Der Journalist Manasseh Azure Awuni ist bereits zweimal wegen Bedrohung aus seinem Land geflohen. Mit der DW Akademie hat er darüber gesprochen, warum Ghana investigativen Journalismus mehr denn je braucht.
Manasseh Azure Awuni ist einer der bekanntesten Investigativjournalisten in Ghana und der Chefredakteur von “The Fourth Estate” (dt. “Die vierte Gewalt”), einem Journalismusprojekt der Media Foundation West Africa (MFWA). Mit der DW Akademie hat er über Herausforderungen in seinem Land gesprochen und darüber, wie seine Organisation darüber berichtet.
Awuni: “The Fourth Estate” ist ein gemeinnütziges Journalismusprojekt der Media Foundation West Africa, das dem öffentlichen Interesse dient. Es wurde als Reaktion auf die zunehmende „Tyrannei“ im Medienbereich gegründet . Kritischen und verantwortungsvollen Journalismus zu betreiben, wird Ghanas traditionelle Medienhäuser zunehmend schwierig. Die Medien konnten in den vergangenen fünf Jahre, wie einige von uns es in diesem Land erlebt haben. Daher konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Themengebiete Korruptionsbekämpfung, Gesundheit, Umwelt und Menschenrechte. Von Zeit zu Zeit bringen wir auch allgemeine Nachrichten, aber unsere Geschichten gehen eher in die Tiefe und konzentrieren sich auf Entwicklungsthemen und Dinge, die für die Menschen von Interesse sind.
Investigativjornalismus ist meiner Meinung nach das, was den Journalismus der Mainstream-Medien in Zukunft am Leben halten wird. Nahezu jede Nachricht wird heute auf Social Media verbreitet. Selbst wenn sich ein Unfall direkt vor einem Radio- oder Fernsehsender ereignet, kann man sicher sein, dass jemand mit einem Mobiltelefon dies auf Twitter oder Facebook veröffentlicht, bevor der Sender es selbst tun kann.
Journalistinnen und Journalisten scheinen also nicht mehr in der Lage zu sein, Nachrichten zu verbreiten, aber wir sind zumindest in der Lage, tiefer zu graben, Einblicke zu gewähren und unbekannte Blickwinkel einzunehmen. Dinge, zu denen der durchschnittliche Blogger oder Social-Media-Nutzende nicht in der Lage wäre. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Außerdem leben wir in einem Land, in dem die staatlichen Institutionen sehr schwach sind, so dass Menschenrechtsverletzungen, Korruption und ähnliche Vergehen in diesem Teil der Welt weit verbreitet sind. Investigativer Journalismus spielt also eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Lücken zu schließen, die die staatlichen Institutionen füllen sollten.
Deshalb ist dieses Projekt so wichtig. Vor allem, weil viele Mainstream-Medien entweder nicht in der Lage sind, Nachforschungen anzustellen, nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, oder einfach die Konsequenzen nicht tragen können, die investigativer Journalismus mit sich bringt.
Wenn ich von Konsequenzen spreche, meine ich viele Dinge. Ich selbst bin bereits mehrfach mit dem Tod bedroht worden. Zeitweise war es im Jahr 2019 so schlimm, dass mir das Nationale Sicherheitsministerium von Ghana zwei Personenschützer gestellt hat. Zwei Mal bin ich außerdem mit meiner Familie aus Ghana geflohen, um woanders Schutz zu suchen. Eine Flucht hat mich nach Bonn geführt. Ich denke, die DW hat eine wichtige Rolle in dieser Zeit gespielt, als ich in Lebensgefahr war. Das andere Mal bin ich nach Südafrika geflohen.
Eine weitere Konsequenz ist, was man in den USA unter SLAPP (Strategic lawsuit against public participation) kennt. Zwischen 2015 und 2020 wurde ich sechsmal wegen Verleumdung verklagt, weil ich einen Artikel geschrieben habe. Die beteiligten Behörden und Personen wissen dabei sehr wohl, dass sie im Unrecht sind. Aber es macht Ihnen als Angeklagter Angst. In meinen Fällen ist interessant, dass alle sechs Ankläger von ihren Klagen abließen, als sie meine Verteidigung sahen. Meine Verteidigung war so stark, dass die Ankläger die Fälle nicht weiterverfolgt haben. Aber nicht jedes Medienhaus ist bereit, Anwälte zu engagieren, die Journalisten vor Gericht verteidigen. Manche haben gar nicht das Geld dafür.
Und dann sind da noch die Werbeeinnahmen: Die ghanaische Regierung ist der größte Anzeigenkunde, und wir befinden uns in einem System, in dem die Regierung und die Regierungspartei so viel kontrollieren, dass sie sogar private Unternehmen dahingehend beeinflussen können, dass diese keine Anzeigen oder Werbeplätze in bestimmten Medien buchen. Daher sind viele Medienhäuser nicht bereit, die Regierung zu beleidigen oder zu kritisieren, weil sie direkt oder indirekt schikaniert werden.
Das Hauptziel von Anfeindungen gegen Journalistinnen und Journalisten besteht darin, die Kritischen unter ihnen zum Schweigen zu bringen. Und wenn das gelingt, können die Regierung und die Behörden ungestraft agieren. Der beste Weg, dem entgegenzuwirken, ist also, entschlossen und fair zu sein und genau den Journalismus zu betreiben, den sie zum Schweigen bringen wollen.
“The Fourth Estate” dient auch als Vorbild für kritischen Journalismus in Ghana. Andere Medienhäuser wenden sich an uns und bitten darum, unsere Inhalte verwenden zu dürfen, weil sie sie interessant finden. Manchmal schicken uns auch unsere Kolleginnen und Kollegen aus traditionellen Medienhäusern Hinweise, die sie selbst nicht weiterverfolgen können. Der beste Weg, Qualitätsjournalismus zu fördern, ist, Beispiele für Qualitätsjournalismus zu liefern. Genau das tun wir. Wir sind sehr zuversichtlich, dass dies bei anderen Menschen Anklang findet, die aufgrund unseres Einflusses und der Aufmerksamkeit und Anerkennung, die wir erhalten, Lust auf investigative Berichte entwickeln werden.
“The Fourth Estate” ist ein Journalismusprojekt der Media Foundation for West Africa, einer Partnerorganisation der DW Akademie, gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).