Verschwundene Menschen sichtbar machen: Innovative Formate aus Kunst und Journalismus erzählen von Leid und Hoffnung | Lateinamerika | DW | 29.08.2022
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Lateinamerika

Verschwundene Menschen sichtbar machen: Innovative Formate aus Kunst und Journalismus erzählen von Leid und Hoffnung

In Mexiko arbeiten die DW Akademie und Técnicas Rudas daran, das Schicksal der gewaltsam Verschwundenen ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und damit deren Stigmatisierung zu brechen.

28 Menschen verschwinden durchschnittlich pro Tag in Mexiko – gewaltsam und unfreiwillig. Das Land hat die höchste Zahl an gewaltsam verschwundenen Personen in Lateinamerika. Nach Angaben des Ausschusses der Vereinten Nationen für das Verschwindenlassen von Personen (CED) gelten mehr als 100.000 Menschen als vermisst. In den meisten dieser Fälle bleiben die Familien gebrochen und isoliert zurück und werden sowohl von der Politik als auch von den Mainstream-Medien ignoriert. Die Gesellschaft verdrängt die menschliche Tragödie und stigmatisiert die Opfer, da der Glaube weit verbreitet ist, dass es eine Verbindung zum organisierten Verbrechen geben muss. 

DW Akademie Projekt in Mexiko gegen Verschwindenlassen

Die Familien der Verschwundenen drücken ihre Gefühle anhand von verschiedenen Kunstformen aus, zum Beispiel Stickerei.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit 

Mit Empathie, Kunst und Dialog unterstützen DW Akademie und die Organisation Técnicas Rudas die Familien der Opfer. Ziel ist es, sie von der allgemeinen Stigmatisierung zu befreien und zu zeigen, dass das Schicksal des gewaltsamen Verschwindens jede und jeden treffen kann. Den Opfern ein Gesicht zu geben und den Schmerz der Familien zu vermitteln, steht im Einklang mit den Empfehlungen der UNO zur Bekämpfung dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit: die Gesellschaft darüber zu informieren und aufzuklären. 

Das ProjektNarrativas y Memorias de la Desaparición en México (Spanisch für “Erzählungen und Erinnerungen an das Verschwindenlassen in Mexiko”) bringt seit Anfang 2020 Kunst- und Medienschaffende sowie Akademikerinnen und Akademiker mit Angehörigen von Opfern zusammen, um sich gemeinsam und künstlerisch mit dem Thema zu beschäftigen.  

Mehr als nur Worte  

Die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit sind vielfältig: verschiedene öffentliche Veranstaltungen zum Thema, Theater, Illustrationen und Handarbeitskunst wie Stickerei ermöglichen es, Unsicherheit und Trauer, aber auch Hoffnung auszudrücken.  

Dafür ist auch Musik ein probates Mittel: Gemeinsam mit dem Künstler Arturo Muñoz Rodríguez, el Carcará, schuf das Kollektiv “Mütter auf der Suche” aus Coatzacoalcos im mexikanischen Bundesstaat Veracruz das Lied "La Búsqueda" (Die Suche). Der Text des Liedes, das im Rahmen eines Workshops entstanden ist, beschreibt den emotionalen und physischen Weg, den ein Tag der Suche für die Mütter der Opfer des gewaltsamen Verschwindens bedeutet. 

Die Familien der Verschwundenen haben Podcasts, Lieder und Gedichte produziert, die die Hartnäckigkeit ihrer Suche festhalten. Eindrucksvolle Plakatausstellungen klären über die Situation in Mexiko auf und fordern Gerechtigkeit.  

Auch die Ergebnisse einer Untersuchung über den Zusammenhang von Pandemie und dem gewaltsamen Verschwindenlassen werden sowohl künstlerisch als auch journalistisch dargestellt. Das ProjektDesaparecer en Pandemia (“Verschwinden in der Pandemie”) vereint mexikanische Aktivistinnen und Aktivisten, Forscherinnen und Forscher, Journalistinnen und Journalisten, sowie Frauen und Männer aus dem Web-Design und der bildenden Kunst: Vier innovativ erzählte Geschichten verdeutlichen, dass es beim gewaltsamen Verschwindenlassen um mehr geht als um Einzelschicksale und verdeutlichen gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge wie das Versagen der Rechtstaats im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.  

Das Schweigen brechen 

Während ihre Suche weitergeht, begleiten nun neue Erzählungen und Ausdrucksformen die unermüdlichen Familien. Es ist der Versuch, ihren Schmerz zu lindern und ihn mit der Gesellschaft zu teilen. Die Hoffnung bleibt – bis ihre Lieben gefunden werden.    

Die DW Akademie arbeitet seit Anfang 2020 mit Técnicas Rudas in Mexiko zusammen. Die unabhängige lokale Organisation unterstützt die Opfer des Verschwindenlassens in Mexiko durch strategische Forschung und die Bildung von Partnerschaften. Das Ziel der DW Akademie ist es, Menschenrechtsthemen in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Im Jahr 2011 erklärten die Vereinten Nationen den 30. August zum jährlichen “Internationalen Tag der Opfer des Verschwindenlassens”.  

Das Projekt “Narrativas y Memorias de la Desaparición en México” wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.