Mongolische Journalisten sprechen von einer historischen Entwicklung im Mediensektor: In einer landesweiten Initiative wurde der erste unabhängige Medienrat der Mongolei gegründet. Die Erwartungen sind hoch.
Der Ausschussleiter Shirchin Shukhbaatar eröffnet die Medienratssitzung. Vor ihm liegt die Tagesordnung. Die neugewählten Mitglieder sitzen an einem runden Tisch und diskutieren die Beschwerdefälle: Ist die Beschwerde begründet? Gegen welche Ziffer des Mongolischen Medienkodex verstößt sie? Welche Maßnahmen werden beschlossen?
Noch ist alles eine Übung, die Beschwerdefälle sind fiktiv, die Teilnehmer proben eine Ausschusssitzung mit der DW Akademie unter Anleitung des Experten Manfred Protze vom Deutschen Presserat. Doch in diesen Tagen folgt die Feuertaufe. Der Medienrat tagt hinter verschlossenen Türen und behandelt die ersten Fälle, die von der Bevölkerung eingereicht wurden. In Beschwerden können Leser und Zuschauer ihrem Ärger Luft machen, wenn ein journalistischer Beitrag beispielsweise Persönlichkeitsrechte verletzt oder diskriminiert. Entscheidungsgrundlage für den Medienrat sind die journalistisch-ethischen Grundregeln des Medienkodex, der kürzlich verabschiedet wurde. "Wir schaffen eine neue Kultur im mongolischen Mediensektor", sagt Shukhbaatar. "Ich freue mich, dass ich dazu einen Beitrag leisten kann. Aber ich habe auch Respekt vor dieser Aufgabe."
Einigung auf ein gemeinsames Ziel
Wie soll sich die Geschäftsstelle organisieren? Manfred Protze vom Deutschen Presserat berät bei der Erstellung von Aktenzeichen
Der Mongolische Medienrat besteht aus zwei Beschwerdeausschüssen. Ein Ausschuss ist für Print- und Onlinemedien zuständig, ein weiterer für Fernsehen und Radio. In jedem Ausschuss sitzen 15 Mitglieder. Gunjidmaa Gongor, Geschäftsführende Direktorin des Press Institute of Mongolia, ist Vorstandsmitglied des Medienrates. Sie hat den Gründungsprozess von Beginn an mitgestaltet, ein Kraftakt: "Viele Leute haben nicht daran geglaubt, dass sich die Initiatorengruppe des Medienrates mit den wichtigsten Journalistenvereinigungen des Landes jemals einigen wird. Am Ende haben wir es dennoch gemeinsam geschafft." Mit Unterstützung bedeutender Journalisten, Führungskräfte und Medienunternehmer habe man sich erstmalig in der Mongolei auf das Ziel einigen können, "ein Organ der Medienselbstregulierung zu gründen, jenseits politischer und finanzieller Interessen."
Die DW Akademie hat auf Wunsch der mongolischen Initiatorengruppe den Gründungsprozess seit Januar 2014 mit journalistischer Expertise und Fachberatung unterstützt. "In diesem Prozess war es entscheidend, dass wir uns mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ulan Bator und den mongolischen Nichtregierungsorganisationen Press Institute of Mongolia, Globe International und der Mongolischen Journalistenvereinigung abstimmen konnten", so Eva Mehl, Ländermanagerin der DW Akademie. Bei den Beratungen standen und stehen immer wieder praktische Übungen und Erfahrungswerte aus unterschiedlichen Ländern im Fokus. "Neben Manfred Protze vom Deutschen Presserat hat auch Ljiljana Zurovac vom Presserat Bosnien und Herzegowina die mongolischen Journalisten trainiert. Ein großer Gewinn: So konnte sie anhand des Transformationsprozesses in ihrem Land tiefgreifende Erfahrungen zur Medienselbstregulierung beisteuern."
Einschränkung der Pressefreiheit
Mitglieder des neugegründeten Mongolischen Medienrates vor dem Press Institute of Mongolia (PIM) in Ulan Bator
In der Mongolei hat der Wandel hin zu Demokratie und Markwirtschaft einen regelrechten Medienboom ausgelöst. Derzeit versorgen rund 500 Medien eine Bevölkerung von nur knapp drei Millionen. Doch die Meinungs- und Pressefreiheit ist durch Korruption und politische Einflussnahme eingeschränkt. Verleumdungsklagen gegen Journalisten nehmen zu, ebenso die Selbstzensur. Seit 2012 wurden laut Erhebung der mongolischen Nichtregierungsorganisation Globe International 172 Webseiten gesperrt. Neuerdings müssen sich außerdem Webseiten mit mehr als 3.000 monatlichen Besuchern registrieren und eine von der Regierung verordnete Filtersoftware einsetzen, die mehr als hundert "verbotene Wörter" zensiert. Auch Journalisten verhindern durch Sensations-Berichterstattung, Missachtung ethischer Grundsätze und mangelnder Sorgfalt, dass sich die Menschen korrekt und vielfältig informieren können.
Wunsch nach unabhängigen Gremium
Viele mongolische Journalisten setzen ihre Hoffnung jetzt in den neugegründeten Medienrat, der künftig als Garant für Medienfreiheit fungieren soll. "Wir können mit dem Medienrat ein gesundes Umfeld für die Medienlandschaft in der Mongolei schaffen", so Gunjidmaa Gongor. "Der Medienrat wird einen positiven Effekt auf die Qualität des Journalismus haben. Um das zu erreichen, haben wir große Aufgaben zu bewältigen. Vor allem müssen wir das Vertrauen der Medien und der Gesellschaft gewinnen."
Die neugewählten Mitglieder des Medienrates wollen im nächsten Schritt mit Beratung der DW Akademie und anderen Kooperationspartnern die Mongolen noch besser über Medienselbstregulierung aufklären. "Besonders die ländliche Bevölkerung ist wenig informiert. Viele haben gehört, dass es den Medienrat gibt. Aber was es damit auf sich hat? Das müssen wir jetzt erklären", so die Online-Redakteurin Bolortulga Erdenebileg, die für den öffentlich-rechtlichen Sender Mongolian National Broadcaster (MNB) arbeitet und vom Verband der Onlinemedien in den Medienrat gewählt worden ist. Ziel ist es, dass sich der Medienrat zu einem unabhängigen und glaubwürdigen Gremium entwickelt, das bei Journalisten, Medien, Zivilgesellschaft und Regierung gleichermaßen Beachtung findet.
Die DW Akademie wird den Mongolischen Medienrat vorerst bis 2017 unterstützen. Finanziert wird das Langzeitprojekt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ).