Freiwilligendienst kulturweit in Myanmar: Mit Mut und Ausdauer | Asien | DW | 16.05.2018
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Asien

Freiwilligendienst kulturweit in Myanmar: Mit Mut und Ausdauer

Im Februar 2018 ist Myanmars erstes Bürgerradio gestartet – eine gemeinsame Leistung von ehrenamtlichen Mitarbeitern vor Ort. Die kulturweit-Freiwillige Nadja Grzesik war dabei.

Myanmars Informationsminister Dr. Pe Myint bei der Eröffnung des Bürgerradios im Februar.

Myanmars Informationsminister Dr. Pe Myint bei der Eröffnung des Bürgerradios im Februar.

Mucksmäuschenstill ist es im Studio. In der Luft liegt Konzentration gemischt mit ein wenig Nervosität. Als Thu Thu Hlaing dann den Mischpultregler nach oben schiebt und ihre erste Live-Sendung anmoderiert, ist der Trubel der Einweihungszeremonie des Vormittags verschwunden: Verflogen auch die Hektik der Vorbereitungen, die Aufregung bei der Ankunft der offiziellen Gäste. Jetzt gilt die Aufmerksamkeit allein dem Geschehen vor dem Mikrofon im Studio. Denn Myanmars erstes Bürgerradio „Khayae FM“ ist zum ersten Mal „on air“. Es sind magische Sekunden, insbesondere für die jungen Männer und Frauen in bunten T-Shirts, auf deren Brust heute das neue, runde Khayae FM-Logo prangt. Ihre Arbeit und ihr Durchhaltevermögen  machten dieses Projekt möglich. 

Allein die Arbeit und das Durchhaltevermögen des Teams aus Freiwilligen machten dieses Projekt möglich.

Allein die Arbeit und das Durchhaltevermögen des Teams aus Freiwilligen machten dieses Projekt möglich.

Radio für die Menschen vor Ort

Seit zwei Jahren trifft sich das Khayae FM-Radio-Team regelmäßig in einem Dorf in Htan Tabin, einem ländlichen Stadtteil am Rande der Metropole Yangon, um eine neue Idee zu verwirklichen. Einen eigenen Sender - speziell für ihren Stadtteil aufzubauen. "Das Radio machen die Menschen hier vor Ort mit Themen, die sie angehen, etwa Gesundheit und Bildung. Alles Dinge, die ihnen in ihrem Alltag helfen", erklärt die Moderatorin Thu Thu Hlaing bei der Einweihung. Für dieses Engagement nehmen sie und viele ihrer ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen täglich Wege von bis zu zwei Stunden in Kauf - zu Fuß, mit dem Motorrad oder Boot. Alle sind überzeugt, dass Khayae FM zur Entwicklung ihrer Gemeinde beiträgt und ein Vorbild für weitere Bürgerradios sein wird. 

Technische Hindernisse verzögern den Start

Doch nicht immer war dieser Glaube selbstverständlich: Daw Mee Mee, die schon 2015 zu Khayae FM gestoßen ist und inzwischen als Stationsmanagerin Verantwortung übernommen hat, erzählt von der Kritik und den Zweifeln ihrer Familie: „Besonders mein kleiner Bruder fand, es sei viel zu anstrengend für mich, sowohl im Haushalt, als auch beim Radio zu arbeiten“.

Das Radio machen die Menschen vor Ort mit Themen, die für sie wichtig sind, etwa Gesundheit und Bildung.

Das Radio machen die Menschen vor Ort mit Themen, die für sie wichtig sind, etwa Gesundheit und Bildung.

Weil sich außerdem der Import der technischen Ausrüstung für das Radio immer weiter verschoben habe, seien die Menschen skeptisch geworden. „Viele haben den Erfolg des Projektes bezweifelt und darauf gewartet, dass es vorangeht. Ohne Mikrofone, Studiopult, Computer und Aufnahmegeräte blieb das Bürgerradio für viele aber zu abstrakt“, erinnert sich Daw Mee Mee. Auch einige Ehrenamtliche habe der Mut verlassen: Sie beendeten ihr Engagement, um wieder Zeit für „wirkliche“ Arbeit zu haben, zum Beispiel in der Fabrik oder in der Landwirtschaft. 

Großes Potential für den Vielvölkerstaat Myanmar

Doch ein harter Kern gab nicht auf. „Das Projekt wird den Menschen hier großen Nutzen bringen. Es lohnt sich für uns, durchzuhalten!“, glaubten Thu Thu Hlaing, Daw Mee Mee und ihre derzeit sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter fest. Als Bürgerjournalistinnen und -journalisten würden sie ganz nah an den Ereignissen in der Gemeinde dran sein, Informationen schnell weitergeben und eine Plattform für  Diskussion und Zusammenarbeit bieten. Außerdem träumten sie davon, dass Htan Tabin durch das Radio als Gemeinschaft enger zusammenwächst.

Man kann sich vorstellen, welches Potential Bürgermedien im Vielvölkerstaat Myanmar mit seinen mehr als 100 ethnischen Sprachen hätten: Doch noch gibt es nur das eine Pilotprojekt – eben Khayae FM, das die Grundlage für eine bisher einzigartige Entwicklung im Land sein kann. Zwar gibt es in den Städten mittlerweile auch halbstaatliche oder private Online-Medien, auf dem Land aber sind oft staatliche und militärische Sender die einzigen Informationsquellen. Diese wissen meist nichts über die Bedürfnisse der ländlichen Bevölkerung. Für Htan Tabin will Khayae FM genau diese Lücke füllen.

Daw Mee Mee jedenfalls ließ sich von den Sorgen ihres Bruders nicht verunsichern. Unermüdlich warb sie bei Freunden und Nachbarn für das Projekt,  traf die anderen Ehrenamtlichen zu Workshops und feilte an Programmplänen für das neue Radio. 

Der Ablauf im Radiosender war für die meisten neu.

Der Ablauf im Radiosender war für die meisten neu.

Der erste Meilenstein ist geschafft

Schließlich war es soweit: Der Zoll gab das Studioequipment zum Import frei und plötzlich wurde buchstäblich „greifbar“, was Radio ist. Mit Aufnahmegeräten und Kopfhörern zogen die Bürgerjournalistinnen und -journalisten los, führten Interviews, kreierten Radio-Jingles und übten die Abläufe am Selbstfahrer-Studiopult. Auch auf dem Land war deutlich zu spüren, dass etwas vor sich ging: In den 51 Dörfern des Projektgebiets ließ sich plötzlich ein neues Radiosignal empfangen - das Testprogramm von Khayae FM. Aus Zweifeln wurde gespannte Vorfreude. Und dann - am 18. Februar 2018 - versammelten sich rund 200 Gäste –  darunter Myanmars Informationsminister, Dr. Pe Myint und der Direktor des staatlichen Rundfunks MRTV, U Myint Htway – zur offiziellen Eröffnungsfeier.

Als an diesem Tag Thu Thu Hlaing ihre Liveshow abmoderiert und den Regler ihres Mischpults nach unten schiebt, trägt sie ein Lächeln  im Gesicht. Es ist ein vorsichtiges Lächeln, aber es verrät, wie erleichtert und stolz sie auf das Engagement und Durchhaltevermögen des Khayae FM-Teams ist.

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