Social Media-Analysen bei 42 Grad: Das Kommunikationsteam des kambodschanischen Frauenministeriums lernte eine Woche lang, wie man prägnante Texte für Social Media schreibt und kurzweilige Internet-Videos dreht.
"Bloß nichts über Algorithmen!", das war zu Beginn des Trainings im schwül-heißen Phnom Penh die größte Befürchtung der Teilnehmerin Tim Pich Kessey. Bei der Social Media-Plattform Facebook entscheidet der berüchtigte Algorithmus darüber, welche Beiträge im "Newsfeed", der Liste der Neuigkeiten, auftauchen - oder eben auch nicht. Nur wer ihn durchschaut und für die eigenen Zwecke zu nutzen weiß, wird richtig wahrgenommen. Bevor es an die komplexen Feinheiten des Facebook-Innenlebens ging, lernten die Teilnehmer erst einmal ganz grundsätzlich die Besonderheiten der Kommunikation in sozialen Netzwerken kennen: Wie schreibt man einen guten Teaser, also einen kurzen Text, der zum Weiterklicken animiert? Welche Rolle spielen Fotos, und wie geht man mit unfreundlichen Kommentaren um?
Interaktiv und praxisnah
"Einige waren schon ziemlich erfahren und wussten, wie Nutzer von sozialen Netzwerken ticken", so Julia Bayer, Social Media-Trainerin der DW Akademie. "Anderen mussten wir erst einmal ein grundlegendes Wissen darüber vermitteln, wie man fürs Internet schreibt." Wie immer bei den Trainings der DW Akademie ging es darum, möglichst schnell in die praktischen Übungen einzusteigen, also erste Facebook-Postings zu formulieren und passende Bilder auszuwählen. "Die Teilnehmer waren ziemlich überrascht, dass unser Training so interaktiv ist und sie von Anfang an alles selbst ausprobieren konnten", berichtet Bayers Trainerkollegin Miriam Klaussner. "Für unsere Übungen haben wir das Thema sexuelle Belästigung gewählt - ein ernsthaftes Problem für Frauen in Kambodscha. Da waren alle auch inhaltlich sofort am Ball."
Transmissionsriemen für Frauenthemen
Ein professioneller und inhaltlich überzeugender Facebook-Auftritt wird in Kambodscha immer wichtiger. "Die Nutzerzahlen bei dem sozialen Netzwerk sind in den vergangenen Jahren geradezu explodiert", erklärt Sabina Casagrande, Ländermanagerin für Kambodscha der DW Akademie. Diskussionen über gesellschaftliche oder politische Themen hätten sich mehr und mehr ins Internet verlagert - nicht zuletzt weil es ein wichtiger Ort ist, wo Meinungen relativ frei diskutiert und kommentiert werden können. Denn Online-Medien werden von der kambodschanischen Regierung bisher vergleichsweise wenig kontrolliert.
Umso entscheidender ist es, dass das Kommunikationsteam des Frauenministeriums die Möglichkeiten des sozialen Netzwerks künftig effektiver nutzen können. Ein wichtiges Ziel der Länderstrategie der DW Akademie für Kambodscha ist es, den Zugang zu relevanten Informationen vor allem für Frauen zu stärken. Das Gewaltniveau in der kambodschanischen Gesellschaft ist hoch - eine Folge der traumatischen Ereignisse der Kriegsjahre und der Gewaltherrschaft der "Roten Khmer". Häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen sind allgegenwärtig, und die meisten Frauen sind sich ihrer Rechte nicht bewusst. Frauen würden in den Massenmedien oft abwertend dargestellt, so Sabina Casagrande, Übergriffe gegen Frauen in der Öffentlichkeit verharmlost. "Aber jetzt entsteht eine ganz neue Generation von Frauen und Männern, die man dort erreichen muss, wo sie nach Informationen suchen - nämlich im Internet."
Neu kommunizieren
Für Daniela Wiesler, Leiterin des Medientrainings, ist das Training im Frauenministerium ein gutes Beispiel dafür, wie fruchtbar und wichtig die Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche der DW Akademie ist: "Für die Demokratieentwicklung in einem Land wie Kambodscha ist eine vielfältige Medienlandschaft mit unabhängigen Journalisten immens wichtig. Aber es braucht auch Regierungsstellen, die bereit und auch in der Lage sind, die Öffentlichkeit über wichtige Dinge zu informieren."
Bisher fehlt es an einer konstruktiven Arbeitsbeziehung zwischen der Regierung und den Medien in Kambodscha. Umso wichtiger war es, alle Hierarchieebenen im Frauenministerium gemeinsam zu trainieren und ihnen neue Formen der Internetkommunikation näher zu bringen. So zum Beispiel "Mobile Reporting", bei dem auf dem Smartphone kleine Videos zu einem bestimmten Thema gedreht und anschließend direkt im Netz hochgeladen werden. Für Rodrigo Montero Cano, Kommunikationsberater bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Kambodscha, die das Training mit organisiert hat, war das Social Media-Training deshalb ein voller Erfolg. "Die Teilnehmer haben einen guten Überblick über die wichtigsten Möglichkeiten der Online-Kommunikation bekommen. In Zukunft werden sie ihre Stärken besser einschätzen können, aber auch wissen, wo sie ihre Fähigkeiten noch weiter entwickeln müssen."
Am Ende hat sich Teilnehmerin Tim Pich Kessy auch mit dem Facebook-Algorithmus angefreundet: "Ich habe ihn sogar richtig lieben gelernt - weil ich jetzt verstanden habe, wie ich ihn für meine Arbeit nutzen kann!"
Die DW Akademie verfolgt in Kambodscha das Ziel, Jugendlichen und Frauen den Zugang zu Informationen zu erleichtern, um ihnen so eine bessere Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Diskussionen zu ermöglichen. Innerhalb der streng kontrollierten Medienlandschaft Kambodschas spielt die Kommunikation in sozialen Medien eine besondere Rolle. Die Trainings der DW Akademie, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert werden, zielen darauf ab, die Medienkompetenz zu stärken und darauf hinzuarbeiten, dass das Internet nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern als Informationsquelle genutzt wird.