Südsudan ist gezeichnet durch Jahrzehnte des Bürgerkriegs, viele Menschen sind traumatisiert. Auch Journalisten, deren Arbeit von Gewalt und Angst beherrscht wird, benötigen Unterstützung bei der Trauma-Bewältigung.
Gruppenarbeit der besonderen Art: Teilnehmerinnen des Workshops zur Trauma-Bewältigung tauschen Erlebnisse aus, für die es kaum Worte gibt
DW Akademie-Trainerin Helena Ferro de Gouveia hat im August 2015 in einem Workshop in Juba südsudanesische Journalisten bei der Trauma-Bewältigung begleitet. Eine besondere Herausforderung, sagt sie, auch für eine in Krisengebieten erfahrene Trainerin.
Frau Ferro de Gouveia, wie schwierig ist die Lage im Südsudan für Journalisten?
Die Lage ist sehr schwierig. Viele Journalisten werden bedroht. Während wir in der Hauptstadt Juba waren, ist ein Journalist ermordet worden. Der südsudanesische Präsident schürt dieses Klima der Angst durch Sätze wie: 'Alle Journalisten, die sich nicht anpassen, begeben sich in Todesgefahr.' Das hat er im Originalton so gesagt, erst später ist er etwas zurückgerudert. Und natürlich gibt es auch Tabu-Themen, über die Journalisten nicht berichten können. Zum Beispiel das Thema Binnenflüchtlinge, von denen es im Südsudan sehr viele gibt. Darüber darf einfach nicht gesprochen werden, denn die Flüchtlinge werden als Verräter angesehen. Nur eines von vielen Tabuthemen im Land.
Ist es in diesem Klima der Angst möglich, als Journalist zu arbeiten?
Ja, ist es. Und es wird auch gemacht. Zum Beispiel haben Journalisten als Reaktion auf die Ermordung eines Kollegen zu einem Sendestreik aufgerufen. Zwei Tage lang gab es keine Nachrichten im Land außer die des staatlichen Senders SSR (South Sudan Radio). Das war wirklich eine sehr mutige Entscheidung und ist als starkes Signal aufgenommen worden.
Sie haben Journalisten vom staatlichen Rundfunk SSR und vom katholischen Sender Bakhita FM dabei begleitet, wie sie traumatische Erlebnisse aus ihrer Arbeit aufgearbeiten. Erlaubt die Sicherheitslage eine solche Arbeit?
In der Hauptstadt Juba ist die Lage oft angespannt. Überall in der Stadt gibt es Panzer. Und es gibt im Landesinneren auch immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und Regierungstruppen. Unsere Arbeit hat das nicht direkt beeinflusst, indirekt aber schon. Denn man muss vorsichtig sein, dass man keine politischen Themen aufgreift. Tut man das, gefährdet man nicht nur sich selbst, sondern auch die Trainingsteilnehmer. Und das müssen wir unter allen Umständen vermeiden.
In ihrem Workshop waren acht Frauen und drei Männer - sie alle haben Krieg erlebt und leiden darunter. Von welchen Traumata haben sie erzählt?
Leben in den Straßen von Juba - eine ganze Familie bewohnt hier oft nicht mehr als 10 Quadratmeter Raum
Von schrecklichen Traumata, von Vergewaltigung oder Peitschenhieben. Wir hatten eine Teilnehmerin, die 20 Peitschenhiebe bekommen hat, als sie in Sudans Hauptstadt Khartum war. Wir hatten Teilnehmer, die auf der Straße über Leichen steigen mussten. Und wir hatten Teilnehmer, die von ihren Kindern getrennt wurden und tagelang nichts von ihnen wussten. Beinahe alles Schreckliche, was man sich in einem Krieg vorstellen kann, haben uns die Teilnehmer dort erzählt.
Wie kann konkrete Hilfe in einem solchen Fall aussehen?
Wir haben in dem Workshop die Trauma-Bewältigung mit dem Training von journalistischen Fähigkeiten verbunden, insbesondere konfliktsensible Berichterstattung, damit die Medien zur Deeskalation der Lage beitragen können. Bei Interviews ging es zum Beispiel erst einmal darum, wie man ein Interview führt. Im zweiten Teil lag der Fokus darauf, wie man ein Interview mit einer traumatisierten Person führt. Natürlich hatte ich auch die Unterstützung einer Therapeutin. Wir haben ganz offen über alles geredet, weil eine traumatisierte Person selbst erst einmal verstehen muss, dass sie ein Trauma hat. Es ist wichtig, das Schweigen zu brechen. Denn normalerweise sprechen traumatisierte Personen nicht offen über das Geschehene, einmal weil sie sich schuldig fühlen, oder aber, weil sie sich schämen.
Gibt es bei der Trauma-Bewältigung Erfolgserlebnisse?
Ich habe viele Gespräche darüber geführt. Ich denke, das Schweigen zu brechen und offen in einer Gruppe darüber sprechen zu können, ist bereits ein Ergebnis. Klar ist: Ein Trauma wird einen ein ganzes Leben begleiten. Aber es gibt Wege, es zu überwinden oder zumindest zu lernen, damit besser umzugehen. Das ist wichtig für die persönliche Stabilität der Menschen, aber bei Medienschaffenden insbesondere auch, damit die eigenen Traumata die journalistische Arbeit nicht negativ beeinflussen. Alle elf Journalisten, die bei uns waren, haben ihren eigenen Weg, haben Halt finden können. Eine Teilnehmerin beispielsweise macht jetzt Hörspiele und bearbeitet darin das Thema Trauma.
Wie groß ist der Bedarf zur Trauma-Bewältigung im Südsudan? Der Bedarf ist riesig. Ich kann zwar keine Zahlen nennen, aber nur soviel: Der Südsudan beziehungsweise früher der Sudan ist ein Land, in dem 42 Jahre Bürgerkrieg herrschte. Es gibt allein zwei Millionen Menschen, die Flüchtlinge im eigenen Land sind. Der Bedarf ist also enorm - und das gilt nicht nur für Journalisten. Diese jedoch können als Multiplikatoren fungieren, um das Thema bekannter zu machen.