Pakistan: Mit Daten zur Pressefreiheit | Asien | DW | 07.11.2016
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Asien

Pakistan: Mit Daten zur Pressefreiheit

Seit 2013 gibt es in Pakistan Gesetze, die Behörden zur Auskunft verpflichten. Weil diese Gesetze bislang kaum genutzt werden, arbeiten DW Akademie und GIZ jetzt mit Journalisten und Behörden. Das Ziel: mehr Transparenz.

In Daten stecken Geschichten – auch in Pakistan. Über Bauprojekte, die finanziell aus dem Ruder laufen. Über die Anzahl von Staatsbediensteten, die sich persönlich bereichern und anschließend im Staatsdienst verbleiben. Über Landwirtschaftsprojekte, bei denen viel Steuergeld in dunklen Kanälen versickert. Gut gemachter Datenjournalismus kann in Fällen wie diesen einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung leisten. Vorausgesetzt natürlich, die Geschichten werden von Journalisten auch als solche erkannt. Und das ist oft leichter gesagt als getan, berichtet Farzana Ali aus ihrem Redaktionsalltag.

"Excel-Tabellen sind nicht nur was für Buchhalter"

Farzana Ali Aaj News

Farzana Ali, Leiterin Studio Peschawar beim TV-Sender Aaj News in Pakistan

"Sehr oft stehe ich vor einer großen Menge an Daten und frage mich, wie ich das auswerten soll, und noch viel schlimmer, wie daraus eine Geschichte werden kann", erklärt die Leiterin des Studios Peschawar beim TV-Sender Aaj News. Viel Berichtenswertes schlummert in kryptischen Zahlenkolonnen – bis jetzt. "Mit neuen Instrumenten und technischen Tricks glaube ich, dass wir an dieser Stelle weiterkommen", sagt Farzana Ali nach dem ersten von einer Reihe von Workshops, bei denen sie mit Kollegen anderer Sender Tipps und Tricks rund um den Datenjournalismus erarbeitet und ausprobiert. "Das Training hat endgültig mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass Excel-Tabellen nur von Buchhaltern und Personalverantwortlichen benutzt werden können."

Für Farzana Ali eine Schlüsselerfahrung, die sie im Rahmen eines einjährigen Pilotprojekts machen konnte, das DW Akademie und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Pakistan gemeinsam ins Leben gerufen haben. Zusammen wollen die Organisationen mit Partnern vor Ort das Know-how über Datenjournalismus in der pakistanischen Medienlandschaft stärken. Ziel des Projekts "Implementing Right to Information Acts – Promoting Data-Driven Journalism" ist auch, durch mehr faktenbasierte Berichterstattung das Recht der Bürger auf Informationsfreiheit zu verbessern. "In Daten verstecken sich viele Geschichten, die Gesellschaft und Demokratie in Pakistan voranbringen können, wenn man die Daten zu entschlüsseln weiß und die Zusammenhänge versteht", sagt Lina Elter, Projektmanagerin der DW Akademie.  

Weil es ein Recht auf Auskunft gibt

Die Voraussetzungen für professionellen Datenjournalismus in Pakistan sind gut. Insbesondere die Gesetzgeber haben hier vorgearbeitet. Beispielsweise verfügen die beiden Provinzen Punjab und Khyber-Pakhunkhwa seit dem Jahr 2013 über besonders fortschrittliche Gesetze, was den Zugang der Öffentlichkeit zu Behördeninformationen anbelangt. Selbst Kommissionen, die Informationsanfragen von Bürgern und Journalisten sammeln und an die Behörden weiterreichen, existieren bereits. Allein mit der Nutzung dieses Rechts auf Behördenauskunft will es bislang nicht so recht klappen, was viele Gründe hat.

Asad Baig Trainer für Datenjournalismus

Trainer Asad Baig (Mitte) bei einer Übung zu Datenjournalismus, zu Gast bei Mashriq TV in Pakistan

Das chronische Misstrauen zwischen Behördenmitarbeitern und Journalisten gehört dabei zu den größten Hindernissen. Während den Behörden Geheimniskrämerei und Vertuschung angelastet wird, gelten so manche Journalisten in Kreisen der Offiziellen als höchst unzuverlässige Faktenvermittler. Barkat Ullah Khan, Mitglied der Lokalbehörden der Provinz Khyber-Pakhunkhwa, fasst diese Sicht so zusammen: "Das Projekt wird helfen, dass unsere Informationen besser aufgearbeitet werden, was in manchen Fällen in der Vergangenheit leider so nicht geschehen ist." Viele Journalisten beklagen im Gegenzug, dass Informationsanfragen nur schleppend oder gar nicht bearbeitet werden. In den meisten Fällen wird dies von Behördenvertretern dann mit dem Verweis auf mangelnde Ressourcen entschuldigt.

Plattform für Dialog

Pakistan Dialogforum Projekt DW Akademie und GIZ

NGO-Mitarbeiterin bei der Gruppenarbeit im Dialogforum

Das einjährige Pilotprojekt, was sich auf die Provinzen Punjab und Khyber-Pakhunkhwa konzentriert, setzt deshalb sowohl auf Behörden- wie auf Journalistenseite an. Ein Dialog ist auf den Weg gebracht, bei dem sich beide Gruppen bei vier Konferenzen begegnen. Gemeinsam soll über das Recht auf Auskunft und seine praktische Umsetzung debattiert werden. "Wenn hier gemeinsame Vorschläge ausgearbeitet werden, wie die zukünftige Zusammenarbeit besser laufen könnte, dann ist das ein Erfolg", sagt Projektmanagerin Elter. Während die GIZ mit Behördenvertretern die Arbeitsabläufe bis zur Beantwortung einer Journalistenanfrage durchleuchtet, konzentrieren sich DW Akademie und ihre Partner auf Training und Mentoring von Medienmachern.

Erste Workshops in Medienhäusern in Peschawar thematisierten die Auskunftsrechte für Journalisten – und die damit verbundenen Pflichten der Behörden. Vielfach ist beides noch wenig bekannt, sagen Journalistenverbände vor Ort. In einer anschließenden Mentoringphase werden erfahrene Journalisten bei der Erstellung datenbasierter Berichte begleitet. Die beteiligten Medienhäuser werden parallel dazu beraten, wie sie künftig ihre Arbeitsabläufe so umstellen, dass technisch aufwendige und zeitraubende Datenrecherchen redaktionell möglich werden. Für Professor Kalim Ullah, Mitglied der Kommission für Informationsfreiheit in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, liegt die Initiative mit diesem Ansatz richtig. "Das wird unserer Kommission ganz praktisch dabei helfen, das Recht auf Behördenauskunft umsetzbar zu machen."

Pakistan Projekt DW Akademie und GIZ zum Recht auf Zugang zu Information

Dialogforum zwischen Journalisten und Behördenvertretern: Wie können Bürger Zugang zu Informationen bekommen?

Ein Umdenken im Gang

Im Juli wurde das Projekt in Islamabad offiziell eröffnet. Auch die deutsche Botschafterin in Pakistan, Ina Lepel, war anwesend. Salman Ali, Mitglied der Finanzverwaltung in der Region Punjab, glaubt, dass ein Umdenken bereits eingeläutet wurde. "Das Pilotprojekt führt uns allen ganz deutlich vor Augen, wie umfassend die Auskunftspflichten von Behördensprechern gegenüber den Bürgern eigentlich sind."

Pakistan Ina Lepel und Absar Alam

Ina Lepel, Deutsche Botschafterin in Pakistan (links), und Absar Alam, Vorsitzender der Elektronischen Medienregulierungsbehörde in Pakistan

Damit diese Erkenntnisse weitergetragen werden, soll der Umgang mit Daten und Auskunftsrechten stärker in den Studienplänen von Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen verankert werden. Deshalb kooperiert die DW Akademie mit Institutionen in Karatschi und Peschawar, um diese Themen angehenden Journalisten schon früh nahezubringen. Im kommenden Jahr wird zusätzlich ein Handbuch entstehen, das Hintergründe und Fakten zum Datenjournalismus in Pakistan bündelt. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf das gelegt werden, was aus großen Datenmengen im besten Fall entstehen kann: nämlich spannende Geschichten, die eine Gesellschaft zum Besseren verändern können. Farzana Ali hat sich vorgenommen, bis dahin schon viele eigene Daten-Storys im Kasten zu haben. 

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