Frauen, die in serbischen Medien arbeiten, wurden Opfer sexistischer Angriffe und sind häufiger politischem Druck ausgesetzt als ihre männlichen Kollegen. Drei Journalistinnen wollen das ändern.
Gut gelaunt brachte sich Verteidigungsminister Bratislav Gašić Ende 2015 vor laufenden Kameras in Position, als eine Reporterin sich gerade niederkniete, um die Schnürsenkel zuzubinden. Der Politiker beobachtete die Bewegung – und reagierte mit einem sexistischen Kommentar. Die Äußerung kostete ihn den Posten. Wochenlang beherrschte der Vorfall die serbischen Medien. Der öffentliche Druck wurde schließlich so groß, dass der Regierungschef seinen Minister entließ. Ein Triumph für die serbischen Frauenrechtlerinnen und Medienverbände, letztlich aber nur ein kleiner.
“Männliche Kollegen spielen das Problem oft herunter”
„Immer noch stellen wir fest, dass Journalistinnen häufiger Drohungen und Druck ausgesetzt sind als ihre männlichen Kollegen“, sagt Jovana Gligorijević, die stellvertretende Chefredakteurin der renommierten Wochenzeitung Vreme. Sie ist außerdem Gründerin des Jugendportals Vugl, das langjähriger Partner im Westbalkan-Projekt der DW Akademie ist. Seit Jahren ist Jovana Gligorijević zudem in der serbischen Frauenrechtsbewegung aktiv und hat im Netz schmerzhafte Erfahrung mit sexistischen Angriffen und Gewaltdrohungen gemacht. „Wenn Journalistinnen bedroht oder angegriffen werden, versuchen ihre männlichen Kollegen das oft herunterzuspielen.“
Dass Frauen öfter politischem Druck ausgesetzt sind, habe auch damit zu tun, dass mehrheitlich Journalistinnen über Innenpolitik, Korruption und organisierte Kriminalität berichten, sagt Jovana Gligorijević. Kommentare und Kolumnen seien hingegen eine Männerdomäne. „Das sendet die Botschaft: Männer sind diejenigen, die denken und eine Meinung äußern, während Frauen dazu da sind, von vor Ort zu berichten.“
Journalismus – ein Beruf in Frauenhand?
Schon heute beschäftigen serbische Medien insgesamt mehr weibliche als männliche Mitarbeitende. Auch in den Journalismus-Studiengängen machen Frauen knapp zwei Drittel der Absolventen aus. „Der Journalismus, so scheint mir, wird immer mehr zu einem Frauenberuf“, sagt Klara Kranjc, die beim Sender RTV Vojvodina die Jugendwelle Oradio leitet. Öffentlich-rechtliche Medien würden Frauen auch Mutterschutz und Erziehungsurlaub garantieren – und damit weit mehr entgegenkommen als viele Privatmedien. „Es gibt mehr und mehr Frauen auf Chefredakteurspositionen. Aber leider geschieht es nur selten, dass sie es ganz nach oben auf den Intendantenposten schaffen.“
Befragungen unter Lokalmedien zeigen zudem, dass Frauen bis zu einem Viertel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. In Spitzenpositionen sind sie auch dort in der Minderheit – noch. Schaut man sich die zwischen 2005 und 2015 neu gegründeten Privat- und Bürgermedien an, liegen zwei Drittel in Frauenhand.
Beide Perspektiven sind wichtig
Bestes Beispiel ist das südserbische Jugendportal Youth Vibes. Gegründet wurde es 2017 von zwei Schülerinnen. Heute liegt die Hauptverantwortung bei der 19-jährigen Anđelija Stanimirović, die um jeden aktiven männlichen Kollegen froh ist. „Früher gab es deutlich mehr Männer als Frauen im Journalismus, heute scheint es umgekehrt zu sein. Die männliche und die weibliche Perspektive sind aber gleich wichtig, sonst gibt es keinen Fortschritt.“
Diskriminierung, weil sie eine Frau ist, habe sie bisher nicht erfahren, sagt Anđelija Stanimirović. „Dennoch sind wir Tag für Tag Zeugen, dass Frauen Beleidigungen und sexistische Kommentare erleiden müssen. Das hat aber weniger mit ihrer Position in den Medien zu tun als mit der Situation der Frauen generell. Das Problem liegt tiefer.“
„Die Gesellschaft negiert weibliche Stimmen und lässt sie verstummen“, sagt Jovana Gligorijević. Das will sie ändern und setzt, wie auch Klara Kranjc und Anđelija Stanimirović, bei der jungen Generation an. Denn serbische Jugendliche – Frauen ebenso wie Männer – gehen das Thema Gender-Gerechtigkeit viel offener an als ihre Eltern oder Großeltern. Deshalb sind gerade Jugendmedien wichtige Foren, in denen patriarchale Denkweisen in Frage gestellt und sexistische Anfeindungen offen kritisiert werden.
Eine Stimme für die junge Generation
Jungen Menschen eine Stimme geben und Raum für zukunftsweisende gesellschaftliche Diskussionen schaffen – das ist auch das Ziel der DW Akademie in ihrem Westbalkan-Projekt „Young Media“. Sexistische Hasssprache ist dabei ein wichtiges Thema, so auch bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem Brave New Media Forum. Jovana Gligorijević, Klara Kranjc und Anđelija Stanimirović sind nur drei von vielen starken Frauen im Projekt, die mit ihren Medien den gesellschaftlichen Wandel unterstützen.