Singlemutter in Marokko: “Warum nicht selbst als Technikerin arbeiten?“ | transparenz-und-medienfreiheit | DW | 17.03.2022
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Transparenz und Medienfreiheit

Singlemutter in Marokko: “Warum nicht selbst als Technikerin arbeiten?“

Alleinerziehende Mütter in Marokko werden stigmatisiert und ausgegrenzt. Viele haben in der Pandemie ihren Job verloren. Der Verein “100% Mamans” bildet sie zu Medientechnikerinnen aus und gibt ihnen eine neue Zukunft. 

DW Akademie in Marokko

Traumberuf Radiotechnikerin: Die Ausbildung bei 100% Mamans gibt marokkanischen Singlemüttern eine neue Perspektive.

„Die Lage von alleinstehenden Müttern in Marokko ist sehr schlecht. Wir leiden unter starker Ausgrenzung und Diskriminierung“, erzählt Aicha (Name von der Redaktion geändert). “Unsere Situation hat sich während der Corona-Pandemie noch einmal verschlechtert. Viele haben ihre ohnehin schon schlecht bezahlten Jobs verloren”, so Aicha weiter.

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Im Training verlieren die Frauen ihre Scheu vor der Technik und werden selbstbewusster.

Sie begann 2021 ein Trainingsprogramm bei „100% Mamans“, einem Verein, der sich für die Rechte unverheirateter und alleinerziehender Mütter in Marokko einsetzt. Zusammen mit anderen Frauen hat sie die Grundlagen des Audio- und Videoschnitts gelernt und sich redaktionell weitergebildet. Nun stellt sie eigenständig Programme für das Webradio des Vereins zusammen, bedient das Mischpult oder produziert Jingles. „Diese Schulung wird sich auf mein Berufsleben auswirken“, sagt die 30-jährige zuversichtlich. „Wie wir alle wissen, sind Techniker meistens Männer. Aber ich habe mich gefragt: Warum nicht selbst als Technikerin arbeiten?“ 

Unabhängig und stark 

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Zusammen sind sie stark: Singlemütter im Training bei „100% Mamans“.

Auch Fatima (Name von der Redaktion geändert) hat an dem technisch-redaktionellen Training teilgenommen. Sie engagiert sich schon länger beim Community Medium „Mères en Ligne“ („Mütter On Air“) und konnte es kaum erwarten, loszulegen. „Die Schulungen helfen mir, finanziell unabhängig zu sein und in einem Bereich zu arbeiten, der mir Spaß macht“, sagt sie.  

Neben der Belastung, allein ein Kind erziehen zu müssen, häufen sich bei marokkanischen Singlemüttern weitere Probleme. Sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe sind nach marokkanischem Strafgesetzbuch verboten und können hart bestraft werden. Eine unverheiratet schwangere Frau in Marokko ist geächtet in der Gesellschaft. Sie verliert ihre Familie und häufig auch ihr Einkommen. „Ich hatte Angst, für immer ausgegrenzt und schwach bleiben zu müssen und Stigmatisierungen zu ertragen. Aber seit ich dem Verein 100% Mamans beigetreten bin, werde ich immer stärker. Ich habe jetzt Perspektiven, kann nach vorn schauen und an die Zukunft meines Kindes denken. Ich will ihm ein würdiges und unabhängiges Leben garantieren und auch meine eigene Zukunft gestalten“, erzählt Fatima stolz.  

Hilfe zur Selbsthilfe 

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Das Hauptquartier der "100 % Mamans" in Tanger, Marokko

Die nichtregierungsorganisation 100% Mamans wird von der DW Akademie seit Januar 2020 in ihren Aktivitäten unterstützt und bildet alleinerziehende Frauen zu Journalistinnen für ihr Community Medium „Mères en ligne“ („Mütter on Air“) aus. „Mit dem Radiosender wollen wir freie Meinungsäußerung ermöglichen, so dass alleinstehende Mütter wieder eine Stimme im öffentlichen Raum erhalten“, erklärt Naïma Hamdani. „Wir wollen ihre Forderungen sichtbar machen, gegen sexistische Stereotype angehen, gegen Gewalt an Frauen kämpfen und juristischen Beistand ermöglichen“, so Naïma weiter. Die Radiomoderatorin wurde 2010 vom Verein aufgenommen und hilft nun anderen Singlemüttern in ähnlichen Situationen.  

Durch die Fortbildungsprogramme und die Arbeit beim Radio können die Frauen einen Teil ihres Lebensunterhalts selbst bestreiten - trotz der Einschränkungen durch die Pandemie. „Mit der technischen Entwicklung gibt es immer mehr Möglichkeiten, über das Internet zu arbeiten, und man kann sogar von zu Hause arbeiten“, freut sich Fatima. Sie ist als Medientechnikerin ungebundener und kann sich besser um ihr Kind kümmern. Alles in allem blickt sie nun gelassener in die Zukunft: „Es ist nicht das Ende der Welt, eine alleinerziehende Mutter zu sein. Das ist wirklich eine sehr gute Sache.“ 

Die Namen der Frauen wurden zu ihrem Schutz von der Redaktion geändert.

Dieses Projekt ist Teil der Initiative „Transparenz und Medienfreiheit - Krisenresilienz in der globalen Pandemie“ der DW Akademie und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).