Ein Partner der DW Akademie hat ein Netzwerk von Reporterinnen und Reportern in entlegenen Dörfern aufgebaut. Das Ziel: Geschichten erzählen, die es sonst nicht in die breitere Öffentlichkeit schaffen.
Es ist ein nebliger und kalter Tag in Norashen, einem kleinen Dorf in der Region Tavush in Armenien. Schornsteinrauch liegt in der Luft und die Bergkette hinter dem Dorf ist kaum zu erkennen.
Ester Zakaryan ist vor vier Jahren in diesen abgelegenen Ort gezogen und stellt damit eine Ausnahme von der Regel dar: Sie ist eine junge Frau, die zuvor in Armeniens Hauptstadt Jerewan gelebt hat. Normalerweise ist es andersherum: Die armenische Jugend zieht es in die Stadt; sie lässt die kleinen Städte, Dörfer und Weiler hinter sich.
Für Ester ist das Leben auf dem Dorf nicht weniger interessant als in Jerewan und voller Geschichten. Sie war enttäuscht von der Darstellung der Region in den Medien, sagt sie. Berichte konzentrierten sich ausschließlich auf die Nähe zur aserbaidschanischen Grenze und blendeten fast alle anderen Aspekte des Lebens hier aus.
Das brachte sie dazu, selbst Geschichten zu erzählen, an einem Journalismuswettbewerb teilzunehmen und schließlich Reporterin für Tavush Media zu werden, ein regionales Medium, das ein Netzwerk junger Reporterinnen und Reporter aufgebaut hat.
"Eines meiner Hauptziele ist es, die Probleme unseres Dorfes offen anzusprechen", sagt Ester Zakaryan, "Ich mag es nicht, wenn wir versuchen, Probleme zu verstecken oder zu vertuschen. Wenn ich ein Problem sehe, zum Beispiel mit der Wasserversorgung oder bei Bauarbeiten, werde ich es auf jeden Fall ansprechen. Jeder hier weiß das."
Ihr Fokus auf das dörfliche Leben bedeutet aber nicht, dass Ester den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien in der Grenzregion der beiden Länder ignorieren würde. "Während des letzten Krieges, als ich zum ersten Mal Schüsse hörte, waren die Militäreinheiten direkt hinter dem Berg", erinnert sie sich.
Tavush Media ist ein regionaler Partner der DW Akademie in Armenien. Das Medium bietet jungen Reporterinnen und Reportern wie Ester Zakaryan eine Plattform, auf der sie Artikel, Fotoreportagen und Geschichten, die Menschen in den Mittelpunkt stellen, veröffentlichen können. Die Reporterinnen und Reporter konzentrieren sich auf das Leben einfacher Leute in den Grenzdörfern und auf die Herausforderungen und Probleme, mit denen ihre Gemeinden konfrontiert sind.
Heute ist Ester zu Dreharbeiten in Norashen unterwegs. Sie filmt mit ihrem Smartphone die traditionelle Herstellung von Brot in einem Holzofen. Ester produziert ihre gesamte Berichterstattung mit ihrem Smartphone. Mobiler Journalismus bietet ihr die Möglichkeit, auch unterwegs und an abgelegenen Orten Inhalte zu erstellen. Dank neuer Technik kann jeder eine Geschichte über eine interessante Person in seinem Dorf erzählen, über einen Nachbarn, der aus dem Ausland zurückgekehrt ist, über eine Nacht in einem Luftschutzkeller oder über einen Sommerjob auf der Alm.
Dieser dezentralisierte Bürgerjournalismus trägt dazu bei, eine Informationskluft im armenischen Mediensystem zu schließen: Wer in Jerewan lebt, hat nur sehr wenig Zugang zu Berichten aus den abgelegenen und ländlichen Teilen des Landes. Wer in der Hauptstadt wohnt, erfährt von einem Dorf nur, wenn er gezielt danach sucht oder wenn ein Regierungsbeamter es besucht. Doch das Leben in der Stadt und in den kleinen Dörfern ist grundverschieden; die Vermittlung beider - vielschichtiger - Realitäten ist für den Dialog unerlässlich.
Die Arbeit der DW Akademie und ihrer Partner mit Tavush Media ist Teil des Projekts "European Media Facility in Armenia - Building Sustainable and Professional Media", das von der Europäischen Union und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird.