Frauen im Kölner Karneval
Frauen feiern genauso gern und viel Karneval wie Männer. Trotzdem sind die meisten Karnevalsgesellschaften und Traditionskorps reine Männerbünde. Nach dem Motto „Selbst ist die Frau“ haben die Damen Abhilfe geschaffen.
Frauen im Kölner Karneval
Frauen feiern genauso gern und viel Karneval wie Männer. Trotzdem sind die meisten Karnevalsgesellschaften und Traditionskorps reine Männerbünde. Nach dem Motto „Selbst ist die Frau“ haben die Damen Abhilfe geschaffen.
Ein Besuch auf einer Karnevalssitzung in Köln-Vogelsang. Auf der Bühne stehen 40 Frauen in der Uniform ihrer Garde Garde, -n (f.) hier: eine Gruppe im Karneval, deren Mitglieder historische Soldatenuniformen und Perücken (unechtes Haar) auf dem Kopf tragen : lange, weiße Hose, blaue Jacke mit roten Stulpen Stulpe, -n (f.) hier: ein Teil des Ärmels, der am Ende nach oben gefaltet ist , schwarze Stiefel und auf dem Kopf ein Dreispitz Dreispitz, -e (m.) ein Hut, dessen Rand an drei Seiten nach oben geklappt ist , geschmückt mit blau-rot-weißen Federn.
„Damengarde macht euch bereit zum Präsentieren. Die Fahnen hoch. Musik bitte.“
Die militärisch aussehenden Frauen gehören zur 1. Damengarde Coeln 2014 e.V. und starten mit ihrem Bühnenprogramm, sie präsentieren sich. Vor wenigen Jahren war eine weibliche Garde noch unvorstellbar, erzählt Präsidentin Barbara Brüninghaus:
„Unsere Gründungspräsidentin, die wollte eigentlich unbedingt mit Uniform auf die Bühne. Und das geht eben als Frau im Kölner Karneval nicht. Wenn man eben Mitglied in einem Traditionskorps werden will, muss man ein Mann sein.“
In Köln gibt es neun Karnevalsgesellschaften Karnevalsgesellschaft, -en (f.) ein Zusammenschluss von Karnevalisten/Karnevalistinnen, der Veranstaltungen organisiert; auch: der Karnevalsverein , die sich mit dem Titel „Traditionskorps“ schmücken dürfen. Diese Ehrenbezeichnung bekommt man vom Festkomitee Kölner Karneval Festkomitee Kölner Karneval (n., nur Singular) die Gesamtinteressenvertretung aller mehr als 100 Karnevalsgesellschaften in Köln verliehen. Alle diese Traditionskorps sind vor 1926 gegründet worden – und bestehen nur aus Männern. Wer eine Gardeuniform tragen möchte, muss sich einem dieser Korps anschließen. Frauen haben keine Chance, Mitglied in so einem Traditionskorps zu werden. Also gründeten sie im Jahr 2014 einfach eine eigene Garde. Der einzige Mann in ihren Reihen war bis zur Saison 2020 das Tanzmariechen Tanzmariechen, - (n.) eine Tänzerin im Karneval mit einer typischen historischen Bekleidung (geschmückter Hut in Dreiecksform, Uniform mit Jacke und Rock, Stiefel und Perücke mit Zöpfen) Udo Laurien – ein Job, der normalerweise Frauen vorbehalten ist. Zum Gender-Thema im Karneval bezieht er klar Position:
„Mindestens so viele Frauen feiern Karneval wie Männer. Also, denke ich mal, sollte man auch in Vereinen viel mehr Frauen integrieren und vielleicht das Ganze [ein] bisschen durchlässiger machen.“
Zum traditionellen Beginn des Karnevals am 11.11. sind mehr Jeckinnen Jeck, -en/Jeckin, -nen rheinisch für: der Narr/die Närrin als Jecken auf den Straßen. Auch an Weiberfastnacht, der Eröffnung des Straßenkarnevals, stellen Frauen die Mehrheit. Sie helfen bei den Vorbereitungen für Karnevalsumzüge Umzug, -züge (m.) hier: die Prozession der Karnevalsgesellschaften, deren Mitglieder gemeinsam auf Pferden, in Wagen oder zu Fuß durch die Stadt ziehen - und Sitzungen Sitzung, -en (f.) hier: eine organisierte Karnevalsveranstaltung mit vielen Programmpunkten , beim Schneidern der Kostüme und beim Schmücken der Säle. Und trotzdem sind die traditionsreichen Karnevalsgesellschaften in der Millionenstadt reine Männerbünde Bund, Bünde (m.) hier: eine organisierte Verbindung von mehreren Personen . Frauen sind im offiziellen Karneval meist nur schmückendes Beiwerk Beiwerk (n., nur Singular) etwas, was ergänzend zu etwas dazukommt für die Herren der Schöpfung.
Doch einige Frauen wollten das so nicht stehenlassen etwas (nicht) stehen lassen hier übertragen für: etwas (nicht) akzeptieren und gründeten im April 1999 Kölns erste Damenkarnevalsgesellschaft, die „Colombina Colonia“. Im Vorstand: nur Frauen. Das hatte es in Köln noch nie gegeben. Zwar duldeten einige wenige der mehr als 100 Karnevalsgesellschaften und Vereine, die im Festkomitee organisiert sind, Frauen in ihren Vorstandsreihen – aber gerade mal mickrige mickrig dürftig; armselig; geringfügig 19 Prozent. Die Hälfte der Vereine hat sogar rein männliche Vorstände. Die meisten Gesellschaften haben sich im 19. Jahrhundert gegründet, eben ohne Frauen. Und einige Gesellschaften und Vereine – allen voran die Traditionscorps – wollen das als Brauchtum auch so beibehalten, so Michael Kramp, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands beim Festkomitee Kölner Karneval:
„Wir können den Gesellschaften nicht vorschreiben, wer in so ’n Amt gewählt wird. Das machen die Gesellschaft natürlich alleine. Wir sind ja nur deren Interessenvertretung. Wir können da, glaub‘ ich, mit gutem Beispiel vorangehen.“
Kleine Fortschritte gibt es durchaus. Das Festkomitee ging mit gutem Beispiel voran: Inzwischen gehört eine Frau zum erweiterten Vorstand. Auch im sogenannten Elferrat, einem Gremium aus altgedienten Karnevalisten, die dem Präsidenten bei einer Sitzung unter die Arme greifen jemandem unter die Arme greifen umgangssprachlich für: jemandem bei einer Sache helfen und Karnevals-Orden an die auftretenden Künstler verteilen, saßen 2020 erstmals fünf Frauen – und zwar bei einer der wichtigsten im Fernsehen übertragenen Karnevalssitzungen im Kölner Festsaal „Gürzenich“. Ansonsten ist auch dieser Elferrat fest in Männerhand. Noch nie gab es eine Frau, die den großen Karnevalsumzug an Rosenmontag Rosenmontag, -e (m.) Karnevalsmontag geleitet hat. Doch eine Frauenquote Frauenquote, -n (f.) ein Anteil von Frauen (z. B. in einer Firma), der im Zuge der Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgelegt wird lehnt das Festkomitee ab. Bei der Besetzung wichtiger Posten soll es rein um das Können gehen, nicht um das Geschlecht. Michael Kramp ist in diesem Punkt allerdings zuversichtlich:
„In vielen Gesellschaften funktioniert das schon. Aber da muss auf jeden Fall auch noch mehr passieren. Da sind wir uns von Festkomitee-Seite aus absolut einig.“
Geht es aber um das Kölner Dreigestirn Kölner Dreigestirn (n., nur Singular) die offiziellen Herrscher über das Narrenvolk, die aus dem Prinzen, dem Bauer und der Jungfrau bestehen und jedes Jahr neu bestimmt werden , das Aushängeschild Aushängeschild (n., nur Singular) hier übertragen für: eine Person oder Sache, die vorbildlich für eine Gruppe stehen soll des Karnevals, sieht Michael Kramp für weibliche Beteiligung in Köln erschwerte Bedingungen:
„Am Ende müsste dieses erste weibliche Dreigestirn natürlich auch besser sein, als dann die Männer zuvor. Weil, jeder würde sonst sagen: ‚Ja klar, das sind ja Frauen.‘ Und genau das wollen wir nicht.“
Das Kölner Dreigestirn besteht aus dem Prinzen Prinz, -en (m.) hier: der höchste Repräsentant des Kölner Karnevals; wichtigste äußere Merkmale: Karnevalshut mit vier Fasanenfedern und eine Pritsche, ein symbolischer Bestrafungsgegenstand aus Holz, Pappe oder Metall , dem Bauern Bauer, -n (m.) hier: eine historische Figur aus der Kölner Stadtgeschichte, die für die Wehrhaftigkeit steht; seine wichtigsten äußeren Merkmale: ein prachtvoller Kopfschmuck mit bis zu 100 Pfauenfedern als Symbol der Unsterblichkeit der freien Reichsstadt Köln und der Jungfrau Jungfrau, -en (f.) hier: eine Figur, die die freie und unabhängige Stadt Köln symbolisiert und von einem Mann dargestellt wird; ihr wichtigstes Attribut: eine Mauerkrone, als Zeichen der Unbesiegbarkeit der Stadt Köln . Alle Rollen werden von Männern verkörpert – und das schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Lediglich in den Jahren 1938 und 1939 musste die Jungfrau auf Anweisung der Nationalsozialisten eine Frau sein. Obwohl es nach wie vor Widerstände gibt, mehren sich die Stimmen, dass Frauen in karnevalistischen Führungsrollen sichtbarer werden müssen. Biggi Wanninger, seit 1999 Präsidentin der alternativen Kölner Stunksitzung Stunksitzung (f., nur Singular) eine als Gegenveranstaltung zum offiziellen Kölner Karneval gegründete alternative Veranstaltung, bei der sich die Mitwirkenden über aktuelle Themen und Personen lustig machen , fordert Frauen auf, hartnäckig hartnäckig beharrlich, nicht nachlassend zu bleiben – auch beim Dreigestirn. Männer würden ihre prestigeträchtigen prestigeträchtig so, dass etwas hohes Ansehen und Ruhm bringt Posten eben nicht von allein räumen räumen hier: aufgeben :
„Ich glaube, Traditionen und Brauchtum, das muss etwas Lebendiges sein, sonst erstarrt es – und verkrustet. Und Karneval hat was damit zu tun, dass man Verhältnisse auf den Kopf stellt. Und auch da müsste dann das Festkomitee mal drüber nachdenken, dass man auch das mal auf den Kopf stellt, dieses Dreigestirn.“
Dinge mal ganz anders zu machen als sonst, sie auf den Kopf zu stellen, ist der wesentliche Kern von Karneval. Nicht umsonst wird von einer „närrischen Zeit“ gesprochen. Nach Ansicht von Biggi Wanninger sollen auch karnevalistische Traditionen überdacht werden. Das, was immer so war, muss ja nicht so bleiben, soll sich auch ändern dürfen. Sonst drohen die traditionellen Strukturen zu erstarren und zu verkrusten, hart und unflexibel zu werden.
Zurück zur Damengarde in Köln-Vogelsang. Die Frauen warten nicht mehr auf die Gunst der Männer. Sie haben sich mit anderen Frauengesellschaften zusammengetan und organisieren jetzt Veranstaltungen von Frauen für Frauen. Barbara Brüninghaus:
„Ich glaube, wir haben das selber in der Hand, dass sich das in der Zukunft noch weiter positiv verändert.“
Bei ihrer ersten gemeinsamen Sitzung im Januar 2020 stellten die Präsidenten der männlichen Traditionskorps den Elferrat. Zur Feier des Tages wurden sie mit blonden Zöpfen ausgestattet, die von ihren Narrenkappen herunterbaumelten baumeln hier: herabhängen . Ihre einzige Aufgabe an diesem Abend: zuschauen.
Frauen im Kölner Karneval
Garde, -n (f.) — hier: eine Gruppe im Karneval, deren Mitglieder historische Soldatenuniformen und Perücken (unechtes Haar) auf dem Kopf tragen
Stulpe, -n (f.) — hier: ein Teil des Ärmels, der am Ende nach oben gefaltet ist
Dreispitz, -e (m.) — ein Hut, dessen Rand an drei Seiten nach oben geklappt ist
Karnevalsgesellschaft, -en (f.) — ein Zusammenschluss von Karnevalisten/Karnevalistinnen, der Veranstaltungen organisiert; auch: der Karnevalsverein
Festkomitee Kölner Karneval (n., nur Singular) — die Gesamtinteressenvertretung aller mehr als 100 Karnevalsgesellschaften in Köln
Tanzmariechen, - (n.) — eine Tänzerin im Karneval mit einer typischen historischen Bekleidung (geschmückter Hut in Dreiecksform, Uniform mit Jacke und Rock, Stiefel und Perücke mit Zöpfen)
Jeck, -en/Jeckin, -nen — rheinisch für: der Narr/die Närrin
Umzug, -züge (m.) — hier: die Prozession der Karnevalsgesellschaften, deren Mitglieder gemeinsam auf Pferden, in Wagen oder zu Fuß durch die Stadt ziehen
Sitzung, -en (f.) — hier: eine organisierte Karnevalsveranstaltung mit vielen Programmpunkten
Bund, Bünde (m.) — hier: eine organisierte Verbindung von mehreren Personen
Beiwerk (n., nur Singular) — etwas, was ergänzend zu etwas dazukommt
Herren der Schöpfung (nur Plural) — umgangssprachlich für: Männer
etwas (nicht) stehen lassen — hier übertragen für: etwas (nicht) akzeptieren
mickrig — dürftig; armselig; geringfügig
jemandem unter die Arme greifen — umgangssprachlich für: jemandem bei einer Sache helfen
Rosenmontag, -e (m.) — Karnevalsmontag
Frauenquote, -n (f.) — ein Anteil von Frauen (z. B. in einer Firma), der im Zuge der Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgelegt wird
Kölner Dreigestirn (n., nur Singular) — die offiziellen Herrscher über das Narrenvolk, die aus dem Prinzen, dem Bauer und der Jungfrau bestehen und jedes Jahr neu bestimmt werden
Aushängeschild (n., nur Singular) — hier übertragen für: eine Person oder Sache, die vorbildlich für eine Gruppe stehen soll
Prinz, -en (m.) — hier: der höchste Repräsentant des Kölner Karnevals; wichtigste äußere Merkmale: Karnevalshut mit vier Fasanenfedern und eine Pritsche, ein symbolischer Bestrafungsgegenstand aus Holz, Pappe oder Metall
Bauer, -n (m.) — hier: eine historische Figur aus der Kölner Stadtgeschichte, die für die Wehrhaftigkeit steht; seine wichtigsten äußeren Merkmale: ein prachtvoller Kopfschmuck mit bis zu 100 Pfauenfedern als Symbol der Unsterblichkeit der freien Reichsstadt Köln
Jungfrau, -en (f.) — hier: eine Figur, die die freie und unabhängige Stadt Köln symbolisiert und von einem Mann dargestellt wird; ihr wichtigstes Attribut: eine Mauerkrone, als Zeichen der Unbesiegbarkeit der Stadt Köln
Stunksitzung (f., nur Singular) — eine als Gegenveranstaltung zum offiziellen Kölner Karneval gegründete alternative Veranstaltung, bei der sich die Mitwirkenden über aktuelle Themen und Personen lustig machen
hartnäckig — beharrlich, nicht nachlassend
prestigeträchtig — so, dass etwas hohes Ansehen und Ruhm bringt
räumen — hier: aufgeben
baumeln — hier: herabhängen