Sambia: "Meine neue Liebe: Bürgerradio Chikuni" | Afrika | DW | 11.12.2014
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Afrika

Sambia: "Meine neue Liebe: Bürgerradio Chikuni"

Wie das sambische Radio Chikuni seine Hörer berührt und mit einem Programm zu Menschenrechten Leben verändert - ein Bericht von Eva Georgia, Trainerin der DW Akademie in Sambia und Namibia.

Diskussion über Menschenrechte - Eva Georgia mit Redakteuren von Radio Chikuni (Foto: Radio Chikuni).

Diskussion über Menschenrechte - Eva Georgia mit Redakteuren von Radio Chikuni

Von Menschen für Menschen - das ist eine der Definitionen von Community Radios, der ich große Bedeutung beimesse. Doch in den 25 Jahren, in denen ich für Bürgermedien auf der ganzen Welt gearbeitet habe, habe ich selten erlebt, dass dieser Grundsatz auch tatsächlich gelebt wurde. Im August diesen Jahres habe ich eine Reise tief in den afrikanischen Busch in Sambia unternommen, fernab der Hauptstadt Lusaka. Hier habe ich ein Community Radio kennengelernt, das den Grundsatz "von und für Menschen" wirklich umsetzt, und das jeden Tag. Radio Chikuni, ein katholischer Missionarssender, hat mich hellauf begeistert.

In der Provinzhauptstadt Monze angekommen, sind es immer noch 36 Kilometer bis ins abgelegene Chikuni. Die letzten zehn Kilometer bestehen aus einem kaum befahrbaren Schotterweg, der ins Nichts zu führen scheint. Trotz dieser Abgeschiedenheit leben die Menschen bereits seit 1905 hier. Die Stadt hat sich für sein herausragendes Bildungswesen und seine gute Gesundheitsversorgung einen Ruf gemacht. Die Gemeinde der liberalen Katholischen Mission ist sehr stolz, eines der besten Krankenhäuser, eine der besten Schulen sowie eine der besten Universitäten aufgebaut zu haben. Dieser Lokalstolz, das, was die Menschen von Chikuni mühsam aufgebaut haben, das alles steht bei Radio Chikuni im Mittelpunkt.

Lokalstolz und Engagement

Eva Georgia mit Mitarbeiterin von Radio Chikuni (Foto: Radio Chikuni).

Schnell ins Herz geschlossen: Eva Georgia wurde bei Radio Chikuni schnell ins Herz geschlossen.

Kaum im Sender angekommen, werden meine sambische Co-Trainerin und ich von Hektik und großer Aufruhr überrascht: Die Mitarbeiter bereiten sich auf ein Konzert vor, zu dem über zehntausend Besucher aus dem ganzen Land erwartet werden. Wir blicken uns etwas nervös an und fragen uns, wie wir wohl inmitten dieser Hektik unsere Trainings abhalten sollen. Doch schnell einigen wir uns und stellen gemeinsam mit den Mitarbeitern einen neuen Zeitplan auf, der ihren Einsatz bei der Vorbereitung des Konzerts berücksichtigt.

Wir sind hier in Chikuni im Rahmen eines Projekts, das die DW Akademie in Kooperation mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in verschiedenen Landesteilen Sambias durchführt. Ziel ist es, die Berichterstattung über menschenrechtliche Themen zu verbessern. Dazu trainieren wir sambische Journalistinnen und Journalisten verschiedener Radiosender - und Radio Chikuni ist eines der Community Radios, die am Projekt teilnehmen. Wir stellen schnell fest: Die Mitarbeiter wissen viel über Menschenrechte, sind sich aber unsicher, wie sie dies auch ihren täglichen Zuhören vermitteln können. Doch das wird sich schon bald ändern.

Radio Chikuni hat im Jahr 2000 seinen Betrieb aufgenommen. Die Mitarbeiter haben in über 20 Dörfern mehr als 50 Hörerclubs initiiert - viele Ehrenamtliche engagieren sich für den Sender und liefern Geschichten. Es sind neben den festen Mitarbeitern auch die Gemeinden, die das Radioprogramm gestalten. Berichtet wird über lokale Themen, nah dran am Leben und der Tradition der Tonga - dem Volk, das in dieser Gegend beheimatet ist.

Alte Traditionen, neue Strukturen

Unterwegs für die DW Akademie: Eva Georgia in Chikuni (Foto: Radio Chikuni).

Unterwegs für die DW Akademie: Trainerin Eva Georgia in Chikuni

Das Prinzip funktioniert so: Zehn Bürgerjournalisten, ausgebildet von Radio Chikuni, klappern mit gesponserten Fahrrädern die Dörfer auf der Suche nach Geschichten ab. Die Neuigkeiten notieren sie handschriftlich und werden dann anschließend von Chikuni-Mitarbeitern dabei unterstützt, im Studio Beiträge zu produzieren. Parallel dazu sind Aufnahmegeräte von Chikuni in den Hörerclubs im Umlauf, mit denen Geschichten vor Ort aufgezeichnet werden. Diese Geschichten werden dann in das wöchentliche Programm eingebunden. Es ist eine afrikanische Tradition, das Alte mit dem Neuen auf immer neue Art und Weise zu verbinden - bei Radio Chikuni entsteht so eine Mischung aus moderner digitaler Sendetechnik mit der ältesten Form der Kommunikation: die mündliche Überlieferung von Botschaften.

Es sind überwiegend Frauen, die sich hier ehrenamtlich im Bürgerjournalismus engagieren. Sie sind stolz darauf, ihrer Gemeinde eine Stimme geben zu können. Es ist Philosophie des Senders, dass die Geschichten aus dem Herzen der Hörerschaft kommen sollen.

Während des Trainings erleben wir die täglichen Herausforderungen des Senders. Elektrizität ist zum Beispiel nicht immer verfügbar. Der Missionsleiter Father Andrew hat deswegen eine Solaranlage installieren lassen, die eine ununterbrochene Ausstrahlung des Programms von fünf Uhr morgens bis elf Uhr abends ermöglicht. Bis zum späten Nachmittag kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dank weiterer grüner Alternativen ganz ohne öffentliche Stromversorgung aus.

Aus dem Herzen der Hörerschaft

In unserem Training kommen wir schnell voran. Wir besprechen die Grundlagen des Radiojournalismus und üben die Produktion von gebauten Beiträgen. Schnell nehmen wir uns einem der dringendsten Menschenrechtsthemen in der Region an: Kinderarbeit. Das ist ein hoch sensibles Thema, weil die alten Traditionen vorsehen, dass Kinder zum Beispiel beim Steineschlagen helfen. Sie arbeiten den ganzen Tag im Steinbruch unter der heißen Sonne ohne Wasser und Essen. Aus dem Geröll der Steine werden dann Back- und Ziegelsteine hergestellt und weiterverkauft. Andere Kinder müssen für ihre Eltern Wasser in 20-Liter-Kanistern über weite Distanzen schleppen. Einmal beobachten wir dabei sogar eine 4-Jährige. Unsere Teilnehmer nehmen die Gelegenheit wahr, diese Erfahrungen und Erlebnisse aus einer Menschenrechtsperspektive heraus zu betrachten und zu analysieren.

In unseren kurzen Kaffeepausen erzählen uns die Teilnehmer von dem Bildungsprogramm "Taonga Radio School", das Radio Chikuni für Grundschüler ausstrahlt. Es enthält Lese- und Schreibübungen und bietet vielen Lehrern aus der Region Unterrichtsmaterialien. Ein weiteres Programm thematisiert das Leben und die Geschichten von HIV-Betroffenen. Es wird produziert von Menschen, die mit HIV infiziert sind und sich in wöchentlichen Gruppentreffen austauschen. Das Programm habe dazu beigetragen, die Stigmata rund um das Thema HIV zu verringern, berichten die Teilnehmer. Einmal im Monat veranstaltet Radio Chikuni öffentliche Live-Debatten - jedes Mal in einem anderen Dorf. Diese Live-Debatten werden unter einem Baum abgehalten und oftmals kommen bis zu tausend Bewohner, um zuzuhören und mitzureden.

Austausch und Vernetzung

Das Prinzip bleibt immer gleich: Den Gemeinden soll Gehör verschafft werden, die Menschen sollen die Gelegenheit bekommen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und damit ihre eigene Identität aufzubauen. Radio Chikuni bietet den dörflichen Gemeinden eine sichere und produktive Plattform für Austausch und Dialog. Es ist ein verantwortungsvolles Sprachrohr für die Sorgen, Herausforderungen und Erfolge der lokalen Bevölkerung.

Ich kann es nicht genug betonen: Chikuni ist ein Radio für Menschen von Menschen. Genau so habe ich mir immer ein Bürgerradio vorgestellt. Vielleicht können Sie jetzt verstehen, warum ich mich in dieses Radio verliebt habe. Und warum dieses Training mehr war, als eine willkommene Reise in den afrikanischen Busch.

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  • Datum 11.12.2014
  • Autorin/Autor Eva Georgia / ch
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