Spionage und Datenklau: Wie können Journalisten sicher im Netz recherchieren und dabei ihre Quellen schützen? Darüber diskutierten Medienexperten und Politiker auf Einladung der DW Akademie.
"Perfekte digitale Sicherheit gibt es nicht. Bei heiklen Recherchen sollte man sich mit seinen Informanten ohne Handy und mit Zettel und Stift treffen", sagte Anne Roth von der Nichtregierungsorganisation "Tactical Tech" am 23. Januar vor mehr als 100 Gästen im ARD-Hauptstadtstudio. Dennoch gäbe es viele Hilfsmittel, mit denen Journalisten maximale Sicherheits-Vorkehrungen treffen könnten, wie beispielsweise durch Verschlüsselung ihrer Festplatten, Emails und Chat-Konversationen.
Im journalistischen Alltag ist das nicht leicht zu befolgen: Rechner in Redaktionen stecken in einem eigenen IT-System, das es selten möglich macht, zusätzliche Programme herunterzuladen. "Ich erledige viele Recherchen von zu Hause aus, da ich auf meinem privaten Rechner all die Verschlüsselungsprogramme habe, die ich benötige", sagte John Goetz, NDR-Redakteur für investigative Recherche. Als er den Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele bei seinem Treffen mit dem Whistleblower Edward Snowden begleitete, war für ihn selbstverständlich, dass er sein Handy nicht mitnahm. Denn auch Mobiltelefone seien problemlos auszuspähen. Anne Roth: "Für Geheimdienste ist es überhaupt kein Problem, einen Journalisten mithilfe eines Handys zu orten. Alles, was nicht Inhalt des Gesprächs ist, ist nachvollziehbar und kann viel über den Journalisten und dessen Recherche aussagen: Wo befindet sich der Betreffende? Mit wem telefoniert er, wie oft und wie lange?"
Anne Roth ist immer wieder überrascht, wie wenig sich Journalisten mit digitaler Sicherheit und dem Schutz ihrer Informanten auskennen. Sie forderte daher ein Umdenken in der journalistischen Ausbildung, die heutzutage ihrer Ansicht nach eine Schulung in digitalen Sicherheitsvorkehrungen beinhalten sollte.
Quellenschutz und Verschlüsselungsprogramme
Malte Spitz, Bundestagsabgeordneter der GRÜNEN und spezialisiert auf Bürgerrechte, Medien- und Netzpolitik, unterstützte diesen Vorschlag. Auch er hat die Erfahrung gemacht, viele Hauptstadtjournalisten seien nicht in der Lage, vertrauliche Informationen zu empfangen. "Wenn ich diskrete Akten per Email verschicken möchte, ist Verschlüsselung für viele Journalisten ein Fremdwort."
Angesprochen auf die aktuellen Sicherheitslücken antwortete Google-Lobbyist William Echikson, diese Probleme seien nicht neu. "Journalisten mussten sich schon immer darüber Gedanken machen, wie sie ihre Quellen schützen. Das Internet hat diese Probleme nicht hervorgerufen, sondern ihnen lediglich eine andere technische Dimension gegeben." In seinem Unternehmen würden keine zusätzlichen Verschlüsselungsprogramme benutzt, so der Lobbyist. Besorgniserregend sei aus seiner Sicht eher die Tendenz, dass immer mehr Staaten das Internet in ihren Ländern zensierten.
NDR-Journalist John Goetz konterte, Google unterstehe faktisch dem Geheimdienst der USA. Das Internetunternehmen sei aufgrund des Firmensitzes den US-amerikanischen Gesetzen verpflichtet und müsse daher Daten an die NSA liefern. William Echikson antwortete, dass sein Unternehmen im Zuge des NSA-Skandals die US-Regierung verklagt habe. "Außerdem haben wir sehr transparent dargelegt, wie oft wir welche Daten an die NSA weitergeleitet haben."
Wer garantiert Freiheit im Netz?
US-amerikanische Internetunternehmen hätten eine Monopolstellung im Netz, sagt Anne Roth. Eine Alternative hierzu sei notwendig. "Das Internet steht für Freiheit. Doch nach den NSA-Skandalen ist Freiheit kein Begriff mehr, den man mit den USA verbindet", sagte Anne Roth. Wer könne in Zukunft die Freiheit des Internet garantieren? Unternehmen wie Google nutzten User-Daten für ihre Geschäftsmodelle, Staaten sei nach dem NSA-Skandal auch nicht zu trauen. "Wir müssen einen Weg jenseits von Unternehmen und Staat finden", sagte Roth und gab zu, sie selbst wisse auch nicht, wie ein solches Gebilde aussehen könnte.
Die Macht des Staates und die gezielte Überwachung würden vor allem viele Journalisten und Aktivisten in den arabischen Staaten zu spüren bekommen. "Das führt oft zur Selbstzensur", sagte Journalist Zahi Alawi vom Arabischen Programm der Deutschen Welle. Er beklagte, deutsche Software-Unternehmen, die Späh- und Schadprogramme entwickeln, dürften an repressive Staaten exportieren. "Diese Unternehmen sind eigentlich Waffenexporteure - ihre Software führe dazu, dass Menschen verhaftet und gefoltert werden."