Alle nutzen es, aber nur wenige kennen sich gut aus im Internet und in den Sozialen Medien. Das Bildungsformat "Campus AMI" sorgt für digitale Aufklärung und vermittelt Medienkompetenz.
Dynamisch, live und virtuell aus dem Studio in Berlin: Sebastián Gómez von DW Español moderiert die "Campus AMI" Sessions
Welchen Nachrichten kann ich vertrauen? Was mache ich, wenn mir jemand online Gewalt androht? Kann ich alles unreflektiert teilen? Obwohl ein großer Teil der menschlichen Interaktion online stattfindet, wissen nur die wenigsten, wie sie sich sicher in dieser Welt bewegen können. Das Bildungsformat Campus AMI hat für digitale Aufklärung in Lateinamerika gesorgt – mit einer kreativen Mischung aus Webinaren, Fernsehsendungen, moderierten Talks und Live-Sketching. Ein multinationales und interdisziplinäres Team aus Deutschland und Guatemala stellte mit Unterstützung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und der UNESCO ein reichweitenstarkes Programm auf die Beine. Dutzende Stimmen von drei Kontinenten und aus 17 Ländern kamen bei Campus AMI zusammen, um sich mit Problemen aus der Medien- und Informationswelt auseinander zu setzen.
Gewalt ist in Mittelamerika nach wie vor eines der drängendsten sozialen Probleme. In El Salvador wird alle vier Stunden und 42 Minuten ein Mensch Opfer sexueller Gewalt, dennoch bleiben fast 90 Prozent der Vergewaltigungsanzeigen ungeahndet. Ähnliches spiegelt sich auf sozialen Plattformen wider: 64 Prozent von 400 befragten Journalistinnen aus 50 Ländern gaben an, schon online Gewalt erfahren zu haben. Metzi Rosales, Journalistin und Professorin aus El Salvador, ist sich sicher: "Die Gewalt, die im Internet auftritt, wird immer normaler, weil wir denken, dass sie sich nicht über die virtuelle Welt hinaus ausbreitet, aber es gibt Beweise dafür, dass sie es tut."
Bedrohungen im Internet sind schwer zu erkennen: Die ecuadorianische Grafikerin Gabriela Racines brachte Farbe in die Live-Sessions.
Cyber-Mobbing ist eine Form von Online-Gewalt und gehört weltweit zu einer der zentralen Gefahren im Internet, in Chatrooms oder beim Instant Messaging. Die Opfer werden verleumdet, belästigt oder bedrängt. Auch eine Teilnehmerin einer Online-Session von Campus AMI stellte schnell fest, dass ihr neuer Facebook-Freund kein guter Kontakt war: "Wir haben angefangen uns jeden Tag zu schreiben, aber bald ist er aggressiv geworden, wenn ich nicht sofort geantwortet habe", erinnert sie sich. Ihr wurde dieses Verhalten zu viel und sie blockierte den Kontakt in ihren sozialen Netzwerken. "Nach einigen Tagen bekam ich sehr viele Freundschaftsanfragen von Unbekannten – alles Fake-Profile, die er erstellt hat", so die Teilnehmerin. Das Online-Stalking hörte nicht auf, es folgten sexuelle Belästigung und ernste Bedrohungen. Die Betroffene war schließlich gezwungen, ihre Handynummer und ihre Profile in den sozialen Netzwerken zu ändern. Und es wurde deutlich, dass dies kein Einzelfall ist. So war eine andere Teilnehmerin sogar gezwungen, ihre Schule zu wechseln und umzuziehen.
Wie kann man Gut und Schlecht im Internet unterscheiden? Mit "Wicho", einer Handpuppe aus Guatemala, wird Medienkompetenz zum Kinderspiel.
"Wir jungen Leute nutzen TikTok, Instagram und Facebook, aber niemand hat uns beigebracht, wie man dort sicher interagiert", erklärt Sara Martinez, Chefredakteurin von Sónica, einem digitalen Jugend-Medium aus Guatemala. Damit junge Menschen Online-Angebote sicher und aufgeklärt nutzen können, vermittelt Campus AMI Medien- und Informationskompetenz (Media and Information Literacy, kurz MIL). "Im Grunde geht es darum, dass junge Menschen die Medien bewusster nutzen. Etwas über die digitalen Seiten lernen, auf denen sie leben und interagieren, und auch die Tragweite dessen, was sie veröffentlichen, verstehen. Sie sollen lernen, wie sie sich und andere online besser schützen können", fasst Patricia Noboa Armendáriz, Program Director Guatemala der DW Akademie, die Ziele von Campus AMI zusammen.
Einige Inhalte des lateinamerikanischen Bildungsformats konnten sogar in den Maya-Sprachen Achí, Kaqchikel, Q´eqchi´ und Kiché gehört werden, da der Projektpartner Communicares mit vier unterschiedlichen indigenen Sprachgemeinschaften in Guatemala arbeitet und vielfältige Kontakte zu lokalen Medien hat. "Wir erreichen so Menschen, die nicht nur in der Gesellschaft insgesamt, sondern auch in der digitalen Welt weitgehend ausgeschlossen und benachteiligt sind", sagt Patricia Noboa Armendáriz.
Die DW Akademie ist im Bereich MIL führend in Lateinamerika. Neben jungen Menschen wurden auch Fachleute aus Theorie und Praxis bei Campus AMI angesprochen. In Zusammenarbeit mit der DW-Redaktion Español entstanden professionelle Fernsehsendungen über Themen wie digitale Sicherheit, MIL in Schulen, Algorithmen und über das Erkennen von Falsch- und Fehlinformationen.
Auf der Website von Campus AMI sind weiterhin alle Videos und Informationen verfügbar. Lehrende im Bereich Medien- und Informationskompetenz können sich außerdem ergänzend bei AMIdual weiterbilden. Diese E-Learning-Plattform wurde als weltweit erste ihrer Art zusammen mit dem Projektpartner ASEC in Guatemala erstellt.