Jedes Jahr hat Ramón García-Ziemsen, Head of Journalism Training, die Qual der Wahl: Wer sind die neuen Volas und Volos? Keine leichte Aufgabe zu der ihn Jennifer Pahlke, selbst ehemalige Volontärin, genauer befragt hat.
Du meinst Angst, weil sich viele, viele hundert Menschen bewerben und alle Bewerbungen gelesen werden müssen? Nein, denn erstens hilft ein Team von erfahrenen Redakteurinnen und Redakteuren. Und zweitens ist es eine große Freude, all diese kreativen Menschen kennenzulernen, die sich für die DW interessieren. Es muss ja ein Video produziert und ein Meinungsstück geschrieben werden – da bekommt man schon einen guten Eindruck, wer sich da bewirbt. Das ist Schritt eins im Auswahlprozess. Diejenigen, die dann weiterkommen, lernen wir persönlich kennen – in unserem Online-Assessment-Center, wo es Aufgaben zu bewältigen gibt und wir vor allem mit jeder und jedem ausführlich sprechen.
Die gute, perfekte Bewerbung gibt es nicht. Aber sie fängt bestimmt nicht mit dem Satz an, dass man ja quasi seit Geburt Journalist in oder Journalist werden und sich schon immer bei der DW bewerben wollte. Eine gute Bewerbung ist ehrlich, kreativ. Wenn jemand noch nicht so viel journalistische Erfahrung hat, aber mit Begeisterung, sagen wir, Physik studiert hat ist das völlig in Ordnung. Und natürlich muss auch deutlich werden, dass die Bewerberinnen und Bewerber unseren Wertekompass teilen. Wir reden hier über unsere Zero Tolerance Policy, wenn es u.a. um Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus geht.
Das ist in jedem Jahr anders. Insgesamt wurden bislang Menschen aus 50 Ländern ausgebildet. Wir haben jetzt eine Gruppe, in der acht Muttersprachen gesprochen werden. Alle haben auch ganz unterschiedliche biographische Hintergründe, Interessen, Leidenschaften sowie politische Einstellungen. Und das ist ganz wunderbar, weil Ausbildung bei uns keine Einbahnstraße ist: Wir wollen von den Volontärinnen und Volontären lernen. Deshalb finden wir auch junge Leute mit „ungeraden“ Wegen in den Beruf oder Experten, die von Journalismus noch gar keine Ahnung haben spannend. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass es nicht nur um das Wie, sondern das Was geht. Wer nichts zu sagen hat, dem höre ich auch nicht zu, egal wie hübsch es flimmert.
Ob ich mich für eine journalistische Ausbildung entscheide oder nicht, hat ja auch mit der Frage zu tun: „Kriege ich nach meinem Volontariat einen Job bei der DW?“
Na klar. Fast alle Volontärinnen und Volontäre bleiben bei der DW. Sie arbeiten als Redakteurinnen und Redakteure, Reporterinnen und Reporter, Korrespondentinnen und Korrespondenten sowie Moderatorinnen und Moderatoren. Es wird darauf Wert gelegt, dass Ex-Volas und Ex-Volos das, was sie trainiert haben, auch anwenden können – sei es in Projekten oder auch in der Entwicklung von ganz neuen Formaten. Wer einmal bei uns ist, hat – wenn er will – in der Regel eine wirklich gute Zukunft. Natürlich erhalten DW-Trainees immer wieder auch gute Angebote von anderen Medienanbietern, manche gehen dann. Interessant ist dabei, dass viele später zurückkommen. So war das bei mir zum Beispiel. Als Journalist muss man ja alles in Frage stellen, auch das eigene Arbeitsumfeld. Aber es gibt in der DW im Vergleich einfach viel Freiheit, eine gute Atmosphäre, und man kann so einiges verändern.
Stichwort verändern, Stichwort ausprobieren – ist das bei der DW gelebter Alltag?
Ehrlich: Das war früher nicht so einfach. Heute geht das gar nicht anders. Die naserümpfende Frage, ob TikTok und Journalismus zusammenpassen ist in der DW beantwortet: Ja, das geht. Und eben auch auf seriös Weise, weil das einfach zur „Marke“ DW dazugehört. Eine gerade fertig gewordene Volontärin hat vor dem Hintergrund der Weltklimakonferenz in Ägypten ein TikTok Video produziert, in dem sie die Erderwärmung unter anderem mit einem Fön erklärt. Das haben sich dann mehrere Millionen Menschen angeschaut. Ein Aber gibt es trotzdem: Wir müssen gegenüber allen Plattformen kritisch bleiben. So wie z.B. aktuell gegenüber X, das von Elon Musk wie ich finde gerade in Grund und Boden gemanagt wird. Sollte es sich bei dem von Musk „befreiten Vogel“ Twitter um einen Raubvogel handeln und Hate Speech an der Tagesordnung stehen, müsste man vielleicht nicht mehr dabei sein.
Vom Datenjournalismus über Fact Checking und bis zu Podcasting und Live-Schalte ist ja in der Ausbildung viel dabei. Schaut ihr auch über den Tellerrand?
Das ist sogar eine Kernidee journalistischer Ausbildung, wie wir sie verstehen. Aktive Teilnahme an Medienkonferenzen wie der re:publica, im vergangenen Jahr ein Besuch der documenta, der größten Kunstausstellung der Welt, aber auch eine Informationsreise nach Auschwitz sind feste Bestandteile in den 18 Monaten. Nicht zu vergessen: Die DW richtet das Global Media Forum aus, wo Medienschaffende aus aller Welt nach Bonn kommen. Dann haben die Volontärinnen und Volontäre eine „Wahlstation“, die einige zuletzt in Somalia, Pakistan, Ägypten aber auch bei Reuters in Berlin verbracht haben. Rauskommen, sich inspirieren und irritieren lassen, sich aber auch selbst hinterfragen, darum geht es. Ich weiß nicht mehr von welchem deutschen Dichter der Satz ist, aber man könnte es über unser Volontariat schreiben: „Ohne Überflutung durch das „Andere“ verdorrt das „Eigene“.“ Ergänzt vielleicht um ein Motto, in dem es um grüne Knie, geht: “I say, if your knees aren''t green by the end of the day, you ought to seriously re-examine your life.” Da weiß ich genau woher das kommt, aus Calvin & Hobbes, dem Comic von Bill Watterson, den ich wahnsinnig mag.
Die Volontärinnen und Volontäre sollen also auch Comics lesen…?
Nicht nur, aber gerne alles, was über unsere journalistische Blase hinausgeht. Ich denke einfach, dass wir in den großen, etablierten Medienhäusern manchmal zu selbstreferenziell sind – was Themensetzung und Umsetzung angeht. Und da haben die Leute, die wir ausbilden, hoffentlich andere Zugänge. Das ist übrigens ein wichtiges Auswahlkriterium. Leute wie mich gibt es in der DW schon genügend.