Kambodscha entwickelt sich in rasantem Tempo, der Zugang zu verlässlichen Informationen jedoch bleibt eine Herausforderung. Penhleak Chan erklärte auf dem GMF, wie eine Online-Plattform für mehr Transparenz sorgt.
"In meinen Augen ist Datenjournalismus eine neutralere Art und Weise der Recherche", sagt Penhleak Chan, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Open Development Cambodia
Penhleak (Pinkie) Chan arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Open Development Cambodia (ODC), einer Open Data-Plattform, die öffentlich zugängliche Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Kambodschas sammelt und online zur Verfügung stellt. Für die DW Akademie trainierte Chan Anfang des Jahres einen Workshop zu Datenjournalismus in Phnom Penh. Beim DW Global Media Forum 2014 (GMF) sprach sie über Auswirkungen von Open Data auf die kambodschanische Zivilgesellschaft.
Welche Bedeutung hat das Open Data-Projekt Ihrer Organisation für Kambodscha?
Penhleak Chan: Über Entwicklungsprojekte gibt es in meinem Land bislang wenig Informationen - weder über die Art der Projekte noch über die Entscheidungsprozesse, die dahinter stecken. Dieser Mangel an Informationen vergrößert die Kluft zwischen der armen Landbevölkerung und den reichen Investoren. Natürlich sind Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung wichtig für Kambodscha, da sie vielen Menschen eine Lebensgrundlage bieten. Aber die zentrale Frage bleibt: Wie nachhaltig ist diese Entwicklung und kommt sie auch wirklich den Ärmeren zugute? Immerhin machen sie den Großteil der Bevölkerung aus.
Wie schwierig ist es, diese Daten zu recherchieren?
Oftmals ist es wirklich schwierig. Es ist nach wie vor leichter, Informationen von zivilgesellschaftlichen Organisationen zu bekommen als von Regierungsbehörden. Hinzu kommt, dass die meisten Dokumente, die von der Regierung für die Öffentlichkeit freigegeben werden, nicht maschinenlesbar sind. Die Digitalisierung und Auswertung dieser Daten ist sehr zeitaufwändig. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Daten nicht immer mit den gängigen Informationen übereinstimmen. Von daher ist es wichtig, dass die Auswertung der Daten von neutralen und unabhängigen Teams geprüft wird. Ein Beispiel: Als wir Daten zur Kautschukverarbeitung in Kambodscha bei zwei unterschiedlichen Ministerien anfragten, erhielten wir Datensätze, die stark voneinander abwichen. Das ist nicht unüblich. Mittlerweile sind jedoch viele Organisationen und Institutionen bereit, bei der Sammlung und dem Abgleichen der Daten mit uns zu kooperieren. Ihnen ist bewusst geworden, dass nur durch eine Zusammenarbeit ein vollständiges Bild entstehen kann.
OCD wurde vor drei Jahren gegründet. Wie hat sich ihre Organisation seitdem entwickelt?
Wir bekommen immer mehr Anfragen von Studenten und Organisationen, die auf der Suche nach verlässlichen Informationen zu Entwicklungsthemen sind. Außerdem hat es positive Reaktionen von Naturschutzorganisationen gegeben, vor allem hinsichtlich der Nutzung von natürlichen Ressourcen. Vor kurzem haben wir ein neues Projekt zur Erfassung der Waldfläche in Kambodscha gestartet. Hier haben Akteure außerhalb der Regierung erstmalig einen wissenschaftlichen Ansatz angewendet, um die Veränderungen der gesamten Waldfläche zu verdeutlichen. Bestehende Annahmen konnten mit einfachen Zahlen widerlegt werden.
Wie können insbesondere die Medien in Kambodscha von Open Data profitieren?
Viele Medienunternehmen in Kambodscha haben enge Verbindungen zur Regierung. Zudem wird die Berichterstattung oftmals von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. In meinen Augen ist Datenjournalismus eine neutralere Art und Weise der Recherche. Und eine sicherere und viel überzeugendere Alternative, eine Geschichte zu erzählen.
Anfang des Jahres trainierten sie für die DW Akademie zum Thema Datenjournalismus. Was haben Sie den Teilnehmern vermitteln können?
Wir trainierten zwölf Teilnehmer, darunter Journalisten, Mitarbeiter aus dem Kommunikationsbereich sowie einen Journalistik-Professor. Sie alle hatten bislang keine Erfahrung mit Datenjournalismus oder der Nutzung öffentlich zugänglicher Informationen für datenbasierte Berichterstattung gemacht. Während des Workshops haben wir Datenvisualisierungen geübt und neue technische Möglichkeiten ausprobiert, wie man an ein Thema herangehen kann. Die Erfahrung war einzigartig, da es momentan keine andere Ausbildungseinrichtung in Kambodscha gibt, die Datenjournalismus anbietet.
Welche Erfahrungen konnten die Teilnehmer dabei machen?
Wir alle haben neue Einblicke gewonnen und gelernt, wie man komplexe Entwicklungsthemen angeht und journalistisch aufbereitet. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das, was von den Medien berichtet wird, nicht immer der Realität vor Ort entspricht. Reisbauern erzählten unseren Teilnehmern im Interview, dass sie kaum von dem, was Mittelmänner ihnen für die Erträge zahlten, überleben könnten. Die Exportstatistiken und Nachrichtenmeldungen wiederrum zeichneten ein anderes Bild: Hier war von einem deutlichen Nettogewinn die Rede. Im Großen und Ganzen kann diese Art der Kooperation zwischen verschiedenen Medienorganisationen zu einer Verbesserung der zivilgesellschaftlichen Beteiligung führen - die dann hoffentlich in Zukunft auch eine bessere Regierungsführung einfordert.
Open Development Cambodia (ODC) wurde 2011 mit dem Ziel gegründet, Forschung und Kommunikation zwischen Zivilgesellschaft, privaten Akteuren und der Regierung zu erleichtern. Im Januar 2014 war Penhleak Chan Co-Trainerin eines DW Akademie-Workshops zu Datenjournalismus in Phnom Penh. Der Workshop fand im Rahmen eines GIZ-geförderten Projekts zur Förderung freier Meinungsäußerung und dem Zugang zu Informationen statt. Fünf Medienorganisationen waren daran beteiligt.