Die neue Libyan Cloud News Agency (LCNA) ist die erste, unabhängige Nachrichtenagentur in Libyen. Gerade lokale Informationen seien der Schlüssel für einen demokratischen Neustart, sagt Chefredakteur Tarek Al Huni.
Libyens erste, unabhängige Nachrichtenagentur hat am 19. November ihre Arbeit aufgenommen. Gemeinsam von der Europäischen Kommission und der DW Akademie ins Leben gerufen, ist der Hauptsitz der Libyan Cloud News Agency (LCNA) zur Zeit in Tunis. Sie nutzt Satellitentechnik und eine "virtuelle Cloud" Plattform, um Informationen zu speichern und zu übermitteln.
Tarek Al Huni arbeitete als Chefredakteur der libyschen Zeitung "Business and Finance", bis er aufgrund der schwierigen politischen Lage im Sommer 2010 sein Amt niederlegte. Er wurde danach im Jahr 2013 zum Intendanten des libyschen Staatsrundfunks Al Wataniya ernannt und trat von diesem Amt im Sommer 2014 zurück, als bewaffnete Truppen der Koalition mit dem Namen "Libysche Morgendämmerung" die Hauptstadt Tripolis eroberten. Ihr Ziel war es, die Kontrolle über den Sender Al Wataniya zu bekommen, um so die Berichterstattung beeinflussen zu können. Tarek Al Huni ist jetzt Chefredakteur der Libyan Cloud News Agency (LCNA), der ersten unabhängigen und virtuellen Nachrichtenagentur des Landes.
Wie informieren sich Libyens Bürger derzeit über aktuelle Entwicklungen?
Die meisten Libyer nutzen derzeit die sozialen Medien um sich zu informieren, insbesondere weil sie seit der Revolution den Glauben an nationale wie internationale Medien verloren haben. Dabei vertiefen die sozialen Medien die gegenwärtigen Gräben, die es in der libyschen Politik und Gesellschaft gibt, treiben die Akteure sogar noch auseinander, statt sie zu einen. Die vordringlichste Aufgabe der LCNA wird es daher sein, tagesaktuelle Informationen (News Feeds) anzubieten, wahrheitsgetreu und aktuell. Ausgebildete Korrespondenten werden dafür über Geschehnisse in allen Regionen Libyens berichten.
Werden die "News Feeds" der LCNA bald schon Grundlage der Nachrichten in Libyen sein?
Der Hauptfokus unserer Angebote wird auf humanitären, sozialen wie kulturellen Themen aus der libyschen Gesellschaft liegen. Ein anderer wichtiger Baustein der LCNA wird die Fortführung der Journalistenausbildung sein, um damit Fähigkeiten und Hintergrundwissen zu stärken.
Was hat Sie besonders daran gereizt, die Position als Chefredakteur der LCNA anzunehmen?
Ich habe mit Journalisten vor und nach der Revolution in Libyen gearbeitet. Deshalb denke ich, dass gerade jetzt Libyens Bürger Informationen über ihr Land benötigen – und zwar von Libyern. Das ist absolut entscheidend, damit ein neuer, demokratischer Aufbruch gelingen kann. Die LCNA ist die erste, unabhängige Nachrichtenagentur, die seit der Revolution gegründet wurde. Und wir brauchen genau so eine Organisation, die hilft, Stabilität und Frieden ins Land zurückzubringen.
Wie groß ist die Gefahr für Journalisten in Libyen?
Libyen ist aktuell einer der gefährlichsten Orte der Welt für Journalisten. Das wurde auch vom Index der Reporter ohne Grenzen noch einmal bestätigt: Libyen rangiert hier auf Platz 154 von 180 Ländern, wobei eine höhere Zahl in der Skala auch eine potentiell höhere Gefahr für Journalisten darstellt. Wenig verwunderlich, das in Libyen pro Woche mindestens zwei Fälle von körperlichen Attacken oder Kidnapping von Journalisten bekannt werden.
Wie schützen Sie sich und ihre Mitarbeiter?
Unsere Korrespondenten arbeiten in ihren jeweiligen Heimatregionen und Heimatorten, wo sie dem Schutz ihrer jeweiligen Familien-Clans unterstehen. Das hilft ihnen, Konflikte und Gefahren zu umgehen. Jedes lokale Korrespondentennetzwerk hat zudem einen Koordinator in der betroffenen oder der angrenzenden Region. Diese Koordinatoren können zusätzlich vermitteln, wenn es Konflikte gibt.
Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die LCNA steht?
Da fallen mir drei Dinge ein: Es muss gelingen, mehr zahlende Nutzer aus Libyen zu gewinnen, um die LCNA finanziell abzusichern. Dann müssen wir Libyens Bürger auf unseren neuen Dienst aufmerksam machen, und Journalisten motivieren, Informationen und echte Nachrichten selbst für die entlegensten Gebiete zu sammeln.