In Pakistan liefern Bürgerreporterinnen und -reporter Nachrichten für alteingesessene und neu angekommene afghanische Geflüchtete - eine Bevölkerungsgruppe, die von anderen Medien oft übersehen wird.
Eine afghanische Bürgerjournalistin dreht ein Video über eine Schneiderin, die traditionelle afghanische Kleider im Board Bazar in Peshawar, Pakistan, herstellt.
Mit ihren 24 Jahren hat Nooria Bazwan schon genug erlebt und gesehen, um eindringliche Geschichten zu erzählen – Geschichten, die die Ansichten ihrer Leser und Zuhörer zu vielen Themen verändern können.
Nooria Bazwan stammt aus Afghanistan. Sie floh 2001 mit ihrer Familie nach Pakistan, als die von den USA angeführte Offensive zum Sturz des Taliban-Regimes begann. Nooria wuchs in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Peshawar auf. Als Frau und als Geflüchtete hatte sie in mehrfacher Hinsicht schlechte Karten. Wie andere afghanische Geflüchtete – selbst die, die in Pakistan geboren wurden oder seit Jahrzehnten dort leben – hat sie kein Recht auf die pakistanische Staatsbürgerschaft. Somit sind ihre Möglichkeiten, zu studieren und Arbeit zu finden, stark einschränkt. Es gibt auch andere Formen der Diskriminierung, zum Beispiel die in Pakistan weit verbreitete Meinung, dass Afghanistan vor allem eine Brutstätte für Kriminalität sei. Hinzu kommt, dass pakistanische Medien die Themen der afghanischen Geflüchteten häufig ignorieren.
In der Region sind diese Herausforderungen und Einschränkungen bekannt. Weniger bekannt ist, dass afghanische Geflüchtete trotz der vielen Hürden und Entbehrungen auch Vorbilder für Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft sein können.
„Mir ist bewusst, dass die Probleme überwältigend erscheinen“, sagt Nooria, „aber Geflüchtete spielen hier auch eine positive Rolle und leisten in vielerlei Hinsicht ihren Beitrag. Leider wird das von vielen negativen Berichten überschattet.“
Seit vergangenem Jahr hat Bazwan an mehreren Schulungen des regionalen DW Akademie Projekts „Flucht und Dialog Südasien“ teilgenommen. Ziel ist es, Geflüchtete mit relevanten Informationen zu versorgen und den Dialog mit den aufnehmenden Gemeinden zu fördern.
Eine aktuelle Studie der in Pakistan ansässigen Medienbeobachtungsorganisation Freedom Network unterstreicht den großen Bedarf an Informationen zu humanitären Hilfsangeboten für neu eingetroffene Afghanen und Afghaninnen. Dabei geht es unter anderem um Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Bildung, heißt es in der Studie, die in Zusammenarbeit mit der DW Akademie entstanden ist. Obwohl afghanische Geflüchtete seit Jahrzehnten in Pakistan leben, sind ihre Themen in den örtlichen Medien kaum vertreten – ein Problem, das durch die wachsende Zahl afghanischer Geflüchteter vor Ort noch verschärft wird. Im Dezember 2021 meldeten pakistanische Behörden, dass seit August 300.000 Afghanen ins Land gekommen sind, zusätzlich zu den schätzungsweise drei Millionen, die sich bereits im Land befanden, sagte der pakistanische Informationsminister Fawad Hussain in einem Interview mit Voice of America.
Afghanische Bürgerjournalistinnen berichten über die Renovierung eines privaten Gästehauses, das neu angekommene afghanische Geflüchtete in der Universitätsstadt Peshawar, Pakistan, beherbergen soll.
Ausgebildet als Bürgerjournalistin durch das Tribal News Network (TNN) in Nordpakistan – einer Radio- und Online-Nachrichtenagentur und Partner der DW Akademie – begann Bazwan, Geschichten über das Leben und die Sorgen der afghanischen Geflüchteten in Pakistan zu produzieren. Und sie ist nicht allein: Seit 2021 haben TNN und Power99 Foundation, beides Partner der DW Akademie, insgesamt 62 pakistanische und afghanische Bürgerjournalistinnen und -journalisten in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ausgebildet. Sie produzieren seitdem Beiträge für diese Medienanstalten. Bis Ende vergangenen Jahres entstanden so 60 journalistische Radio- und Videobeiträge, die auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht wurden.
Bazwan und ihre Kolleginnen und Kollegen kümmern sich auch um den Informationsbedarf von neu angekommenen afghanischen Geflüchteten, die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 aus Afghanistan fliehen mussten.
Fakhira Najib, Geschäftsführerin der Power99 Foundation und Exekutivdirektorin des Power99 Radio Network, sagt, dass die pakistanischen Medien die Berichterstattung über afghanische Geflüchtete und das, was ihnen helfen könnte, in ihrer Wahlheimat erfolgreich zu sein, vernachlässigt haben.
„Ein Großteil der etablierten pakistanischen Medien machen Politik und Nachrichten zur Sensation", erklärt Fakhira Najib, Geschäftsführerin der Power99 Foundation und Direktorin des Power99 Radio Network. „Sie berichten nicht über Themen wie Umwelt, Wasser oder Klimawandel. Sie berichten überhaupt nicht über die Geflüchteten. Doch wenn ihre Stimmen ungehört bleiben, bleiben auch ihre Probleme bestehen.“
Zahlreiche internationale Entwicklungsorganisationen unterstützen die pakistanischen Flüchtlingslager mit Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe, sagt Asif Khan, Landesbeauftragter der DW Akademie für Pakistan. Es fehle aber eine tragfähige langfristige Perspektive für Entwicklung. Kommunikationsprojekte wie die Bürgerjournalismus-Trainings sollen das ändern.
"Sie geben der Zivilgesellschaft dort eine Stimme, wo ansonsten meist systematisch geschwiegen wird", so Khan.
Seit Anfang dieses Jahres hat Bazwan allein sechs Geschichten für die TNN-Website produziert. Sie handeln von Afghaninnen und Afghanen, die inmitten von Armut und Not ihr Bestes geben. In einer davon stellte sie Zakia vor, eine Frau, die früher als Näherin in Kabul tätig war und seit kurzem bei einem pakistanischen Unternehmen Arbeit gefunden hat. Oder von Faridoun, die in Afghanistan Lehrerin war und schließlich eine Stelle als Vertretungslehrerin in Pakistan fand. In einem anderen Artikel informiert Bazwan ihre Leser über spezielle Stipendien für afghanische Bewerberinnen und Bewerber an pakistanischen Universitäten.
„Das Hauptproblem ist, dass solche Geschichten ansonsten einfach nicht an die Öffentlichkeit gelangen", sagte sie. „Ich bin überzeugt, dass afghanische Geflüchtete durch Bildung und Wissen einen Beitrag zur pakistanischen Gesellschaft und zu mehr Stabilität in der Region leisten können.“