In Pakistan haben sich Lokaljournalistinnen und –journalisten mit afghanischen Geflüchteten zusammengetan, um über die afghanische Flüchtlingsgemeinschaft zu berichten.
Jamaima Afridi conducts an interview for a Buddy Team story on a fundraising program for Afghan refugees hit hard by Covid-19.
Manche mögen Raham Kahn als einen der glücklicheren afghanischen Geflüchteten in Pakistan betrachten. Schließlich hat er an der Universität von Peshawar Wirtschaftswissenschaften studiert und unterrichtet jetzt Mathematik. Allerdings kann er seine Schüler nur privat unterrichten, weil die pakistanische Regierung den 1,4 Millionen afghanischen Geflüchteten im Land verbietet, staatliche Stellen anzunehmen oder als Lehrer zu arbeiten.
“Wir Geflüchtete sind in Pakistan mit Einschränkungen konfrontiert”, sagt der 23-Jährige. “Wir dürfen auch kein Land besitzen oder Fahrzeuge anmelden.”
Infolgedessen leben viele Afghanen in Pakistan in Armut. Sie begannen in den 1970er Jahren hierher zu fliehen, ein Drittel der Geflüchteten lebt heute in Lagern. Viele arbeiten als Tagelöhner und werden von der Regierung nur widerwillig geduldet; selbst diejenigen, die im Land geboren sind, können keine Staatsbürger werden. Sie werden oft zum Sündenbock für terroristische Gewalt und Verbrechen gemacht und sind Schikanen und Diskriminierung ausgesetzt.
Die pakistanischen Medien berichten nicht über Geflüchtete oder ihre Probleme, so dass sie kaum Möglichkeiten haben, ihrem negativen Image entgegenzuwirken oder sich Gehör zu verschaffen.
"Wir sind Teil dieser Gesellschaft, aber niemand nimmt wahr, dass wir einen Beitrag leisten", sagte Khan. Seine Eltern flohen vor 40 Jahren nach Pakistan. Er selbst wurde hier geboren.
Geschichten "konstruktiv" erzählen
Marginalisierten Bevölkerungsgruppen während der Covid-19-Pandemie eine Stimme zu geben, ist ein zentrales Anliegen der Globalen Kriseninitiative, einem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierten Großprojekt der DW Akademie.
In Südasien lag der Schwerpunkt auf "konstruktivem Journalismus", einem Ansatz, der sich von traditionellem problemzentriertem Journalismus und Katastrophenberichterstattung abwendet und stattdessen den Blick auf das richtet, was gut funktioniert, und Geschichten von Widerstandsfähigkeit, Erfolg und Zusammenarbeit erzählt.
“Die Menschen wollen etwas Positives sehen, das sie inspiriert, sie aufklärt oder Lösungen anbietet”, so Said Nazir. “Das Publikum ist genervt von durchgehend negativen Berichten, zum Beispiel über Konflikte oder das Coronavirus.” Nazir ist Geschäftsführer des Tribal News Network (TNN), einem Partner der DW Akademie und einer Nachrichtenagentur, die ein Publikum in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Norden Pakistans bedient. Hier leben viele afghanische Geflüchtete.
Voneinander lernen
TNN und die DW Akademie haben gemeinsam ein Projekt entwickelt, das acht erfahrene pakistanische Journalistinnen und Journalistenmit acht afghanischen Bürgerjournalistinnen und –journalisten zusammenbringt. Sie wurden in den Grundlagen des konstruktiven Journalismus geschult und dann in “Buddy-Teams” zusammengeführt, um Videoreportagen über das Coronavirus und die Geflüchteten zu erstellen.
“Wir wollten, dass sie interagieren und eine Verbindung aufbauen”, erklärte Tayyeb Afridi. Er arbeitet für TNN und leitete den Workshop. “Die afghanischen Geflüchteten haben eine andere Perspektive als die pakistanischen Journalisten, und so hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, die Geschichten der anderen zu hören.”
Raham Khan, ein afghanischer Geflüchteter, hatte zuvor an einem TNN-Workshop für Bürgerjournalistinnen und –journalisten teilgenommen und wurde mit Wagma Feroz, einer 30-jährigen freien Mitarbeiterin von BBC Pashto und Independent Urdu, zusammengebracht. Der Workshop, so sagte sie, gab ihr die Möglichkeit, sich näher mit den Problemen der afghanischen Geflüchteten in Pakistan zu befassen.
Wagma Feroz stellt die Ergebnisse einer Diskussion vor, die im Rahmen des von TNN organisierten Workshops für konstruktiven Journalismus stattfand.
“Die Arbeit mit Raham hat mir geholfen, ihre Probleme und ihre Sicht der Dinge zu verstehen, denn sie sind in unserer Gesellschaft immer noch fremd”, sagt sie. Sie wisse nun, dass Geschichten über Geflüchtete nicht immer negativ sein müssten, und werde sich zwar weiterhin mit ihren Problemen befassen, aber auch mit der Frage, wie sie bewältigt werden.
Eine Geschichte über Resilienz
Sie und Khan produzierten eine Geschichte über eine afghanische Lehrerin, die ihren Job in einem Geflüchtetenlager verloren hatte, weil ihre Schule während der Pandemie geschlossen worden war. Um Geld zu verdienen, begann sie, Gesichtsmasken zu nähen und brachte dies auch anderen Frauen im Lager bei, damit auch sie Geld verdienen konnten. Es war eine Geschichte über Resilienz, über eine erfolgreiche Reaktion auf ein Problem – und möglicherweise Inspiration für andere ihn ähnlichen Situationen.Die 16 Teilnehmenden im Workshop produzierten insgesamt acht Videogeschichten, die alle auf den Websites, für die die pakistanischen Journalistinnen und Journalisten arbeiten, sowie auf der Website des Urdu Independent veröffentlicht wurden.
“Wir haben die Tatsache hervorgehoben, dass afghanische Geflüchtete Gefühle und Wünsche haben wie jeder andere auch”, sagte Khan. “Es ist wichtig, dass jeder das sieht.”
Er und Feroz wollen nun gemeinsam an weiteren Geschichten über die afghanische Gemeinschaft arbeiten. “Wir haben bereits viele neue Ideen!”
Dieses Projekt ist Teil der globalen Initiative "Transparenz und Medienfreiheit - Krisenfestigkeit in der Pandemie" der DW Akademie und wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert.