Die kulturweit-Freiwillige Maria Claudia Hacker taucht in den Alltag in der Großstadt La Paz ein und erfährt so, was die Menschen und die Politik in Bolivien bewegt.
Maria Hacker (5. v.l.) fühlt sich sehr wohl mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Fundación para el Periodismo (FPP)
Denn wenn ich nicht gerade auf einem Friedhof bei Dreharbeiten schauspielere, verfasse ich Pressemitteilungen und Artikel über die aktuellen Herausforderungen der Stadt La Paz, aber auch über meine persönlichen Erlebnisse. Diese Texte werden auf der Homepage und in der stiftungseigenen Zeitschrift "La Paz Cómo Vamos" (La Paz, wie geht es uns?) der Journalismusstiftung Fundación para el Periodismo (FPP) veröffentlicht. Die FPP ist meine Einsatzstelle und es hat mich positiv überrascht, dass dort alle meine Kollegen und Kolleginnen aus Bolivien sind. „Klasse! So werd ich den bolivianischen Geist noch viel schneller antreffen, “ freute ich mich.
Potpourri der Eindrücke
Außerdem unterstütze ich das Team der FPP tatkräftig bei der Organisation und Durchführung der zahlreichen Veranstaltungen, wie Weiterbildungen und Workshops für Journalisten, die hier stattfinden. Und bei so vielen Veranstaltungen kann es dann dazu kommen, dass mir der Bürgermeister, Luis Revilla, persönlich die Hand schüttelt. Ansonsten habe ich viel Kontakt mit Journalisten, die sich bei der FPP weiterbilden wollen – in diesem Bereich kooperiert die DW Akademie sehr eng mit der FPP. Den einen oder anderen renommierten Journalisten Lateinamerikas durfte ich auch schon bei Workshops kennenlernen, etwa Olga Lucía Lozano, Gründerin der kolumbianischen Plattform für Journalismus abseits des Mainstream, La Silla Vacía, oder Santiago Radice, Social Media-Redakteur beim bonaerensischen Clarín.
Bewegter Alltag in La Paz
So abwechslungsreich wie meinen Alltag empfinde ich auch Bolivien als ein Land der Kontraste. Gegensätzliche Landschaften, in den großen Städten gehen Tradition und Moderne nahtlos ineinander über. Vier Monate lebe ich nun schon in La Paz, der weltweit höchsten Regierungsstadt, auf 3.600 Metern Höhe. Und während ich die ersten Wochen noch mit der Höhenkrankheit Sorojchi zu kämpfen hatte, erklimme ich mittlerweile die steilsten Straßen souverän und flotten Schrittes, ganz wie eine echte paceña. Und doch bin ich es nicht. Das wird mir beim Busfahren, Einkaufen und auch beim salteña-Essen bewusst. Diese mit Fleisch und Suppe befüllten Teigtaschen machen es dem Ungeübten aber auch wirklich nicht leicht, sie unfallfrei zu verzehren
Bolivien befindet sich derzeit in einer bedeutenden Phase: Im Streit mit Chile um einen souveränen Zugang zum Meer hat der Internationale Gerichtshof die chilenische Klage im September abgewiesen und wird diesen Fall nun selbst entscheiden. Ein Siegeszug für die Bolivianer, den große Teile der Bevölkerung mit der Verbreitung des Hashtags #MarParaBolivia feiern.
Doch der bolivianische Alltag ist nicht nur von Erfolgen gezeichnet: In La Paz häufen sich die Streiks der Minibus-Fahrer, die um höhere Tarife kämpfen. Seit etlichen Jahren wurden die Fahrpreise nur geringfügig angehoben. An den Streiktagen sind die sonst so chaotischen Straßen von La Paz wie leergefegt. In einer aktuellen Bürgerbefragung zur Lebensqualität in La Paz, wurden die fehlende Sicherheit und der Verkehr als die zwei größten Herausforderungen genannt. Doch in beiden Bereichen sind bereits positive Entwicklungen zu verzeichnen: Die städtische Seilbahn, der Teleférico, die nun ihr einjähriges Bestehen feiert, ist sehr beliebt und ihr Liniennetz, das derzeit aus drei Linien besteht, soll in Zukunft um drei weitere ausgebaut werden. Für mehr Sicherheit sorgen als Zebra verkleidete, freundlich winkende Menschen, und auch Polizisten geleiten Fußgänger sicher über die meist befahrenen Straßen. Auch eine Touristenpolizei-Hotline wurde eingerichtet.
Meine freie Zeit hier in La Paz war bisher rar. Das liegt allerdings an der glücklichen Tatsache, dass mir bereits in meiner zweiten Woche hier die Ehre zuteil wurde, am dritten Modul des Journalismus-Masters teilnzunehmen, den die FPP organisiert – eine Qualifizierung in Online-Journalismus. Und so bin ich die ersten drei Monate von Montag bis Freitag nach der Arbeit fleißig zur Uni gegangen, nur zwei Häuserblocks von der FPP entfernt und habe dort eine ganze Menge gelernt: über den Ursprung des Internets, Netzsicherheit, den Aufbau von Systemen und darüber, wie man soziale Netzwerke effizient nutzt. Durch den Kurs, die Arbeit und den Kurzfilmdreh auf dem Friedhof, bin ich sehr freundlichen und interessanten Menschen begegnet und fühle mich mittlerweile halbwegs angekommen in dieser aufregenden Stadt. Und schon bald wird der Tag kommen, an dem ich meine erste salteña essen werde, ohne dabei zu kleckern...