Im Fokus der Arbeit der DW Akademie in Tunesien steht der freie und umfassende Informationszugang. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Innovation und der wirtschaftlichen Resilienz von Medien und Medienprojekten.
Die Rückschritte in der demokratischen Entwicklung Tunesiens spiegeln sich auch in der sich verschlechternden Pressefreiheit im Land wider. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Tunesien auf Platz 118 von 180 (2024). Ein drastischer Abstieg, denn 2021 belegte Land noch Platz 73.
Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit der autoritäre Regierungsführung des Staatspräsidenten Kaïs Saïed. Durch den Putsch im Jahr 2021, der die Gewaltenteilung aufhob, und dem Ausgang des Verfassungsreferendums ein Jahr später hat sich das Arbeitsumfeld für Medienschaffende massiv verschlechtert. Journalistinnen und Journalisten, die frei und kritisch berichten, sind zunehmend Druck und Einschüchterung durch Regierungsbeamte und linientreue Anhänger Saïeds ausgesetzt. Verhaftungen von Medienschaffenden nehmen zu.
Grundlage dieser Repressionen ist unter anderem das im September 2022 erlassene Dekret 54, ein weitreichendes Cybercrime-Gesetz, das die Behörden mit umfassenden Machtbefugnissen zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung im Internet ausstattet. 2023 waren Amnesty International rund vierzig Verfahren gegen Medienschaffende, Aktivistinnen und Aktivisten aber auch einfache Bürgerinnen und Bürgern bekannt. Die Organisation geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Folge ist häufig Selbstzensur. Des- und Misinformation spielen in Tunesien eine große Rolle – vor allem in den sozialen Medien.
Dennoch sind Medien noch immer Schlüsselakteure bei der Verteidigung von demokratischen Errungenschaften in Tunesien: Sei es durch die Recherche, Kontextualisierung und Verbreitung gesicherter Informationen oder durch ihre Vorbildfunktion im Hinblick auf den Umgang mit Informationen.
Durch die andauernde Wirtschaftskrise wird das Mediensystem zusätzlich geschwächt. Nicht-staatliche Medien haben Probleme, ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. Qualitativ hochwertige journalistische Inhalte können aber nur entstehen, wenn Medienschaffende von ihrer Arbeit leben können. Insbesondere nicht-staatliche Lokalmedien stehen unter großem wirtschaftlichem Druck.
Im Fokus der Arbeit der DW Akademie in Tunesien steht der freie und umfassende Informationszugang.
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Dazu hat DW Akademie den Smart Media Accelerator ins Leben gerufen: Unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) richtetet sich das InkubationsprogrammMedia Loves Tech an junge Medieninitiativen, die für Qualitätsjournalismus und digitale Innovation stehen. Sie werden bis zur Marktreife begleitet. Media Loves Tech wird seit 2018 jährlich in Kooperation mit der tunesischen Medien-NRO Al Khatt implementiert.
Der Smart Media Accelerator beinhaltet außerdem den sogenannten Media Parcours, der etablierte Medien bei ihrer digitalen Transformation, der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und der Produktion von journalistischen Formaten unterstützt. Die Auswahl der geförderten Medien erfolgt nach Ausschreibung über eine unabhängige Jury.
Darüber hinaus werden im Zuge des Smart Media Accelerators, in Kooperation mit dem Technikpartner Lectful, freizugängliche Onlinekurse und Master Classes angeboten, die sich an tunesische Medienschaffende und Medienmanagerrichten richten.
Ebenfalls unterstützt durch das BMZ konnte 2023 zudem ein Online-Kurs zu Wissenschafts- und Gesundheitsjournalismus für Medienschaffende in der gesamten MENA-Region eingeführt werden. Unter dem NamenDalilak Liloloum (zu Deutsch „Dein Wegweiser zur Wissenschaft“), wendet sich dieser MOOC (Massive Open Online Course) an arabischsprachige Journalistinnen und Journalisten, die ihre Fachkenntnis und praktischen Fähigkeiten vertiefen möchten - und diese Schulung ganz flexibel und in ihrem eigenen Tempo durchlaufen können. Das Angebot wird in Kooperation mit der tunesischen NRO Carthage Health Association realisiert und ergänzt durch digitale Netzwerkveranstaltungen für Fachjournalistinnen und -journalisten zu Gesundheitsthemen.
Im Rahmen des EU-Projekts „Tunisie 360° - On en parle!“ (2023-2026) unterstützt die DW Akademie ausgewählte Medien und NROs finanziell und berät sie bei der Produktion von journalistischen Inhalten zu Themen von sozio-ökonomischem Interesse. Die südtunesische NRO AMAJ und die Trägerorganisation von Radio Nefzawa aus Kebili sind Partner in diesem Projekt. AMAJ organisiert in diesem Zusammenhang Dialogformate in südtunesischen Radios (Caravanes de débat) mittels eines mobilen Hörfunkstudios .
Innerhalb eines europäischen Konsortiums (Programme d’appui aux médias en Tunisie II) und mit Mitteln der EU unterstützt die DW Akademie zudem digitale Innovationen im Medienbereich und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für Privat- und Bürgermedien.
Im Zeichen von Netzwerk und Dialog steht das vom Auswärtigen Amt finanzierte Projekt „Parler Environnement“ (2023-2024), das sich als regionales Angebot an Medienschaffenden und Mitarbeitende von Umwelt-NROs aus Tunesien, Algerien und Mauretanien richtet. Es unterstützt regionale Recherchen und die Produktion und Verbreitung von Beiträgen zu Umwelt- und Klimathemen.
Dieses Projekt baut auf den Erfahrungen des Pop up Think Tank Tunis auf. Anfang 2023 fanden in diesem Zuge Fortbildungen, Gesprächsrunden und Kulturveranstaltungen rund um Wissenschaftsjournalismus zur Lösung der Umwelt- und Klimakrise statt. Der Think Tank bot auch einen Co-Working-Space und damit einen physischen Raum für Austausch.
Die DW Akademie arbeitet seit 2011 mit lokalen Projektpartnern in Tunesien. 2013 bezog sie ihr Büro in Tunis. Seit 2021 ist die DW Akademie mit ihrem Länderprogramm in Tunesien offiziell registriert.
Mittelgeber: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Auswärtiges Amt (AA), Europäische Union (EU)
Program Director: Vera Möller-Holtkamp
Einsatzorte: u.a. Tunis, Kebili, Medenine, Bizerte
Partner: Al Khatt, AMAJ (Radio Nefzawa)
Schwerpunkte: Qualifizierung, Zukunftsfähigkeit der Medien, Gesellschaftliche Teilhabe