Die Indigenen Lateinamerikas stehen vor der Herausforderung, ihre Sprachen und Traditionen zu bewahren. Mit Unterstützung der DW Akademie nutzen sie dafür erfolgreich Medien.
Die sprachliche Vielfalt Lateinamerikas ist beeindruckend: 420 verschiedene Sprachen werden von mehr als 500 indigenen Gruppen gesprochen. Viele Sprachen sind jedoch vom Aussterben bedroht und in einigen Fällen schützen nur eine handvoll Sprecherinnen und Sprecher dieses sprachliche und kulturelle Erbe. Es sind meist die Alten einer Gemeinschaft, die dieses Wissen tragen und weitergeben.
Junge und digital versierte indigene Aktivistinnen und Aktivisten versuchen gemeinsam mit indigenen Medienschaffenden, ihre Präsenz und Repräsentation nicht nur durch traditionelle Rundfunk oder Printmedien, sondern auch durch eine innovative Nutzung des Internets zu stärken - und ihre Sprache und Kultur so am Leben zu halten.
Die DW Akademie unterstützt indigene Medien und Journalistinnen und Journalisten dabei: Von August bis Oktober 2019 konnte eine Gruppe von 13 indigenen Journalistinnen und Journalisten aus fünf lateinamerikanischen Ländern drei große Veranstaltungen mit den Schwerpunkten Journalismus, indigene Kommunikation und Internet besuchen. Die Teilnehmenden berichteten in den Sozialen Medien aus ihrer Perspektive über die Festivals. Sie nahmen an Panels teil und führten auch eigene Workshops durch.
Anlässlich des Internationalen Tages der indigenen Gruppen der Welt sprachen wir mit den Teilnehmenden des Projekts über die Erfahrungen, die sie gewonnen haben, und darüber, wie die aktuelle Pandemie ihre Arbeit beeinflusst.
Festival Gabo - Medellín, Kolumbien
"Es liegt in unserem Interesse als indigene Völker, dass die großen konventionellen Medien mit der Art und Weise vertraut werden, in der indigene Völker kommunizieren", sagt Estivel Cuene von Colectivo Cosmovisiones aus Kolumbien. Erstmalig waren indigene Reporterinnen und Reporter an dem prestigeträchtigen Festival Gabo in der Stadt Medellín beteiligt und standen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Medienteams, die über die Veranstaltung berichteten. Damit konnte ein Nachdenken über die Präsenz indigener Medien in nicht-indigenen Räumen angestoßen werden.
Encuentro Internacional de Comunicación Indígena - Cusco, Peru
Für Luis Alberto Segovia war die Teilnahme am Internationalen Treffen für indigene Kommunikation in Cusco, Peru, eine besondere Bereicherung. Die Veranstaltung bringt indigene Medienschaffende aus ganz Lateinamerika für einen gegenseitigen Austausch zusammen. Segovia ist Reporter aus Ecuador und berichtet in seiner Muttersprache Kichwa für den Community-Sender Radio Iluman. "Ich kam mit neuem Enthusiasmus und dem Wunsch zurück, noch mehr in unserer eigenen Sprache zu arbeiten,“ sagt Segovia.
Festival Latinoamericano de Lenguas Indígenas en el Internet – Guatemala Stadt, Guatemala
Um indigene Sprachen Lateinamerikas im Internet ging es beim gleichnamigen Festival in der guatemaltekischen Hauptstadt, einer wichtigen regionalen Veranstaltung, die von der DW Akademie unterstützt wurde. 60 Aktivistinnen und Aktivisten, die in indigenen Sprachen arbeiten, entwickelten gemeinsam neue Strategien, um mehr indigene Sprachen online zu integrieren.
Marileny Choc vom guatemaltekischen Radio Sayaxché sagte, das Internet sei nicht nur für die Förderung der Sichtbarkeit indigener Menschen und Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung: "Für mich ist es wichtig, dass indigene Sprachen im Internet präsent sind und dass Indigene sagen können: 'Hier bin ich!’ Auf diese Weise kann ich auch andere indigene Völker kennen lernen oder sogar neue indigene Sprachen lernen.“
Covid-19: Neue Herausforderungen – neue Bedrohung
Journalistinnen und Journalisten weltweit sehen sich in der Corona-Pandemie mit völlig neuen Herausforderungen in ihrer Arbeit konfrontiert. Lateinamerika ist gegenwärtig einer der Covid-19-Hotspots - und das Virus trifft die indigene Bevölkerung besonders hart. Luis Salazar ist Ausbilder und Techniker für das kommunale Mediennetzwerk CEPRA. "Als Lokalreporter,” sagt er, "sind wir es gewohnt, mit Menschen auf der Straße in Kontakt zu kommen. Jetzt müssen wir dafür neue Wege finden und erforschen neue digitale Anwendungen, Programme und Server.” Und Luis Alberto Segovia von Radio Iluman in Ecuador weist darauf hin, dass viele Community-Radios derzeit ihre Programme von zu Hause produzieren, wobei Reporterinnen und Reporter Audiodateien über Chat-Apps senden. "Wir gehen nicht mehr wirklich ins Studio, alles geschieht über Messengerdienste wie WhatsApp", sagt er.
Das wiederum mache es aber besonders schwierig, mit der älteren Generation zu arbeiten die es nicht gewohnt sei, digital über einen Bildschirm zu interagieren, sagt Yeny Paucar von REDCIP, einem Netzwerk von Reporterinnen und Reportern indigener Gemeinschaften in Peru. Das Wissen der Alten zu dokumentieren, es weiterzugeben – es nicht nur zu konservieren, sondern es lebendig zu halten – ist jedoch wichtiger denn je: Es sind vor allem die alten Menschen, die unverhältnismäßig stark durch das neuartige Coronavirus gefährdet sind. Damit bedroht Covid-19 auch das Jahrhunderte alte Wissen um indigene Sprachen und Traditionen.
Arnol Piedra von der peruanischen Nachrichtenagentur Servindi: "Ich kam mit einer langen Liste internationaler Kontakte zurück."
Die teilnehmenden indigenen Medienschaffenden sind weiter in Kontakt: Segovia, Salazar, Paucar und die zehn anderen Mitglieder der Gruppe, die zu den drei Medien-Events reiste, sind weiter in Kontakt, senden einander Updates aus ihren jeweiligen Ländern und stehen sich telefonisch mit Rat und Tat zur Seite, wenn sie Hilfe benötigen. Arnol Piedra, ein junger Journalist, der für die indigene Medienorganisation Servindi in Peru arbeitet, profitiert noch immer von dieser Erfahrung, die ihm die intensive Reise bot: "Ich kam mit einer langen Liste internationaler Kontakte zurück, die mir bei der Bereitstellung von Informationen geholfen haben.“
Martín Vidal, ein indigener Journalist aus Kolumbien und Projektmitarbeiter der DW Akademie, der die Tour begleitete, sieht einen wichtigen Schritt hin zu echter interkultureller Kommunikation getan: "Das ist eine neue Generation von indigenen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die nicht nur vor der Herausforderung steht, Informationen für ihre eigenen Gemeinschaften bereitzustellen, sondern mit der ganzen Welt zu kommunizieren.“
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Als strategischer Partner des BMZ führt die DW Akademie Medienentwicklungsprojekte durch, die das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit stärken und den freien Zugang zu Informationen stärken.