Kritische Medienkompetenz ist heute so wichtig wie nie. Die DW Akademie und ihre Partner haben daher Spiele entwickelt, die jungen Menschen mit Trauma-Erfahrung helfen können.
Ob Cyberbullying oder Falschinformation, junge Menschen sind täglich Gefahren in der digitalen Welt ausgesetzt. Hier setzt Media and Information Literacy (MIL) an und schult den Umgang mit Desinformation, Hasssprache und Belästigung. Für junge Nutzerinnen und Nutzer, deren Leben häufig online stattfindet, sind diese Fähigkeiten notwendig, um sich sicher in der digitalen Welt zu bewegen.
Doch oft kann es schwierig sein, die Aufmerksamkeit der jungen Mediennutzerinnen und -nutzer dauerhaft zu halten, vor allem, wenn sie Traumata erlebt haben. Die DW Akademie und ihr Partner, die Public Media Academy Juniors, haben daher Spiele für ukrainische Schülerinnen und Schüler entwickelt, die kritische Medienkompetenz fördern und gleichzeitig die speziellen Bedürfnisse dieser Zielgruppe im Blick haben.
"Diese jungen Menschen haben Leid erfahren und machen auch weiterhin traumatische Erfahrungen", sagte Yulia Alekseeva, Project Manager der DW Akademie. "Deshalb müssen wir ihre Aufmerksamkeit dauerhaft wecken – und dabei behutsam vorgehen."
Den Trainerinnen und Trainern der DW Akademie war aufgefallen, dass viele junge Menschen während der COVID19-Pandemie Schwierigkeiten hatten, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren und Online-Fortbildungen zu verfolgen. Die Schülerinnen und Schüler verbrachten viel Zeit zu Hause, viele besuchten den Schulunterricht nur online. Zusätzliche Online-Kurse in der Freizeit erschienen ineffektiv. Denn die jungen Menschen hatten sowohl Probleme dabei, sich länger zu konzentrieren, als auch das Gelernte im Gedächtnis zu behalten.
Russlands Invasion der Ukraine, die auf die zahlreichen COVID-Lockdowns folgte, verstärkten das Problem weiter. Der Krieg zwang viele junge Menschen aus ihren Häusern in andere Teile der Ukraine, manche mussten sogar das Land verlassen. Die Ukraine schien ein kollektives Trauma zu erleiden, während gleichzeitig die Verbreitung von Falsch- und Desinformation immer weiter zunahm.
Eine mögliche Lösung: die spielerische Vermittlung von Medienkompetenz, zum Beispiel durch Brettspiele und andere Formate, die von MIL-Expertinnen und -Experten entwickelt wurden.
Victor Pichuhin (links) spielt sein MIL-Spiel "Museum der vergessenen Geschichten" mit Teilnehmern des Global Media Forums 2024
Die MIL-Spiele wurden speziell für ukrainische Jugendliche entwickelt, und sie verbinden MIL-Grundlagen mit einem kreativen Ansatz. MIL Trainerinnen und -Trainer führen die Spiele zusammen mit den jungen Leuten durch, und werden dabei von einem Team unterstützt, das Erfahrung im Umgang mit Trauma hat.
Mit dem "Museum der vergessenen Geschichten" stellt der Journalist Victor Pichuhin ein Spiel vor, das immersives Storytelling nutzt, ähnlich wie das bekannte Rollenspiel Dungeons and Dragons. Die Heldinnen und Helden des Spiels erkunden die Räume eines fantastischen Museums. Dabei lösen sie verschiedene Aufgaben und müssen zwischen Wahrheit und Unwahrheit unterscheiden.
"Wenn ich dieses Spiel spiele, bin ich an einem sicheren Ort", sagte die 17-jährige Spielerin Sofiia. "Ich kann mich mit Gleichaltrigen austauschen und kreativ sein. Ich stelle mir vor, dass ich eine Heldin bin, und das gibt mir sehr viel Kraft."
Die junge ukrainische Teilnehmerin Sofiia (rechts) stellt das Spiel "Museum der vergessenen Geschichten" bei einer Veranstaltung in Bonn vor
Bei dem Spiel "Media Busters" tauchen die Spielerinnen und Spieler in die Rolle eines Medienhauses oder sogenannter "Media Busters". Als Medienhaus bauen sie eine komplette Medienorganisation auf, mit einer Redaktion und verschiedenen Plattformen. Als Media Busters verfolgen sie stattdessen das Ziel, die Medienorganisation bei jedem ihrer Schritte zu behindern. Die Spielenden lernen dabei, wie ein Medienhaus funktioniert, welche Plattformen wichtig und welche Schritte notwendig sind, um Nachrichten zu produzieren.
Der mobile MIL-Escape Room, entwickelt von Arminas Varanauskas vom Knowledge Economy Forum Litauen, kann an jeden beliebigen Ort transportiert und dort aufgebaut werden. Er besteht aus Rätseln, bei denen die Spielerinnen und Spieler KI-Bilder identifizieren müssen, Nachrichten entschlüsseln oder Fakten suchen, um so den Weg aus dem Raum hinauszufinden.
Das Team arbeitet gerade auch an einem Pop-Up-Escape-Room, der durch die Ukraine und andere europäische Länder reisen wird und dort in Bibliotheken, Museen und Kulturzentren aufgebaut werden kann.
Auch außerhalb der Ukraine nutzen Partner der DW Akademie Spiele, um das Thema MIL in verschiedenen Ländern zu vermitteln.
In den baltischen Staaten haben die DW Akademie und ihre Partner Spiele für die Region entwickelt, die ähnlich wie die Ukraine stark von russischer Desinformation betroffen ist.
In Bolivien hat die Medienorganisation Muy Waso mit "Bomba Viral" ein Brettspiel mit praktischen Aufgaben entwickelt, bei dem die Spielerinnen und Spieler den "Virus der Falschinformation" bekämpfen müssen.
"Bomba Viral schafft Räume für Dialog und Zusammenarbeit", sagt Jhoselin Granados, Projektmanagerin bei Muy Waso. "Wir können uns nicht alleine dem Monster der Falschinformation stellen. Wir müssen zusammen als Team arbeiten, um seinen schnellen Fortschritt zu stoppen."
Muy Waso, ein Partner der DW Akademie, hat das MIL-Spiel "Bomba Viral" für Jugendliche in Bolivien entwickelt
Obwohl der Spielspaß wichtig ist, haben all diese Projekte einen ernsten Hintergrund. Sie haben das Ziel, kritische Medienkompetenz bei den Spielerinnen und Spielern zu stärken.
"Das Beste an den Spielen ist, dass sie für alle da sind", sagt Arminas Varanauskas, MIL und Gamification-Experte. "Oft sind es sogar diejenigen, die normalerweise in der letzten Reihe sitzen und als Störenfriede bekannt sind, die sich bei den Spielen am meisten einbringen."
Wie in den Sozialen Medien auch hat Lernen viel mit aktiver Auseinandersetzung zu tun. Die MIL-Spiele bieten sowohl den Aufhänger als auch die Möglichkeit, um die Medienkompetenz junger Menschen zu verbessern.
Die MIL-Spiele wurden mit Partnern der DW Akademie entwickelt und unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).