Der Journalist Claus Kleber und Wissenschaftler Professor Hartmut Wessler diskutierten in der DW Bonn über das Thema Klimaberichterstattung in den Medien. Die Veranstaltung war Teil der Reihe "Klima. Global. Digital."
"Die Bilder von kalbenden Gletschern und wasserpaddelnden Eisbären holen niemanden mehr hinter dem Ofen hervor", sagte ZDF-Journalist und Moderator Claus Kleber am Dienstag, 19. Mai 2015 im Gremiensaal der Deutschen Welle. Damit sprach er ein Hauptproblem der Klimaberichterstattung an: Das Publikum hat kein Interesse mehr an diesem Thema. Mit Bezug auf die Nachrichtensendung Heute-Journal stellte deren Moderator Kleber fest: Wird über eine Klimakonferenz berichtet, schalten die Zuschauer oft weg.
Fußball als Quotenbringer
In der zweiteiligen TV-Dokumentation "Machtfaktor Erde", die Claus Kleber zusammen mit seinem Team produzierte, geht es vor allem um machtpolitische Fragen. Für eine solche Dokumentation gab es mit 19 Prozent eine erstaunlich hohe Zuschauerquote, so Kleber. Der Trick: der Sendeplatz um 23:15 Uhr, nach einem Fußballländerspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden. "Themen, die eine machtpolitische Dimension haben, laufen nach so einem Spiel besonders gut, denn das Unterhaltungsbedürfnis ist gesättigt", so Kleber.
Eine weitere Herausforderung ist die Komplexität des Themas Klimawandel. Kleber erklärt das Dilemma: Denen, die differenziert argumentieren, hört keiner zu. Und den Marktschreiern glaubt keiner mehr. Schließlich sei das Publikum überfordert und die Journalisten ebenfalls. Das führe dazu, dass die Zuschauer abschalten und das Gefühl haben, ihnen werde immer das Gleiche erzählt, sagte Kleber während der Ringvorlesung im vollbesetzten Gremiensaal.
Themensetzung global sehr ähnlich
Die wissenschaftliche Perspektive lieferte Kommunikationswissenschaftler Professor Hartmut Wessler vom Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft der Universität Mannheim. Eines seiner Forschungsprojekte konzentriert sich auf die Rolle der Medien im Rahmen von UN-Klimakonferenzen. Konkret untersucht er, wie in Indien, Südafrika, Deutschland, den USA und Brasilien über diese Konferenzen berichtet wird und welche Themen dabei besonders hervorstechen.
Den Untersuchungen zufolge dominieren vier Themenbereiche: Opfer des Klimawandels, Forderungen der Zivilgesellschaft, politische Verhandlungen und nachhaltige Energieversorgung. Die Studie zeigt, dass sich die Berichterstattung weltweit in den Themenschwerpunkten ähnel. Wessler überraschten die Ergebnisse: "Ich hatte zum Beispiel erwartet, dass Schwellen- und Entwicklungsländer die Opferrolle betonen. Große Unterschiede zu der Berichterstattung der Industrieländer finden wir aber insgesamt nicht."
Camp-Feeling bei Klimakonferenzen
Was bestimmt die Berichterstattung über Klimakonferenzen? Für die Studie interviewten Forscher das Netz der Teilnehmer. Wesslers Fazit: "Es entsteht bei solchen Konferenzen ein gewisses Camp-Feeling, ein Zusammengehörigkeitsgefühl." Journalisten dürfen die Verhandlungen nicht begleiten, daher sind sie auf die Informationen der Nichtregierungsorganisationen (NRO) angewiesen, die einen Beobachterstatus haben. NRO-Vertreter werden zu Erklärern und der informelle Austausch führt zu Zusammenarbeit bei der Berichterstattung. So gelingt es NROs nach Wesslers Analyse, zumindest in der Bildberichterstattung ihre Themen unterzubringen, denn Journalisten nutzen häufig Bilder von Aktivisten und Protestaktionen. Politiker und Wissenschaftler dagegen dominieren stärker in der textlichen Berichterstattung.
Anzüge oder Gorillakostüme
Claus Kleber bestätigt Wesslers Beobachtungen, dass NROs für Journalisten als Informationsquelle hilfreich sein könnten, räumte aber auch ein: "Wir tappen immer wieder in die Falle dieser spektakulären Aktionen. Da tanzen fünf Leute in Gorillakostümen herum, und die schaffen es in alle Medien der Welt." Kleber beschreibt die Herausforderung des Fernsehjournalismus, attraktives Bildmaterial präsentieren zu müssen. Starke Bilder wie emotionale Reaktionen von politischen Vertretern seien äußerst selten. "In der Regel klappt die Jagd nach diesen Bildern nicht - und dann tanzen die Gorillas."
Für seine eigene journalistische Arbeit zieht Claus Kleber das Resümee, dass die Opferperspektive auserzählt sei und stattdessen positive und konstruktive Lösungen vermittelt werden sollten. "Ich nehme an, dass wir erstens damit die Debatte ein Stück weiter bewegen und zweitens so eher das Publikum, das die Trauergesänge oft genug gehört hat, wieder gewinnen können."
Die Veranstaltung „Klimainformationen: Wer bestimmt die Nachrichten?“ war Teil der Vorlesungsreihe „Die Welt im Wandel. Klima. Global. Digital.“ Bis Ende Juni thematisiert die Reihe verschiedene Aspekte von Klimaforschung in einer digitalen Gesellschaft. Die nächste Vorlesung am Dienstag, den 2. Juni, untersucht, welche Rolle das Internet auf Bürgerbeteiligung hat. Die Reihe wird von der DW Akademie in Kooperation mit der Stadt Bonn, der Universität Bonn und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisiert.