conference - in diesem Jahre erstmalig mit Teilnehmern aus der Mongolei
In der Mongolei haben wir bisher keine Tradition für einen investigativen Journalismus. Die professionellen Standards im Journalismus sind ungenügend und unsere Regierung zeigt sich nicht gerade tolerant, wenn sie in den Medien kritisiert wird. Trotzdem ist es ein großer, nicht selbstverständlicher Vorteil, eine starke, unabhängige und professionelle Organisation zu haben, die in der Lage ist, den Medienentwicklungsprozess aktiv mit zu gestalten.
Dabei wird das PIM von internationalen Medienentwicklungsorganisationen unterstützt. Die aktuelle Initiative der DW Akademie zur investigativen Berichterstattung gehört dazu. Für das PIM ist es ein seltenes Privileg, ihre Lehrer bei weltweit renommierten investigativen Journalisten ausbilden und betreuen zu lassen. Die DW Akademie macht dies möglich und hilft auch bei der Entwicklung von neuen Lehrplänen, die internationalen Standards entsprechen und an mongolische Verhältnisse angepasst werden. Im Ausbildungszeitraum entstehen auch investigative Rechercheprojekte zu sozialen und wirtschaftlichen Themen.
Dieses neue Verständnis meines Instituts hilft mir, die anderen Konferenzteilnehmer in Lillehammer mit neuen Augen zu sehen. Nun ist es an der Zeit, mehr Süßigkeiten zu kaufen - und die Geschenke der großartigen Menschen, die diese Konferenz eine so lohnenswerte Veranstaltung gemacht haben, zu genießen.
Munkhmandakh Myagmar ist Geschäftsführerin des Press Institute of Mongolia. Die Nichtregionierungorganisation setzt sich für die Entwicklung unabhängiger Medien und die Professionalisierung von Medienmachern und -entscheidern ein. Munkhmandakh studierte Journalimus und promovierte an der Universität Leipzig in Medien- und Kommunikationswissenschaft.
Das Projekt "Investigativer Journalismus in der Mongolei", eine Kooperation der DW Akademie und dem Press Institute of Mongolia, wurde im Oktober auf der Global Investigative Journalism Conference im norwegischen Lillehammer vorgestellt. Dabei geht es um die Entwicklung von Curricula für Investigativjournalismus, die in die Bachelor und Diploma Programme des PIM integriert werden sowie Weiterbildungsmaßnahmen für berufstätige Journalisten. Internationale Experten entwickeln Unterrichtsmaterialien und trainieren mongolische Lehrer aus Ulan Bator und aus den ländlichen Provinzen, investigativen Journalismus künftig in der Mongolei zu unterrichten. Das Projekt läuft von 2015 bis 2017 und wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.