Im Februar wählen die Turkmenen einen neuen Präsidenten - der höchstwahrscheinlich der alte sein wird. Bereichsleiter Mathis Winkler erklärt, warum ein Projekt zur Wahlberichterstattung dennoch sinnvoll war.
Die meisten Turkmenen erhalten ihre Informationen von ausländischen Sendern - dementsprechend hoch ist die Dichte an Satellitenschüsseln.
Ein Journalistentraining zum Thema Wahlberichterstattung im autoritär regierten Turkmenistan? Wie muss man sich das vorstellen?
Zugegeben: Das klingt zunächst einmal absurd. Viel weniger Medienfreiheit als in Turkmenistan geht kaum. Reporter ohne Grenzen stuft zum Beispiel nur Nordkorea und Eritrea noch schlechter ein. Es gibt im Land - bis auf ein feigenblättriges Wirtschaftsmagazin - keine privaten Medien. Wer in Aschgabat auf Zeitungssuche geht, wird nur schwer fündig, da sie nicht öffentlich verkauft werden. Das Fernsehen zeigt fast ausschließlich Bilder von weidenden Schaf- oder Pferdeherden und natürlich den Präsidenten in allen Facetten: Beim Erteilen von Befehlen an sein Kabinett, beim Inspizieren von neuen Prachtbauten oder bei Audienzen mit winkenden Menschenmassen.
Für die jetzt anstehende Wahl sollten Porträts der Kandidaten mit Hilfe unserer Experten produziert werden. Der Präsident selbst verzichtete großzügig auf eine Darstellung, tauchte dann jedoch auf Großbildern im Hintergrund in den Beiträgen über seine angeblichen Rivalen auf. Für die Filme gab es genaue Anweisungen. Immerhin konnten unsere Trainer letztendlich kleine Erfolge erzielen. So überzeugten sie die turkmenische Filmcrew - die übrigens sonst ausschließlich den Präsidenten filmt - den Originalton des Filmes nicht komplett zu löschen und mit einem Voice-Over zu ersetzen.
Das hört sich tatsächlich nach recht übersichtlichen Veränderungen an. Macht es denn unter diesen Voraussetzungen überhaupt Sinn, in so einem Land zu arbeiten?
Das ist eine Frage, die wir uns selbst auch immer wieder stellen. Natürlich ist es eine Gratwanderung: Geben wir durch unsere Projekte einem verschlossenen Regime die Möglichkeit, eine leichte Öffnung vorzugaukeln? Oder können wir - trotz aller Einschränkungen - doch etwas erreichen? Meiner Meinung nach geht es hier darum, einen Dialog mit den Menschen im Land aufzubauen und aufrecht zu erhalten, um ihnen auch andere Gesellschaftsmodelle nahe zu bringen. Das sehen übrigens auch andere deutsche Vertreter in Turkmenistan so. Es ist jedoch sehr mühsam. Wie ich selbst erlebt habe, hat in dem Land jeder letztendlich Angst, einen falschen Schritt zu machen, für den er später bestraft werden könnte.
Was bedeutet das?
Nehmen wir ein anderes Projekt: Seit einem knappen Jahr arbeiten wir in regelmäßigen Abständen mit turkmenischen Journalisten an einem Dokumentarfilm mit dem Arbeitstitel "Hochzeit in Turkmenistan". Das mag sich nicht nach einem kontroversen Thema anhören, doch wir stellten schnell fest, dass selbst Kleinigkeiten zum Problem werden können. Kommentare wie "Der Vater der Braut trägt ein schmutziges Hemd, das können wir so nicht senden" oder "Wir können die Frauen nicht beim Abwasch zeigen" konterkarieren natürlich unser Verständnis von Dokumentarfilmen. Da war viel Fingerspitzengefühl notwenig. Und obwohl das Projekt vom zuständigen Ministerium mit Brief und Siegel genehmigt war, mussten wir bei jedem Besuch erneut Überzeugungsarbeit bei den turkmenischen Kollegen leisten, sich auf das Projekt einzulassen. Die Schere in den Köpfen ist einfach riesig.
Wird der fertige Dokumentarfilm denn überhaupt in Turkmenistan gesendet?
Das hoffen wir sehr. Unser Trainer hat vor Kurzem mit den Turkmenen den Rohschnitt fertig gestellt. Die Feinarbeit übernehmen die - übrigens technisch gut ausgebildeten - Kollegen vor Ort selbst. Auch wenn das Endprodukt nicht mit Dokumentarfilmen im deutschen Fernsehen vergleichbar sein wird, so wäre es doch eine kleine Revolution, wenn wir es schafften, im sonst "menschenleeren" Fernsehen eine echte turkmenische Braut zu Wort kommen zu lassen.
Mit Mathis Winkler sprach Ellen Schuster.
Über das Projekt
Die DW Akademie kooperiert seit 2010 mit dem BBC Media Action in einem EU-geförderten Projekt und flankiert dieses mit Projekten, die vom deutschen Auswärtigen Amt und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert werden. Zusätzlich zu den oben erwähnten Projekten beraten Experten der DW Akademie turkmenische Journalisten bei der Entwicklung eines neues TV-Gesundheitsmagazins und weiterer Feature-Formate für das Fernsehen. Außerdem lud die DW Akademie turkmenische Medienvertreter zu einer Informationsreise nach Deutschland und entsandte einen Medienrechtsexperten nach Aschgabat für einen runden Tisch zur Reform des - noch aus Sowjetzeiten - stammenden Medienrechts. Das Projekt endet im Juni 2012.