Republik Moldau: "Wir geben Jugendlichen Freiheit" | Europa/Zentralasien | DW | 02.05.2016
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Europa/Zentralasien

Republik Moldau: "Wir geben Jugendlichen Freiheit"

Frischer Wind in der von Oligarchen bestimmten Berichterstattung: Ana Gurdis und ihr Team stemmen jede Woche eine eigene TV-Sendung. "Schleifmittel" lautet der vielversprechende Titel der moldauischen Jugendsendung.

Als Ana Gurdis den jungen Mann traf, hatte sein Leben gerade neu begonnen. 17 Jahre lang wuchs er in einem Kinderheim auf, wo ihm trotz Gehbehinderung ein Rollstuhl verweigert wurde. So musste er sich durch seine Kindheit und Jugend auf dem Boden entlang robben, bis eine gemeinnützige Organisation auf ihn aufmerksam wurde und ihn unter anderem mit Operationen unterstützte.

Heute ist der junge Mann 22, lernt gerade das Laufen und wird bald heiraten. "Es war ein besonderes Interview für mich", sagt Ana Gurdis. "Er hat so ein hartes Leben hinter sich und hat trotzdem weder geweint noch sich beschwert - er hat die ganze Zeit gelächelt und wirkte so dankbar und froh." Das seien diese Momente, in denen Ana Gurdis so viel über sich selbst lerne - von ihren Interviewpartnern. "Sie verändern mein Denken."

Ana Gurdis arbeitet im Centrul Media pentru Tineri, einem Jugend-Medienzentrum in Chisinau, der Hauptstadt Republik Moldaus. Gemeinsam mit einer Handvoll Kollegen stemmt sie das 20-minütige Jugendmagazin "Abraziv", "Schleifmittel". Zusammen mit zwei Dutzend Jugendlichen, die selbst drehen, schneiden und moderieren, geht sie wöchentlich beim öffentlich-rechtlichen Sender TRM auf Sendung. Das Magazin spricht Jugendthemen an und probiert sich in wilden Schnitten und schneller Musik. "Letztens gaben mir ältere Zuschauer das Feedback, dass sie so etwas wie "Abraziv" noch nie gesehen hätten. Und das war als Kompliment gemeint." Ein frischer Ansatz in der moldauischen Fernsehwelt.

Die Gedanken sind frei…

Ana ist energisch, bestimmt. Und die 22-Jährige weiß ein gutes Team hinter sich. Dennoch ist es erstaunlich, wie diese Gruppe mit den wenigen Mitteln und noch recht unerfahrenen jungen Videojournalisten jede Woche eine komplette, sendefähige Sendung auf die Beine stellt.

Am Anfang waren sie quasi Tag und Nacht im Jugend-Medienzentrum, jetzt sind sie routinierter. "Man kann hier auch schlafen", lacht Ana, die seit einem Jahr angestellt ist und nebenbei noch ihre Masterarbeit in Journalistik fertigschreibt.

Das Jugend-Medienzentrum eine Art Gegenentwurf zur moldauischen Medienlandschaft. Die Ukraine-Krise und die damit verbundenen Spannungen zwischen Russland und der Europäischen Union spiegeln sich in der zunehmenden Polarisierung der Medien in Moldau wider. Die wichtigsten nationalen Sender sind sowohl wirtschaftlich als auch politisch abhängig von ihren teils russisch-, teils westlich-orientierten Eigentümern, was sich insbesondere in einer unkritischen und einseitigen Berichterstattung zeige. "Bei uns gibt es keine Interessen", sagt Gurdis. "Wir geben den Jugendlichen Freiheit."

Ana Gurdis bleibt!

Ana Gurdis mit ihren Kollegen im Centrul Media pentru Tineri, Foto: DW Akademie/Nadine Wojcik

Medien selbst gestalten und kritisch hinterfragen - Ana Gurdis mit ihren Kollegen im Centrul Media pentru Tineri

Ausgebildet von der DW Akademie, der Medienentwicklungsorganisation der Deutschen Welle, trainieren Ana Gurdis und ihr Team Kinder und Jugendliche in Medienkompetenz. "Wir bringen sie zum Denken und machen sie auch dadurch freier", sagt Gurdis. Denn sie vermittelt den Kindern und Jugendlichen, wie sie Berichterstattung kritisch hinterfragen können, insbesondere wenn sie von der Meinung der Oligarchen gefärbt ist. "Wir bekommen tolle Rückmeldungen, nach unserem Training sehen sie die Medien wirklich mit anderen Augen."

Es ist nicht immer einfach in Moldau, dem vermeintlich ärmsten Land Europas. Viele junge Leute versuchen ihr Glück in den reichen EU-Ländern. "Ich bleibe", sagt Ana Gurdis. "Ich bin hier genau richtig und will auch nirgendwo sonst sein." Sie ist sich sicher: Sie kann hier in Moldau etwas verändern.

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